Weihnachtserinnerungen














1928 Wolfram Schnabel mit dem Weihnachtsmann und dem Christkind zu Weihnachten in Ziebendorf.
Geschenke waren ein Holzpferdchen mit Peitsche, ein Bilderbuch, eine Schreibtafel, ein Schießgewehr,
ein Weihnachtsteller mit Pfefferkuchen und Obst und anderes. Ein reicher Geschenketisch!


Weihnachten in Lüben

Wir Kinder warteten eigentlich das ganze Jahr auf Weihnachten. Das war unsere Zeitrechnung. Mochten auch alle anderen Feste ganz schön gewesen sein. Mit Weihnachten war überhaupt kein Vergleich. Am 1. Dezember hängten wir unseren Adventskalender an die Wand. Je mehr Glitzerteilchen daran waren, desto schöner war er. Die wunderhübschen Engelchen, die Kinder und die Tiere - alle sahen so festlich und lieblich aus. Nie wurde ein Fensterchen vorher geöffnet.
Am Samstag vor Advent wurde der Kranz gebunden. Vier rote, breite Schleifen hielten ihn an dem Haken, eigens dafür an der Zimmerdecke angebracht, fest. Auf die grünen Flächen steckten wir die vier dicken roten Kerzen. Niemals kam etwas anderes dazu. Genau wie unser Christbaum stets vom Boden bis zur Decke reichte und nie mit etwas anderem als weißen Kerzen, silbernen Kugeln und Lametta geschmückt wurde. Das geschah so sorgfältig, daß es immer eine Pracht war.
Die bestimmte Zahl Adventlichter wurde fast täglich angezündet. Dann sangen wir Kinder in den dämmrigen Abend. Oft mehr laut als schön. Nach dem Abendbrot sangen dann auch die Großen mit. Wir hatten einen Bauernhof und da mußte erst das Vieh versorgt werden.
Am Nachmittag ging es meist zum Rodeln. Der Kirchberg war ein herrlicher Rodelplatz für Mutige und für Kleine. An eine Weihnacht ohne Schnee kann ich mich nicht erinnern.
Pfefferkuchen wurde laufend gebacken. Den mit Glasur liebten wir besonders. Ohne Glasur kam erst in Frage, wenn die "Guten" alle waren. War das immer ein Fest! Der Teig schmeckte köstlich! So richtig mit selbstgekochtem Sirup. Der wurde Ende November gekocht. Die Zuckerrübenernte war die letzte Feldarbeit. Wenn es überall nach Sirup roch, war Weihnachten nicht mehr weit. Es war der Duftvorbote!
Dann wurden die Gänse geschlachtet; im Kuhstallgang saßen die Frauen und rupften sie. Anschließend ging es zum Federnschleißen. Dabei durfte man nicht zu gefühlvoll singen, denn da wirbelten die zarten Daunen durch die ganze Küche. Wir pusteten oft extra mal.
Auch der Mohn mußte "ausgelöffelt" werden (die Köpfe aufgeschnitten und herausgeklopft). Denn nur dann konnten ja der gute Mohnkuchen und die "Mohnbaben" gebacken werden. Die leeren "Mohnheetel" wurden gleich verbrannt. War das eine herrliche Wärme!
Und endlich sangen wir: "Morgen, Kinder, wird's was geben!" Unsere Gedichte hatten wir schon hundertmal runtergeleiert und auch mit Betonung geübt. Am Morgen hatte ich erst mal Geburtstag! Da kamen, als ich klein war, nur die Nachbarskinder ringsum. Später natürlich Schulkameraden. Um 10 Uhr begann die Feier und endete um 17 Uhr mit dem gemeinsamen Gang zur Christnacht. Waren die Eltern froh, daß sie ihre Kinder für ein paar Stunden an diesem Tag los waren! Danach brachten die Großen meine Gäste mit dem Schlitten oder Pferdeschlitten nach Hause. Wir versuchten nun indessen, in die verschlossene Stube zu gelangen, die gleich neben der Wohnstube lag. Es gelang natürlich nie.
Nun drängten wir zum Essen. Wir Kinder hätten eigentlich gar nicht essen müssen, wir waren viel zu aufgeregt. Aber es roch schon seit morgens im ganzen Haus nach dem echten Weihnachtsessen, nach Polnischer Soße. Aus Bier, Zwiebeln, Wurzelzeug, Gewürzen und Lebkuchen wird sie gekocht. Sie muß den ganzen Tag langsam ziehen. Da hinein kommen Weißwürste, diese mußte der Fleischer am Heiligabend herstellen. Ungebrüht kommen sie roh in die Soße, nur dann entsteht der richtige Festgeschmack. Nur Heiligabend (und bei Hochzeiten) gab es zwei Gänge. Zuerst einen saftigen Pökelbraten mit Klößen und Sauerkraut. Da langten die Großen richtig zu. Wir Kinder nahmen nur soviel, um den Teller zu "beschmutzen". Aber dann aßen wir tüchtig unsere langersehnte Weihnachtsspeise.
Die Tiere im Stall bekamen an diesem Abend das doppelte Futter. Roland, unser Schäferhund, eine Wurst.
Vor dem Essen wurden alle elektrischen Lampen gelöscht. Kerzen erhellten den Raum nur spärlich und feierlich, da falteten sich die Hände schon fast von selbst: "Komm Herr Jesu, sei unser Gast, und segne, was du uns bescheret hast!" Das Dankgebet konnten wir nun kaum noch erwarten. Denn dann hieß es: Licht an, Teller in die Küche und schnell abwaschen. Was haben wir emsig geholfen! Jedes Jahr haben wir versucht, im Zimmer zu bleiben. Doch plötzlich war die Tür verschlossen. Tante Meta, die älteste Schwester unseres Vaters, verschwand dann immer. Sie mußte das Fenster öffnen, wenn das Christkind kam, und als Älteste dem Christkind helfen.
Wenn die Küchenarbeit beendet war, erklang das zarte Glöcklein. Keines klingt so zart und schön wie das von unserm Christkind. Zuerst sangen wir "O Tannenbaum". Wie festlich sah er aus! Wir hatten ihn zwar schon gesehen, aber erst wenn seine Lichter brannten, erstrahlte er in voller Pracht. Dann schritt oder rannte jeder an seinen Platz. Natürlich wurde alles Neue, Schöne bestaunt. Spielzeug, Farbkasten, Puppenkleider, Bücher, Bekleidung usw., das alles gab es doch nur Weihnachten.
Es hieß immer: Das bringt das Christkind, wenn du schön artig bist. Die bunten Teller waren die Süßigkeiten-Ration bis zum Sommersingen. Sie wurden durchstöbert. Die Großen bekamen noch einen steifen Grog, und es gab Mohnkließla. Wir Kinder schliefen beim Spielen fast ein. Der erste Feiertag begann mit dem Kirchgang. Mittag gab es Gänsebraten, Klößel und Rotkraut. So war es Weihnachten daheim.

Johanna Danne (1932-1012) in LHB 6/1985

Das Württembergische Palais

Das Württembergische Palais

Fritz Peschel vor dem winterlichen Efeuturm

Fritz Peschel vor dem winterlichen Efeuturm

Eishockeyspieler auf dem Gelände der Heilanstalt

Eishockeyspieler auf dem Gelände der Heilanstalt

Familie Wurst beim Weihnachtsspaziergang im Stadtpark

Familie Wurst beim Weihnachtsspaziergang im Stadtpark

Heiligabend 1934 bei der Lübener Familie Wurst

Heiligabend 1934 bei der Lübener Familie Wurst, von links hinten: Charlotte, Rudolf, Friedel, Anna und Karl Wurst. Dank Petra Walther!


Einst zur Weihnachtszeit

Daheim - das war in Seebnitz im Kreis Lüben in Niederschlesien. Ich war noch ein Kind, hatte zwei Brüder, und wir wuchsen auf einem Bauernhof auf. Weihnachten war der Höhepunkt des Jahres und begann eigentlich schon vier Wochen vorher. Schon zum 1. Advent spürten wir im ganzen Haus die heimelige Atmosphäre. Der Adventskranz wurde von unserer Mutter am Samstag hergerichtet, das frische, duftende Tannengrün ließ unsere Kinderaugen strahlen. Frischer Pfefferkuchenduft durchzog das ganze Haus. Wir durften die ersten "Randstückchen" probieren. Am Sonntag saßen dann Mutter oder Vater am Klavier und wir sangen beim ersten Adventslicht um die Kaffeezeit gemeinsam mit den Hausmädchen alte Adventslieder. Zwischendurch durfte geknabbert werden! Am Montag in der Schule hing in jedem Klassenraum ein Adventskranz. Zur Morgenandacht wurden die ersten Weihnachtslieder gesungen, und so lernten wir die Texte vieler Kirchenlieder. Im Schulchor wurde zweimal wöchentlich für das Weihnachtsfest geprobt.

Dann stand der Nikolaustag vor der Tür! Am 5. Dezember abends öffnete unsere Mutter das Fenster, wir kletterten auf einen Stuhl und stellten unseren Teller auf das äußere Fensterbrett. So, wie wir es in dem Lied sangen: "... dann stell ich den Teller raus, Niklaus legt gewiß was drauf...". Unsere Gesichter strahlten überglücklich über einige Apfelsinen und Süßigkeiten. Von den Apfelsinen wurde jeweils eine in drei gleiche Teile aufgeteilt, das war Aufgabe der Ältesten, und jeder achtete darauf, daß er nicht benachteiligt wurde.

Meist lag in der Weihnachtszeit auch schon Schnee, oder aber es war sehr kalt. Wir suchten Ski und Schlitten hervor, auch die Schlittschuhe, für die wir auf dem Boden noch passende Schuhe fanden, die der ältere Bruder abgelegt hatte. Zu Weihnachten gehörte auch das Schlachten der großen Gänseherde. Die Gänse wurden gerupft und fix und fertig gemacht, in große Pakete verpackt und per Expreß mit der Bahn nach Berlin geschickt. Kurz vor Weihnachten wurden in der Küche die besseren Plätzchensorten gebacken. Wir Kinder halfen beim Ausstechen und stiebitzten ab und zu ein Stückchen Teig.

Eines Abends erschien das Christkind. Ein Mädchen, ganz in Weiß gekleidet, mit einem weißen Leinensäckchen. Wir wurden gefragt, ob wir das Jahr über auch artig und folgsam waren, alles getan haben, was die Eltern befohlen, fleißig in der Schule gelernt hätten? Mit zitternder Stimme flüsterten wir kleinlaut: "Ja!" Und dann hieß es ein Gedicht aufsagen. Der Jüngste von uns kam mit "Lieber guter Weihnachtsmann" davon, wir Älteren mußten längere Gedichte aufsagen. Lernen mußten wir diese Verse ohne Hilfe der Mutter, wir halfen uns gegenseitig, am Abend hörten uns mal die Häusmädchen ab. Unser Christkind schüttelte sein Säckchen auf den Tisch, die Nüsse kullerten durch das Zimmer, und bis wir alles gesammelt hatten, war das Christkind so still, wie es gekommen war, auch wieder verschwunden. Jetzt waren nur noch wenige Tage bis zum Fest. Eines der Zimmer durften wir nicht mehr betreten. Es wurde verschlossen. Gar oft standen wir davor und guckten durchs Schlüsselloch.

Das Putzen des Weihnachtsbaumes war Mutters Arbeit, wir bekamen den Baum erst bei der Bescherung zu sehen. Am 24. wollten wir lange aufbleiben, also mußte am Morgen auch länger geschlafen werden.

Weihnachten in Raudten. Zeichnung von Lehrer Paul Samieske
für die Raudtener Rundbriefe im Jahr 1956

Vor lauter Aufregung war das aber nicht möglich und wir krochen alle drei in die Betten der Eltern. Dort sangen wir aus Leibeskräften: "Heute kommt der Weihnachtsmann, kommt mit seinen Gaben...". Nicht nur ein- oder zweimal, nein, solange, bis unsere Mutter hoch kam und rief: "Guten Morgen, raus aus den Betten, es weihnachtet!"

Das gemeinsame Kaffeetrinken am Nachmittag wurde still und in Vorfreude auf den Abend genossen. Um 17 Uhr gingen wir alle zur Christnacht. Im Chor sangen wir 1944, es war das letzte Weihnachten daheim: "Zu Bethlehem geboren ist uns ein Kindelein...", "Herbei, o ihr Gläubigen..." und im Wechselgesang das Lied: "Lobt Gott ihr Christen allzugleich..."

In seltsam feierlicher Stimmung traten wir den Heimgang an. Zu Hause duftete das ganze Haus nach Bratwurst, die der Fleischer zu Weihnachten nach besonderem Rezept herstellte. Dazu gab es Sauerkraut, Salzkartoffeln und braune Butter, als Nachtisch Apfelmus. Nun konnten wir es schon gar nicht mehr erwarten. Die Eltern bescherten die Leute, die bei uns arbeiteten. Die Hausmädchen beeilten sich in der Küche.

Unser Vater hatte angeordnet, daß das Vieh im Stall eine extra Ration bekam und er ging vor der Bescherung mit dem Ältesten von uns durch alle Ställe.

Endlich war es so weit, das Glöcklein erklang und wir standen der Größe nach vor dem Weihnachtszimmer. Unser Vater spielte: "Ihr Kinderlein kommet..." . Vor uns der mit Lametta und Äpfeln geschmückte Tannenbaum im Kerzenschein. Wir stellten uns an den warmen Kachelofen und stimmten in den Gesang mit ein. Dann führte Mutter jeden an seinen Platz, auch die Hausmädchen.

Mit glücklichen Gesichtern beschäftigten wir uns mit Puppen, Burgen, Bauernhof, Quartett, der große Bruder mit neuen Ski, die Mädchen mit Aussteuerwäsche. Auf dem bunten Teller fanden wir Gebäck, das wir in der Vorweihnachtszeit noch gar nicht erspäht hatten. Zum Abschluß des Heiligabends gab es Kaffee, Mohn- und Streußelkuchen, Mohnstriezel und in vielen Familien auch Mohnklöße. Bevor wir auseinandergingen, sangen wir: "Nun danket alle Gott".

Am ersten und zweiten Feiertag lösten sich die Familienmitglieder mit dem Gottesdienstbesuch ab. Zu Mittag gab es den Gänsebraten, und am Nachmittag wurde mit Freunden alles Neue ausprobiert. Unvergeßliche Weihnachtszeit daheim!

Annemarie Busch geb. Keil

Foto: Weihnachten 1942 im Herrenzimmer des Gutshauses der Familie Keil in Seebnitz. Die Kinder spielen Quartett, "damit wir an den Feiertagen nicht so toben"! V.l. : Hans-Joachim Keil, Annemarie K., Edith Gutsch, Eberhard K., Horst G. (Nachbarskinder). Herzlichen Dank!