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Konrad Klose, Geschichte der Stadt Lüben, Verlag Kühn Lüben, 1924, S. 16/17
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kräftigen Schutz; das deutsche Recht19), zu dem sie ausgesetzt wurde,
garantierte im Gegensatz zum polnischen Recht die persönliche
Freiheit der Bürger, das Recht der freien Selbstverwaltung, die
Geltung deutscher Rechtsgrundsätze usw. Die formalen Bestim-
mungen lieferte das Magdeburger Recht. Wann dies der Stadt
verliehen worden ist, ist nicht bekannt. Wenn indes Haynau 1345
von Wenzel und Ludwig die Erlaubnis erhielt, sich des Magde-
burger Rechts wie Liegnitz zu bedienen, so dürfte Lüben nicht viel
später die gleiche Vergünstigung erlangt haben20). Die Stadt und
die Kirche wurden der hl. Jungfrau geweiht, deren Bild die
Stadt in ihrem Wappen führt21).

die slawische Siedelung die Bezeichnung "alt", z. B. Alt-Jauer, Alt-
Wohlau. Altstadt wird schon 1360 als antiquum Lubbin villa, also
als Dorf bezeichnet. Z. G. VI. Reg. Herzog Ludwigs I. Nr. 247.
19 Die erste urkundliche Erwähnung der civitas Lubyn datiert
vom 15.8.1295. Schles. Reg. 2376. Die Urkunde ist im Anhange
abgedruckt.
20 Die Geltung des Magdeburger Rechts in Lüben wird erstmalig
am 5.3.1457 in einer Urkunde Heinrichs IX. von Glogau erwähnt.
Staatsarchiv Ziekursch Mserpt. 22. Nr. 16. - Die Bewidmung Haynaus
erfolgte am 9.4.1345. Z. B. VI. Reg. Herzog Ludwigs I. Nr. 36.
21 Hupp "Die Wappen und Siegel der deutschen Städte 1898"
beschreibt das Lübener Stadtwappen folgendermaßen: In Gold der
schwarze schlesische Adler mit Brustmond, aus welchem anstatt des
Adlerhalses die Mutter Gottes mit dem Kinde auf dem rechten Arme
hervorwächst. - Ein älteres Siegel, welches an der in Guhrau auf-
bewahrten Urkunde von 1310 hängt, zeigt nebeneinander schwebend
rechts den halben schlesischen Adler, links einen Turm, an den sich links
eine Holzplanke, gekennzeichnet durch 3 lange, in den Boden gerammte
Pfähle, anschließt. Dieses Siegel wurde noch im XIV. Jahrhundert
durch das zuerst beschriebene verdrängt. Vielleicht wurde die Mutter
Gottes erst nach der Erneuerung der Stadt durch Ludwig I. die Schutz-
heilige derselben. - Ein kleines Stadtsiegel von 1510 trägt dieselbe
Zeichnung; ein späteres von 1623 zeigt die Mutter Gottes das Kind auf
dem linken Arm haltend. Das Sigillum civit. Lubenensis von 1674
scheint schon den österreichischen Schild auf der Brust des Adlers zu
zeigen, der auf den späteren Zeichnungen von 1705, 1707 und 1714
wiederkehrt und sonderbarer Weise auf dem Kämmereisiegel von 1787
neu nachgeahmt wurde. - Aus dem XIV. Jahrhundert stammt das
große Stadtwappen: Stadtmauer mit Tor und zwei spitzbedachten
Zinnentürmen; im Tor der gelehnte schlesische Adlerschild, neben dem-
selben an der Mauer stehend zwei weibliche Figuren mit je einem
Becher in der einen Hand; es sollen St. Barbara und St. Anna sein.
Ueber dem Tor und den Zinnen der Mauer sitzt auf einer - durch
ihre in zwei hohe Kreuzstäbe auslaufenden Lehne - auffallenden Bank
die Jungfrau in ganzer Figur mit Nimbus, Krone und Scepter und
dem Kinde. Außerhalb der Türme schweben 2 Adler (Beschreibung nach
Sauerma, Wappenbuch schlesischer Städte 1870). Es ist Stadtwappen
seit 1820. Daneben existieren noch 3 Gerichtssiegel, das älteste mit der
hl. Hedwig, die die Klosterkirche von Trebnitz in der Rechten hält, wohl
aus der Zeit Ludwigs I.; das zweite aus dem XV. Jahrhundert mit
dem Madonnenadler; das dritte von 1520 in gleicher Zeichnung wurde
um 1566 auch vom Rat benutzt.
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Die Stadtverwaltung lag nach deutschem Recht in den Hän-
den der Bürgerschaft. Ihr Organ war der Rat, dem wiederum
als freier Beirat in wichtigen Fällen die angesehenen, durch Alter
und Erfahrung ausgezeichneten Bürger, die Ältesten, zur Seite
standen. Die sechs Ratmänner22) entstammten den angesehenen
Familien, den "Ratsverwandten"23), und wurden alljährlich am
Aschermittwoch von dem abtretenden Ratskollegium gewählt und
vereidigt24). Die einzelnen Ratmänner erhielten - wenigstens in
späterer Zeit - bestimmte Dezernate. Im XVI. und XVII. Jahr-
hundert fungierte im Rat neben dem Bürgermeister der Alt-
herr, der Kirchvater, der Salzherr, der Zollherr und der Bauherr. Zu
den Obliegenheiten des Rats gehörte die Aufrechterhaltung der
öffentlichen Ordnung, die Aufsicht über Handel und Wandel, die
Kontrolle der Innungen, die Verwaltung des städtischen Besitzes,
kurz alles, was die Sicherheit und den Nutzen der Stadt betraf.
Als später der Geschäftsbereich der Stadtverwaltung größer
wurde und eine rechts- und sachkundige Hilfe nicht entbehrt wer-
den konnte, wurde ein besoldeter Stadtschreiber angestellt, der bei
dem jährlichen Wechsel der Ratmänner für die nötige Kontinuität
in der Verwaltung zu sorgen hatte25).
Die Gerichtsbarkeit über die Stadt war den sieben Schöffen
anvertraut, die unter dem Vorsitz des Erbvogts, später des Stadt-
vogts, das Recht zu finden hatten. Die Zuständigkeit des Stadt-
gerichts erstreckte sich auf die Stadt mit ihren Vorstädten bis an
die Grenzen der städtischen Feldmark26). Für alle in diesem Bezirk
wohnhaften Leute - mit Ausnahme der Juden - war das Stadt-
gericht kompetent. Sachlich war es zuständig für Zivil- und Straf-
sachen mit Ausnahme der drei Ungerichtsfälle (Notzucht, Haus-

22 cf. z. B. Urkunde vom 28.7.1485 Staats-Arch. Collgiatstift
Glogau Nr. 379: Wentzel Schmed burgirmeister czu loben, Nicolai
Symon, Nickel Cronsdorff, Marcus Kryntsch, Andreas Weysse, Jakob
Wesener, ratmanne.
23 Die Ratsverwandten bildeten später einen geschlossenen Kreis
von alteingesessenen Geschlechtern, zu dem andere nur durch beson-
deren Beschluß zugelassen wurden. Der Stadtschreiber Alexander am
Ende war laut Epitaph in den letzten 5 Jahren seines Lebens "Rats-
verwandter".
24 Daß die Ratskur in Lüben am Aschermittwoch stattfand, ist zwar
nirgends direkt bezeugt, ergibt sich aber aus dem Vergleich der ein-
schlägigen Urkunden, cf. auch Staatsarchiv Rep 28. O. A. Lüben das
Rechnungsbuch von 1446; dort wird ausdrücklich bezeugt, daß der neue
Kirchenbitter Caspar Heinz nach geschehener Abrechnung am Sonntag
Invocavit die Kasse übernommen hat.
25 Der erste bekannte Stadtschreiber ist Johannes Blewenberg 26.6.
1453 Staatsarch. Urkunden der Stadt Lüben Nr. 24.
26 vergl. Dr. F. Matußkiewicz "Die mittelalterliche Gerichtsverfassung
des Fürstentums Glogau, Bd. XIII der Darstellungen und Quellen zur
schlesischen Geschichte". Nach der Urkunde vom 15.8.1295 (S. R. 2376)
übte der Lübener Erbvogt "in civitate nostra Lubyn vel in confinio
sepis" die Gerichtsbarkeit aus.