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Konrad Klose, Geschichte der Stadt Lüben, Verlag Kühn Lüben, 1924, S. 20/21
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Ihre Bewohner genossen als Amtsuntertanen nicht alle Vorrechte
der übrigen Bürger und hatten keinen Anteil an dem städtischen
Besitz. Daraus erwuchsen mancherlei Unzuträglichkeiten. Erst
im XIX. Jahrhundert hörte die Sonderstellung der Amtsvorstädte
auf.
Nicht bloß dem Mangel an Bauterrain war abzuhelfen; es
mußte vielmehr auch das Bedürfnis der Bürger nach Äckern und
Wiesen befriedigt werden. Die Feldmark der Stadt war klein;
ihre Ausdehnung war nur nach Westen - und auch dort nur in
beschränktem Maße - möglich. Herzog Konrad erlaubte zwar
am 2. November 129939) "zur Verbesserung der Stadt Lubyn und
auf Bitten der Lübener Bürger" dem Rat, fünfzig Hufen im Um-
kreise einer Meile nach jeder beliebigen Richtung anzukaufen, und
gewährte für diesen Besitz volle Freiheit von allen Geschössern,
aber ob die Stadt die fünfzig Hufen hat erwerben können, bleibt
zweifelhaft. Später wurde durch das Geschenk der großen Heide40)
und des Dorfes Altstadt41) der städtische Landbesitz sehr wesentlich
vergrößert.
Die Stadt selbst in ihrem ursprünglichen Zustande können
wir uns kaum primitiv genug vorstellen. Ihr Grundriß ist der
für die schlesischen Städte typische: Den Mittelpunkt bildet der
große Ring mit dem Rathaus in der Mitte, das vermutlich wie
anderwärts von den öffentlichen Verkaufsstätten, "den Bänken",
umgeben war. Am Rathause selbst befanden sich die unmittelbar
dem Rate gehörigen Bauden. Von den Ringecken führen nach
Osten und Westen zwei einander entsprechende Straßenzüge nach
dem Liegnitzer bzw. Glogauer Tor; parallel zur nördlichen und
südlichen Ringseite laufen die beiden einzigen Seitenstraßen der
inneren Stadt, die Mälzer- und Judengasse. Den Zugang zur
Burg, die von der Stadt getrennt lag und nur durch eine Zug-
brücke mit ihr in Verbindung stand, vermittelte die Steinauer
Straße, die in dem gleichnamigen Tor ihren Abschluß fand. Un-
fern des Ringes lag die Kirche, umgeben vom Kirchhof, dem
jetzigen Kirchplatz. An der Südseite fehlte ein Tor; nur eine
Pforte an der Kirche führte hier ins Freie. Kein Gebäude der
Stadt, vielleicht das Kastell ausgenommen, war aus Stein gebaut;
blieb doch der Holzbau bis ins XVII. Jahrhundert die Regel. Auch
die ältesten Kirchen waren durchgängig Schrotholzbauten. Erst
nach der Hussitenzeit werden in Lüben Steinhäuser als etwas
Außerordentliches erwähnt42). Feuerbrünste waren daher auch

39 S. R. 2570.
40 10.10.1322. S. R. 4236.
41 23.4.1319. S. R. 3910. Die Urkunden sind im Anhange abgedruckt.
42 cf. z. B. Urkunde vom 20.3.1467 Depositum der Stadt Lüben
Nr. 27 "Das Haus hinder den Steynhausern" u. a.
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hier nichts Seltenes; die erste wird aus dem Jahre 1332 gemel-
det43). Die Stadt war schon in den frühesten Zeiten befestigt; den
Bürgern wurde bei der Verleihung von Altstadt die Verpflichtung
auferlegt, die Stadtbefestigungen im Stande zu erhalten44). Die-
selben bestanden vermutlich in einer Pallisadenumwallung, die
von einem Wallgraben umgeben war. Nach Norden und Osten
bildeten Fischteiche den natürlichen Schutz der Stadt, die übrigens
frühzeitig über den engen Gürtel ihrer Schutzwehr hinaus-
wuchs45).
Nur selten läßt der Lichtstrahl einer Urkunde einen Blick in
die inneren Verhältnisse der jungen Stadt tun. Genaueres hören
wir über die Erbvogtei, die durch ihre mannigfachen Gerechtsame
mit dem Handel und Wandel der Bürgerschaft in mancherlei
Wechselbeziehungen stand. Als erster mit Namen bekannter Erb-
vogt begegnet uns im Jahre 1310 Henemann oder Hermann46).
Später gehörte die Vogtei Otto von Kuschburg, der sie am
12. Juni 133547) an Hermann Buch verkaufte. Im Besitz dieser
Familie blieb sie bis ca. 1407/08 und ging dann an die Familie
Hanemann über, bis sie 1443 von der Stadt erworben wurde48).
Zur Erbvogtei gehörte 1335 die vor der Stadt gelegene Vogts-
mühle, die jetzige Stadtmühle, mit 6 Rädern - 3 für Getreide,
ein Schleifrad, ein Walkrad und ein Lohrad; für die drei letzten
besaß die Mühle das Monopol. Die am Mühlgraben gelegenen
Gärten und der Fischteich jenseits der Mühle waren ebenfalls im
Besitz der Vogtei. Ihr gebührte ferner der dritte Pfennig vom
Stadtgericht, je ein Vierdung49) Jahreszins von 26 Schuhbänken

43 Urkunde vom 23.8.1332 Depos. Lüben 66.
44 23.4.1319 S. R. 3910, siehe Anhang. "Noscentes, quod ipsi
cives nostri dilecti fideles reficiant et teneant agger, id est densatam
per novam piscinam, ceteras etiam firmitudines nostrae civitatis
Lobyn melius possint emendare." Das älteste Stadtsiegel stellt die
Umwallung der Stadt als Holzplanke mit eingerammten Pfählen dar.
Im Jahre 1864 wurden auf dem Grundstück Steinauer Straße Nr. 57
sieben eingerammte Balken von Eschenholz gefunden, die im Abstande
von je 4 Fuß neben einander standen; vielleicht Reste der alten Um-
wehrung. Daneben fanden sich in einer Tiefe von 7 Fuß Urnen, Glas-
gefäße und Tonfiguren. (Mitteilung des Pastor Dr. Haupt im Neuen
Lausitzer Magazin Bd. 45.) - Die Wetterfahne auf dem Glogauer Tor-
turm trägt die Jahreszahl 1333; sie stammt noch von der ältesten Be-
festigung der Stadt.
45 Schon am 2.11.1299 S. R. werden "allodia ad civitatem Lubyn
pertinentia" genannt.
46 S. R. 3150. Die Lesart schwankt. Ebenda wird auch Heinrich,
der alte Vogt, genannt.
47 Staats-Archiv Depos. der Stadt Lüben Nr. 7.
48 Ebenda Nr. 20. Der letzte Erbvogt Hans Hanemann verkaufte
die Vogtei wohl aus dem Grunde, weil er keine männlichen Nach-
kommen hatte.
49 1 Vierdung = ¼ Mark oder 12 Gr., etwa 5 M. jetziger Währung;
1 Skot = 2 Gr.; 1 Heller = ½ Gr.