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Konrad Klose, Geschichte der Stadt Lüben, Verlag Kühn Lüben, 1924, S. 46/47
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Ehe kinderlos gewesen war, mit Liegnitz vereinigt. Lüben wurde
Leibgedinge und Witwensitz der jungen Herzoginwitwe. Sie war
eine edle charaktervolle Persönlichkeit und eine hoheitsvolle, an-
mutige Erscheinung. Ihre Herzensgüte und Leutseligkeit machte
sie beim Volke sehr beliebt; mit Beziehung darauf ward sie allge-
mein "die Fürstin von Lüben" genannt161). Es fehlte ihr nicht an
Freiern - auch Gustav Wasa warb um ihre Hand162) -, sie zog
jedoch den Witwenstand vor und lebte in Lüben als "eine rechte
Mutter der Armen"163). Noch in ihrer letzten Krankheit bedachte
sie die Armen mit 100 ungarischen Gulden164), und der Stadt
schenkte sie am 20. Januar 1549 ein Vorwerk in Mallmitz zum
Unterhalt für verarmte Bürger und Einwohner165). Eine bedeut-
same Rolle spielte die Herzogin, wie später gezeigt werden wird,
in den kirchlichen Wirren der Reformationszeit.
Am Schluß dieses Kapitels sei noch ein kurzer Blick auf das
Stadtbild geworfen, wie es sich uns am Ausgang des Mittelalters
darstellt. Der mächtige Bau der herzoglichen Burg mit dem
Hedwigsturm und die Stadtpfarrkirche mit ihrem hohen Schiff
und dem 50 Meter hohen Glockenturm verliehen dem Gesamtbilde
der Stadt das charakteristische Gepräge. Der Anblick der 5 Meter
hohen Stadtmauer mit ihren zackigen Zinnen und ihren vierzehn
Türmen und des tiefen Wallgrabens, den ein hoher Erdwall um-
schloß, weckte in den Herzen der Bürger ein Gefühl der Sicherheit.
Die stark befestigten Tore wurden des Nachts geschlossen und die
Zugbrücken emporgezogen. An der Pforte führte ein Laufsteg
über den Wallgraben zum neuen Kirchhof mit der Allerheiligen-
Kapelle. Längst war die Stadt über die Ringmauer hinaus-
gewachsen. Vor dem Glogauer und Steinauer Tor breiteten sich
ausgedehnte Vorstädte aus; vor dem Liegnitzer Tor hinderten die
Teiche und die Nähe des Dorfes Samitz eine größere Ausdehnung
der Stadt. Dort lag die Niklaskapelle der Schuhmacherinnung.
Der Damm, d.h. der äußere Ring der Erdumwallung der inneren
Stadt, bildete die Arbeitsstätte verschiedener Gewerke; man sprach
vom Färber-, Töpfer-, Bleicherdamm usw. Das blühende Gewerbe
der Tuchmacher, das zeitweilig 400 Köpfe zählte, hatte seine
Rahmhöfe zumeist vor dem Steinauer Tor, wo die meisten Tuch-
knappen, Ausbereiter, Tuchscherer und sonstigen Hilfsarbeiter des
Mittels wohnen mochten. Das Zechhaus der Tuchmacher befand
sich auf der Liegnitzer Straße166). Vor dem Glogauer Tor, zu dem

161 Schönwälder "Die Piasten zum Briege".
162 Pohl, Jahrbücher III 147.
163 Schwenckfeld an Frau Eißeler 1549 Wolfenbüttler Mss. Cod.
Augustian 36.2. Nr. 39.
164 Ebenda.
165 Urkunden der Stadt Lüben Nr. 41.
166 Jetzt Schloßstraße 1.
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schon 1492 "die breite Gasse" führte ), lag der Kreuzhof, in dem
um 1525 Probst Tylemannus gebot ). Unfern derselben lag das
Barbarahospital der Tuchknappen mit der Barbarakapelle und
dem zugehörigen Kirchhofe. Vermutlich war die Straße, welche
durch die Glogauer und die Liegnitzer Vorstadt führte, schon im
XV. Jahrhundert gepflastert, weil sie den Durchgangsverkehr von
Breslau nach dem Norden vermittelte. Auf ihr führten die
Lübener Tuchmacher ihre Tuche aus, die schon um 1499 in Breslau
feilgeboten wurden ). Die Steinauer Straße wird 1569 als
"Steinweg", d.i. als Pflasterstraße bezeichnet ). Bereits um
1530 stand die Vogelstange am Wege nach der Armen-Leute-
Mühle ), die zum Heiligengeist-Hospital, dem Kreuzhof, gehörte.
Im Innern der Stadt begegnen wir der "Liegnitzischen Gassen"
1452 ), der Mälzergasse 1467 ), der "steinischen Gassen"
1470 ); die andern Straßen waren selbstverständlich auch vor-
handen, wenn sie auch nicht urkundlich genannt werden. Selbst
der "Eckborn an der glogischen Gasse" findet 1471 ) gebührende
Erwähnung. Steinhäuser ) finden sich seit dem Wiederaufbau
der Stadt nach dem Hussitenkriege. Zumeist werden sie am Ringe
gelegen haben, wo die wohlhabenden Bürger wohnten. Der Ring
selbst war von bedeckten Bogengängen, sogenannten Lauben, um-
geben; an der nördlichen Ringseite lagen die Frauenlauben ), an
der östlichen, im Zuge der Steinauer und Bahnhofstraße, die
Fleischlauben, an der südlichen die Gewandlauben ) und an der
westlichen, zwischen den beiden Glogauer Straßen, die Korn-
lauben ). Zwischen der Liegnitzer und Tiefen Straße befanden
sich die Fleischbänke; die Lage der Schuh- und Brotbänke ist unbe-
kannt. Das Rathaus wurde, wenn die Ueberlieferung nicht trügt,
im Jahre 1515 neu erbaut ). Im Turm des alten Rathauses

167 Staatsarchiv Rep. 3. L.B.W. 936.
168 Ebenda 928.
169 Schles. Zeitschrift XVIII. S. 86.
170 Rep. 3.L.B.W. 292.
171 Ebenda 862.
172 Ebenda 884.
173 Urkunden der Stadt Lüben Nr. 27.
174 Rep. 3. L.B.W. 803.
175 Ebenda 933. 176Urkunden der Stadt Lüben Nr. 27 "Das Haus hinder den
Steynhausern". - cf. auch Rep. 3 L.B.W., 931. Das steinerne Seel-
haus am Kirchturme 1465.
177 Rep. 3 L.B.W. 770 und 803.
178 Ebenda 846.
179 Ebenda 869. cf. auch Staatsarchiv Rep. 201 b Katasterarchive
B. 118, wo auch die Fleischlauben genannt werden, und die Lage der
einzelnen Laubengänge einigermaßen bestimmt wird.
180 Handschrift des Dr. Matthäus im Altstädter Pfarrarchiv Vol. III
Pfarrakten. Die Jahreszahl 1515 soll an dem 1757 abgebrannten Rat-
hause gestanden haben.