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Konrad Klose, Geschichte der Stadt Lüben, Verlag Kühn Lüben, 1924, S. 56/57
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waren die Rektoren wie die Altaristen sehr darauf bedacht, das
Einkommen zu vermehren. Wenigstens zeigen uns die Urkunden
aus der Zeit Ludwigs I. manche Schloßgeistliche in lebhafter ge-
schäftlicher Betriebsamkeit213).
Im Jahre 1369 ließ Ludwig an der Pfarrkirche einen um-
fangreichen Erweiterungsbau vornehmen. Wie weit dabei vor-
handenes Mauerwerk benutzt wurde, ist schwer zu sagen. Vermut-
lich wurde die Kirche damals als Hallenkirche mit gerader Decke
erbaut214). Möglicherweise hat auch der Kirchturm in jener Bau-
periode seinen jetzigen Standort und seine gegenwärtige Gestalt
erhalten. Die Stadtmauer stammt von Ludwig I., und der Kirch-
turm ist jedenfalls in die Befestigungswerke einbezogen gewesen.
Ludwig hatte in seinem ersten Testament von 1360 die Lübe-
ner Kirche vergessen. Ihr sollte ein weißer Ornat mit
Zubehör und einer cappa rectoris verbleiben, und der Schloß-
kapelle war eine Kasel "de marmachio" und der Ornat der hl.
Hedwig mit den andern Festornaten zugedacht. Das Testament
vom 4. April 1396 nimmt auf die früheren Bestimmungen nicht
Bezug, sodaß es zweifelhaft ist, ob diese wirklich in Kraft getreten
sind215). Dem kunstsinnigen und für seine Zeit hochgebildeten Fürsten
verdanken wir eins der wichtigsten schlesischen Kunstdenkmäler des
XIV. Jahrhunderts, die älteste Darstellung des Lebens der hl.
Hedwig mit deutschem Text und 61 Bildern, die Nikolaus von
Preußen in der Vorstadt von Lüben 1353 verfaßte. Ludwig

213 Z.G. VI Nr. 218: 13.1.1360 verkaufen Albert und Matthias
von Nechlyn in Obir 3 Mark Zins an den Rektor der Lübener Schloß-
kapelle; ebenda Nr. 323: 5 Brüder non Redern auf Petschkendorf ver-
kaufen am 14.5.1361 dem Rektor 3 Mark Zins in Petschkendorf;
ebenda Nr. 341: 24.8.1361 verkauft Herzog Ludwig dem Rektor 3 Mark
Zins in Petschkendorf und 7 ¼ Mark in Obir; Nr. 433: 31.5.1362.
Adelheid von Czislansdorf verkauft 5 Hufen an den Johann Salsatoris
(Sälzer) von der Lübener Schloßkapelle. Die 5 Hufen liegen in Ketzer-
feld bei Oberau; ebenda Nr. 591: 18.1.1365 gibt Herzog Ludwig den
Lübener Ratsherren die Mühle zu Klaptau, damit sie dem Altaristen
Johannes der Lübener Schloßkapelle 5 Mark jährlich auf Lebenszeit
zahlen sollen. Nach des Altaristen Tode fällt der ganze Zins wieder
an den Herzog. Ebenda Nr. 600: Am 6.3.1365 verkaufen Niczko und
Heynko Kosche in Oberau 3 Hufen weniger 3 Ruten samt dem vierten
Teil des Kirchenpatronats daselbst an den Rektor der Lübener Schloß-
kapelle; ebenda Nr. 618: am 2.12.1365 verkauft Niczko Kosche 1 Zins-
hufe in Obra mit den darauf haftenden Geld-, Natural- und Erbzinsen
an den Altaristen Joh. Salsatoris an der Lübener Schloßkapelle. Viel-
leicht handelt es sich dabei um Privatgeschäfte des Altaristen.
Nachgetragen sei dabei, daß in der Urkunde Nr. 600 ein Altar der
St. Anna und Dorothea genannt wird. Er ist wohl identisch mit dem
1358 gestifteten Altar.
214 Lutsch a.a.O. gibt die Möglichkeit zu, daß die Kirche früher
Basilika gewesen ist. Der Umriß des alten Giebels am Westgiebel des
jetzigen Gebäudes läßt es als wahrscheinlich erscheinen.
215 Die Testamente Ludwigs sind im Brieger Stadtbuche mitgeteilt.
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besaß einen starken Familiensinn und suchte das Gedächtnis der
edlen Ahnfrau seines Hauses, der hl. Hedwig, auf alle Weise
lebendig zu erhalten. Die Stätte, wo Nikolaus sein Werk voll-
endete, dürfte der Kreuzhof vor dem Glogauer Tor gewesen sein216).
Endlich mag es wohl auch Ludwigs Verdienst gewesen sein,
daß Lüben eine Schule erhielt. Im Jahre 1358 wird sie zum
ersten Mal erwähnt217). Vielleicht war der Rektor der Schloß-
kapelle Johannes gleichzeitig maagister scolarium (Schullehrer)218).
Noch im XIV. Jahrhundert wurde der Kirchhof im Innern
der Stadt kassiert, da er sich vermutlich frühzeitig als zu klein
und dem Verkehr der wachsenden Stadtbevölkerung hinderlich
erwies. Außerhalb der Stadtmauer, gegenüber der Pforte,
wurde ein neuer Friedhof angelegt; 1397 wird seiner zuerst Er-
wähnung getan219). Bischof Wenzel bestätigte in diesem Jahre
eine Stiftung des Lübener Rats von 7 Mark Prager Groschen
zum Altar omnium sanctorum (aller Heiligen) in der Kapelle des
neuen Begräbnisses, damit von den Zinsen des Stiftungskapitals
zum Troste der armen Seelen wöchentlich zwei Messen gelesen
würden. Später wurde die Begräbniskapelle zur Ehre Aller-
heiligen geweiht. Sie empfing mancherlei Zuwendungen namentlich
nach ihrer Wiederherstellung im Jahre 1446220). Vermutlich

216 Ueber die Bilder der Hedwigslegende cf. Wolfskron "Die Bilder
der Hedwigslegende" 1846; Dr. H. Luchs "Ueber die Bilder der H." 1861.
Wattenbach Cod. dipl. Siles. V 17 ff. Die älteste Handschrift ist der
Schlackenwerther Codex von 1353, eine spätere Abschrift der Breslauer
Codex von 1451. In ersterem steht folgender Vermerk: ‚Explicit legende
maior et minor de sancta hedwigi anno domini millesimo trecente-
simo quinquagesimo tercio consummata. Comparata autem per in-
clitum ducem dominum ludeuicum ducem slesie et dominum legnis-
czensem in honore beate hedwigis quondam ducisse slesie tacius
que polonie, scripta est autem per manus nycolai pruzie foris
civitatem lubyn'. Darunter von anderer Hand: ‚hanc epistolam
compilavit dominus Nicolaus de posenaw prothonotariums Reverendi
in Christo patris dom. Preczlay wratislaviensis Episcopi et trans-
misit eam Domino duci Ludovido Bregensi'. Wattenbach vermutet in
Nicolaus von Posen einen aus Breslau vertriebenen Domherrn dieses
Namen, von dem sich Briefe im Formelbuche des Arnold von Protzan
finden. er wurde später bischöflicher Notar und Pfarrer von Protzan.
Er scheint zeitweilig in Preußen gelebt und von dort an den Bischof
von Dorpat die erwähnten Briefe geschrieben zu haben. - Bei foris
civitatem lubyn ist wohl am einfachsten an den Kreuzhof zu denken.
Wäre das Schloß gemeint, so würde wohl in castro lubyn vermerkt sein.
217 Stenzel, Geschichte Schlesiens I 328.
218 Z.G. Nr. 606, 2.6.1365. Herzog Ludwig verbraucht in Breslau
½ Mark und 8 Denare für sich; 1 Gr. für seinen magister scolarium
Johannes.
219 Consig. der Lübener Pfarr-Urkunden (O.A. Lüben I), S. 8 Nr. 28.
220 In der Kirchenrechnung von 1446 (O.A. Lüben I) steht die Notiz:
Dominica ante Laurentii (7. August) doselbsten was kirmes in der
neven Kirche czu allerheiligen. Sie wird auch 21.4.1447 (Rep. 3
L.B.W. 880) als neue Kirche bezeichnet.