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Jahreszins zugefallen, das zur Fundierung eines zweiten Dien- 
stes bestimmt war300). Der Altarist des zweiten Dienstes, Petrus 
Fideler, hatte Residenz zu halten und neben den vierwöchentlichen 
Messen an allen Quatembern die Vigilien, Umgänge, Requiems 
und Predigten für die Toten der Bruderschaft zu verrichten. Den 
Ältesten lag es ob, für Wachs, Wein, Kelche und dergleichen zu  
sorgen301). Eine wertvolle Zuwendung  wurde der Bruderschaft 
dadurch zuteil, daß ihr Frau Hedwig Lucas am Jahre 1513 eine 
Brotbank überließ, deren Einkünfte in die Lade unserer lieben 
Frauen flossen302). Die überlebensgroße Schnitzfigur der Jung- 
frau Maria mit dem Kinde aus spätmittelalterlicher Zeit dürfte 
von der Liebfrauenbruderschaft stammen. 
Innerhalb der Schuhmacherinnung wurde 1418 eine Bruder- 
schaft begründet303), die jedenfalls in der Nicklaskapelle ihre 
Feiern abhielt. Sie bestanden in Vigilien und Messen für die 
verstorbenen Mitglieder an den Quatembern, an denen alle Ge- 
nossen der Bruderschaft bei Strafe teilzunehmen hatten. Die An- 
wesenden konnten, wenn sie 10 Paternoster, 10 Ave und 1 Credo 
beteten, je 40 Tage Ablaß gewinnen. - Etwa gleichzeitig entstand 
die Bruderschaft des hl. Leichnams innerhalb des Braugewerks 
der Mälzer304). Sie hielt ihre Feiern am Fronleichnamsaltar in  
der Pfarrkirche. Dort ist bereits das, was über die religiösen  
Feiern des Gewerks bekannt ist, mitgeteilt305). 
Die beiden Pfarrkirchen und die drei Kapellen mit ihren 
zahlreichen Altären, von denen mehrere mit zwei Ministerien aus- 
gestattet waren, erforderten ein bedeutendes Personal von  
Klerikern. An der Pfarrkirche amtierte ein Pfarrer mit drei 
Kaplänen, von denen der eine mit der Predigttätigkeit, der 
andere mit der Seelsorge, der dritte mit dem Lesen der Früh- 
messe beauftragt war. An der Schloßkirche war ein Pfarrer und  
ein Kaplan angestellt. Außerdem dürfte etwa ein Dutzend Alta- 
risten vorhanden gewesen sein, deren Besoldung sicherlich sehr  
kärglich war. Vielfach mögen sie im Unterricht an der Schule  
einen Nebenerwerb gefunden haben.  
Äußerlich angesehen befand sich am Ausgange des XV. Jahr- 
hunderts das Lübener Kirchensystem in glänzender Verfassung. 
Eine Stiftung reihte sich an die andere, die Mittel für kirchliche 
Zwecke flossen reichlich, waren doch noch am Anfange des XVIII.
  
300 Inkorporationsbuch des Bischofs Thurzo (II b 4) 22.3.1517. 
301 cf. Rep. 3 L.B.W. 852 und Inkorporationsbuch Thurzo 7.7.1519. 
302 Consignation Seite 12 Nr. 7. 
303 Inkorporationsbuch des Bischofs Rudolph II b 3, ohne genaue- res Datum. 
304 Zuerst erwähnt 9.1.1484 Rep. 3 L.B.W. 809; ferner: ebenda 
814 23.3.1489,815 13.4.1489, 817 12.3.1490 und so fort. Zuletzt  
Nr. 875 8.11.1549. 
305 Liste der Altäre Nr. 12.
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Jahrhunderts in der Liegnitzer Regierungskanzlei 365 Urkunden 
der Lübener Pfarre vorhanden306), von denen etwa 177 in den 
Besitz des Breslauer Staatsarchivs übergegangen sind. Es fehlte  
jedenfalls nicht an einer tiefen religiösen Unterströmung im 
Volke, die sich eben in der Freigebigkeit für fromme Stiftungen 
und in der Neigung zu religiösen Übungen äußerte. Es herrschte  
allerdings das Interesse für Sicherstellung des Seelenheils durch 
Messe- und Altarstiftungen, Seelgeräte, Jahrgezeiten vor, 
 während für allgemein-kirchliche und humane Zwecke verhältnis- 
 mäßig wenig Sinn vorhanden war. Nur zwei Vermächtnisse für 
 Arme sind unter den zahlreichen Stiftungsurkunden nachweis- 
 bar307). Die Zinsen der zahlreichen Stiftungskapitalien flossen 
 fast ausnahmslos in die Taschen der zahlreichen Kleriker. Diese  
 mögen oft genug einen mehr oder minder spürbaren Druck darauf  
 ausgeübt haben, daß die ihnen gebührenden Bezüge wuchsen. 
 Jedenfalls waren sie nicht unschuldig daran, wenn in weiten  
 Kreisen die Anschauung obwaltete, daß der ganze kirchliche Betrieb 
 auf die Ausbeutung des Volkes berechnet wäre. Ein jedenfalls 
 unverdächtiger Zeuge, Kaspar von Schwenckfeld, dessen Zuver- 
 lässigkeit und Wahrheitsliebe auch von seinen Gegnern nie be- 
 stritten worden ist, schreibt darüber bittere Worte, die für uns 
 darum von Interesse sind, weil er dabei jedenfalls die Dörfer in 
 der Umgebung Lübens im Auge gehabt hat. Er klagt308): "Auf 
 den Dörfern geht es ärger zu als bei den Heiden. Niemand will 
 sich des Bäuerleins annehmen; sie werden ohne Unterlaß ganz  
 tyrannisch mit unerträglichen Gesetzen von ihren ungelehrten 
 Pfarrern umgetrieben, daß es wohl zu erbarmen ist, wie der  
 größte Hauf ihm große Gewissen nimmt, und dies aus unseligen 
 Wirren der Pfarrer. - Die Mönche drücken das Land mit ihrem  
 unseligen Bettel, diese elenden unnützen Leute, die ihre guten  
 Werke, der sie selber keins haben, anderen um Geld pflegen zu 
 verkaufen. Sie halten Messe und gehen zu Chor um Geldes
  
 306 O. A. Lüben I Consignation der Briefschaften der Pfarrei 
 Lüben, vermutlich bei der Rekatholisierung der Kirche 1707 aufgestellt.  
 Nur 67 Urkunden sind inhaltlich skizziert, von denen etwa 25 nicht im 
 Staatsarchiv vorhanden sind. Summarisch werden 172 Pergamentbriefe, 
 darunter etliche von alten Herzögen, Herzogin Margarete usw. aus dem 
 XIV. und XV. Jahrhundert über Stiftungen für Kirchen und Kapellen 
 zusammengefaßt. 
 307 Rep. 3 L.B.W. 932 24.5.51409. Konrad Cromer vermacht. 
 7 1/2 Mark Jahreszins, die zur Bekleidung von Armen dienen sollen. 
 Nr. 933 13.9.1471. Stephan Rewsindorf vermacht jährlich 18 gr. für  
 Schuhe und andere Notdurft an arme Leute. Ein Testamentsregister,  
 von 1599-1606 reichend (O. A. Lüben I Rechnungsakten) weist ein 
 Kapital von 900 Mark auf, dessen Zinsen zur Bekleidung armer Leute  
 verwendet wurden. 
 308 Die folgenden Zitate aus Schwenckfelds Schriften sind der  
 Schrift Th. Hoffmans "Caspar Schwenckfelds Leben und Lehren" Tl. I 
 1897 entnommen. |