Zum Gesamtüberblick Zur vorigen Seite Zur nächsten Seite Zur letzten Seite (Inhalts- und Abbildungsverzeichnis)
Konrad Klose, Geschichte der Stadt Lüben, Verlag Kühn Lüben, 1924, S. 132/133
- 132 -

erleben!")491). Dieser Einbruch der Kaiserlichen war die letzte
schwere Kriegsheimsuchung, welche Lüben zu ertragen hatte. Der
Krieg zog sich in weitere Ferne. Torstenson schlug den Erzherzog
und Piccolomini am 2. November bei Breitenfeld. Als Kuriosum
sei erwähnt, daß der Sohn des Herrn Sebastian von Bock auf
Oberau, Hans Georg von Bock, der an der Breitenfelder Schlacht
teilgenommen hatte, am Gründonnerstage 1643 in Lüben als
gefallen abgekündigt und ausgeläutet wurde, aber am 23. März
1649 wohlbehalten zurückkehrte492).
Da Liegnitz in kaiserlichen, Glogau in schwedischen Händen
blieb, war die Lage der Stadt Lüben wenig beneidenswert, doch
melden die Quellen keinerlei Beunruhigung der Bürgerschaft.
Es fehlte aber nicht an Vorkommnissen, die ihr das Kriegselend
immer wieder zu Gemüte führten. So fand man gelegentlich
arme Knaben, die sich bettelnd im Lande umhertrieben, tot in
Ställen oder anderen Schlupfwinkeln. In Klaptau brannte am
1. Sonntag nach Epiphanias 1644 die Mühle ab492). Der Mühl-
junge, welcher allein zuhause war, rannte "durch die flammen des
fewers übel verbrennet und zugerichtet" ins Dorf, traf aber dort
keine Seele an. Man fand ihn später tot hinter einem Backofen.
Die Dörfer waren völlig entvölkert und zählten vermutlich nur
einige Seelen, sonst hätte man wohl die Mühle nicht ohne
Rettungsversuche abbrennen lassen.
Allmählich verzogen sich die flüchtigen Landleute in ihre ver-
wüsteten Dörfer, wo häufig die Äcker und Gärten so verstraucht
waren, daß man die Grenzen nicht mehr erkennen konnte. Damals
wurden verwüstete Dorffluren für 100 Dukaten verkauft493). Auch
in die Stadt kehrten die alten Bewohner, die nach Lissa und
Fraustadt geflohen waren, zurück. Aber wie war die Einwohner-
schaft zusammengeschmolzen! Und wie war die Bürgerschaft ver-
armt! Allenthalben gewahrte man die Spuren der neun-
maligen494) Belagerungen und Eroberungen, die die Stadt hatte
durchmachen müssen.
Schon im Jahre 1638 zählte man innerhalb der Ringmauer
63 wüste Häuser mit einem Steuerausfall von 2845 rtl., in den
Vorstädten 91 Ruinen mit einem Steuerausfall von 1329 rtl. In
Altstadt waren damals schon 8 Bauergüter und 4 Gärtnerstellen

491 Am 15.9.42 wurde begraben Balthasar Tschorn von Primpka,
"gewesener schlesischer Generalprofos unter Ihr. Excellentz von Goltz
und folgens I. H. G. Hertzog Frantz Albrecht, welcher den 15 Sept allhie
bey vnser Stadt im Hauptquartier I. H. G. Durchlauchtigkeit des Ertz-
Hertzoges Leopoltus und Ihrer Excellentz Bicklomini".
492 Notizen in dem Totenregister.
493 cf. meinen Aufsatz "Beiträge zur Geschichte der Besiedelung des
Kreises Lüben" in Bd. IV der Mitteilungen des Liegnitzer Geschichts-
und Altertumsvereins S. 158.
494 Nach einem Memorial der Schützenbruderschaft um 1697.
- 133 -

abgebrannt und ruiniert; hier beliefen sich die "Non-Entia" auf
710 rtl.495). Von den 99 Scheunen, die im Jahre 1636 vor der
Stadt vorhanden gewesen waren, waren nach dem Kriege die mei-
sten verschwunden496). Das von der Stadt 1640 neu errichtete
Malzhaus war verbrannt, das Bauholz für den Neubar war von
den Soldaten weggeschleppt worden497). Trostlos sah das alte
Schloß aus, das Jahrhunderte hindurch der Stadt seinen Schutz
gewährt hatte. Am 30. November 1655 beschwerten sich Bürger-
meister, Ratmanne, Schöppen und Geschworene498), "daß das
gegen dem Fürstlichen Schlosse alhier auffgerichtete Holzwerk
meistens eingefallen, dadurch die Stadt an dem orth sehr offen
gemachet, von vns aber die reparation vndt Wiedergutzumachtung
selben ortheß biß anherr inständig gesuchet worden". Jedermann
könne dort aus- und einsteigen, und die Soldaten benutzten die
Lücke als Schlupfloch, um in Mühlen und anderwärts Schaden
zu tun. Am 10. April 1658 wiederholten die städtischen Behörden
ihre Beschwerde mit der Bitte, daß im Laufe des Sommers die
Reparaturarbeiten begonnen werden möchten, "da sich allerhandt
gefahr je mehr vnd mehr sich ereignen wil, bei denen wir armen
leuthe bey sothaner offener blöße der Stadt des Nachtß gar leicht
einmahl überrumpelt, außgeplündert vnd verterbet werden konten,
zumahlen da auch diese blöße der stadt allerhandt andere incon-
venientia nach sich zeucht, vndt sehen müssen, daß bey hellem tage
die leuthe aus- und einsteigen, ja wir fast keinen gefangenen
mehr, weil der Stock gar nahe bei dem loche, recht verwahren
können, wie denn newlichen ein Tuchmacher, dehn der Herr Rent-
schreiber wegen verübter Unzucht einziehen lassen, durch dieß loch
auß der stadt vnd also davon kommen". Die fürstliche Regierung
verzichtete der hohen Kosten wegen auf einen Neubau und be-
gnügte sich damit, die starken Mauern notdürftig auszubessern
und auf dem freien Platz ein fürstliches Amtshaus zu errichten.
Die Zugbrücke wurde durch eine steinerne Brücke ersetzt499).
Der gesamte durch den Krieg verursachte Schaden an "mili-
tärischen pressuren, extorsionen und spesen" wurde für Lüben auf
720 619 fl. 16 krz. 3 hl. berechnet. Als Entschädigung für seine
Mitarbeit an dem Liquidationswerk, das 1682 zum Abschluß kam,
erhielt der Stadtschreiber Krusche 60 fl. Der Stadt wurden
790 fl. als staatliche Beihilfe zuteil, also 0,1 Prozent500).

495 Verzeichnis der Non-Entia im Fürstentum Liegnitz vom 25.2.1638
im Staatsarchiv Rep. 28 VIII 2 f Acta betr. die von den Dominien
ausgekauften Bauerhuben 1737-1740.
496 Grund- und Fundbuch der Stadt Lüben von 1705 im städtischen
Archiv Acta generalis betr. Stadtgerechtsame.
497 Staatsarchiv Rep. 28 O. A. Lüben I, Bericht des Rats vom
12.9.1654.
498 Staatsarchiv Rep. 28 O. A. Lüben II.
499 Lucae, Denkwürdigkeiten Tl. II.
500 Scholz, Chronik von Haynau.