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Konrad Klose, Geschichte der Stadt Lüben, Verlag Kühn Lüben, 1924, S. 138/139
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Nach Prüfung der Gebäude, Kassen, Rechtsverhältnisse u. dgl.
wurden die Personalien der Kirchen- und Schulbeamten und
deren Gehaltsbezüge durchgegangen513). Als Pastor und Dekan
fungierte Andreas Kölichen, der am ersten Visitationstage -
20. November - sein 71. Lebensjahr vollendete. Er war seit
42 Jahren in Lüben und bekleidete seit 12 Jahren das Dekanant.
An Gehalt bezog er vom fürstlichen Rentamt jährlich 100 rtl.
weniger 16 gr., zwei Malter Korn, 22 rtl. Holzgeld, dazu "ein
grase gärtlein zu genißen". Außerdem erhielt er aus der Kirch-
kasse zu Neujahr 15 rtl. und alle hohen Feste 1 rtl. "zu einem
Trunk Wein" nebst "Christsemmel". Der Archidiakonus Christo-
phorus Profe war seit 13 Jahren in Lüben. Er erhielt vom
Rentamt 56 rtl., neun Scheffel Korn, 11 rtl. Holzgeld und wegen
der Mittwochpredigt eine fürstliche Donation von 10 rtl. und
6 Scheffeln Korn. Aus dem Niebelschützschen Legat bezog er
6 rtl., aus dem Wuttigschen 1 rtl., aus der Kirchkasse zu Neujahr
6 rtl. und Weingeld und Christsemmel wie der Dekan. Der
Diakonus Melchior Cupius war erst seit einem Jahre in Lüben.
Seine Besoldung bestand in den Bezügen vom Rentamt: 49 rtl.
4 gr. Bargehalt, 11 rtl Holzgeld, 9 Scheffel Korn, aus den oben-
genannten Legaten 2 rtl.; aus der Kirchkasse dasselbe wie der
Archidiakonus und noch auf zwei Jahre einen Opfergang in
Altstadt. Die Accidentien waren folgendermaßen verteilt: der
Dekan erhielt "für Aufbittung der Hochzeiter einen halben rtl.,
wenn die Braut weggeführet wird doppelt so viel, für eine
"Leichensermon 1 rtl.", für "den Gang bey Begräbnießen" 9 sgr.
12 pf., "Neujahrsverehrungen so niemahlen über 3 rtl. und
Vorbitten 1 sgr.". Von den Diakonen erhielt jedweder bei Leichen-
predigten6 sgr., und "wann doppelt gesungen wird, auch doppelt";
von der halben Schule (i. e. bei Begräbnissen mit der halben
Schule) Hebdomadarius 3, der andere 1 sgr.", "von Trauer,
Tauffen, Sechswöchnerinnen-Einleitungen etc. sey alles arbitra-
rium und fast schlecht". "Klagen allesamt heftig über den
Undank und Fahrläßigkeit ihrer Kirchkinder gegen Gott und
seinem Wort, und welchergestalt die Kirche leer gelaßen, hergegen
auch unter Sonntags- und Wochenpredigten, ja wohl denen Mor-
gen-Gebethen respektive Brandtwein-, Bierhäuser und Kegel-
plätze514) immer voll wären". Außer der mündlichen Beschwerde
brachten die Geistlichen noch eine schriftliche Klage bei515), die auf

513 Die Personalien der Kirchen- und Schulbeamten sind im An-
hange ausführlich angegeben. - Die auf die Schule bezüglichen proto-
kollarischen Aufnahmen sind bei der Geschichte des Schulwesens Kapitel XI
berücksichtigt.
514 Kegelplätze waren die Häuser der Brauberechtigten, welche an
der Reihe waren, den Kegel herauszustellen.
515 Pfarrarchiv a. a. O. Lit. D. Der Rest der Beschwerde handelt
von einer Stiftung für die Diözese. cf. Korrespondenzblatt des Vereins
für die Geschichte der evang. Kirche Schlesiens.
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denselben Ton gestimmt war: Die Kirchkinder fänden sich trotz
vielfältiger Ermahnungen unfleißig zur Kirche, ließen auch ge-
raume Zeit verstreichen, ehe sie sich zum Tische des Herrn ein-
stellten, "dannenhero nicht zu verwundern über der Undankbarkeit
solcher nachläßigen Zuhörer, daß, ob zwar wir von selbigen unsere
Besoldung nicht haben, wie an vielen andern Orten geschiehet,
dennoch von ihrer vielen das Ministerium ein gantzes Jahr über
(auch von denen, die es wohl thun könnten) mit dem wenigsten
nicht bedacht wird, und dannenhero bey den schlechten Accidentien
ein jeder, was er auf sein Alter zu einem Notpfennige hinter-
halten, bey seinem schweren Dienst zusetzen muß".
Die Visitatoren erinnerten die Geistlichen daran, "dergleichen
Verächter der göttlichen Gnade nach vorangegangener christlicher
Abmahnung vnd ernsten Verwarnung der ordentlichen Obrigkeit
anzumelden". Als sie aber am andern Tage der ganzen Gemeinde,
Schöppen, Ältesten und Geschworenen, diesbezügliche Vorstellun-
gen erhoben, suchten diese die Schuld "mehrentheils auf die Leute
untre dem fürstlichen Amt gesessen516) von sich abzuwelzen, mit
Vorgeben, daß alle Tagarbeiter, sobald selbige einiges Verbrechens
wegen vom Rath zur Straffe gezogen würden, sich unters Amt
begeben, da sie denn williglich, auch ohne alle Kundschaft auf-
und angenommen würden; möchten thun, was sie wolten, hätten
das Tage Lohn so hoch getrieben, daß ihnen auch bei itzigen
kurtzen Tagen noch 6 sgr. müßten gegeben werden von dem, der
ihrer bedürffte, und diese lebeten im täglichen Sauffen, Spielen
etc. ohngescheuet". Der Rentschreiber, dem dies vorgehalten
wurde, "entschuldigte es zum besten negando simpliciter"(einfach
durch Leugnen) und erklärte, "er wäre jederzeit und noch erböthig,
dafern E. Rath oder Geistlichen über Ammts-Unterthanen was
zu klagen hätten, alle mögliche Hülffe zu leisten seinen Pflichten
gemäß, nach deren Anweisung er in die vom Rath begehrte
Kleiber-Zeche (Zeche der Lehmbauhandwerker) nicht willigen
können, weil hierdurch Ammts-Unterthanen zu der Stadt Diensten
wolten gezwungen werden, dahero nun diese Klage wider ihn
geursacht worden wäre. Weil er aber beyneben anführete, daß
solcher Zwist allbereit vom Rath geklaget und auf E. fürstl. Gna-
den gnädigen Resolution, deren er sich gehorsammst zu bequemen,
wie schuldig, so willig beruhen thäte, haben wir es billig auch
dabey bewenden lassen".
Auch die Lehrer benutzten die Gelegenheit, ihre Beschwerden
anzubringen517), ebenso der Glöckner, der "über schlechten Dienst"
klagte. Der Rat meinte aber, für das, was er erhielte, könnte
man zwei statt einen bekommen. Die Muckendorfer beschwerten

516 Der Amtsbezirk umfaßte die Steinauer und Liegnitzer Vorstadt
und war rechtlich von der Stadt gesondert.
517 Über die Schulverhältnisse cf. Kapitel XI.