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Konrad Klose, Geschichte der Stadt Lüben, Verlag Kühn Lüben, 1924, S. 220/221
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von der Witterung sehr begünstigt war". Es herrschte nach dem
Bericht desselben Chronisten bei der Ankunft der Königin die beste
Ruhe und anständige Ordnung. Ihre Majestät sprach sich gegen-
über der Frau von Bomsdorff und dem Steuerrat Bovet sehr
befriedigt über den Empfang aus, den ihr die Lübener Bürger-
schaft bereitet hatte. Eine größere Anzahl Damen wurden vor-
gestellt, dann zog sich die Königin in ihre Gemächer zurück.
Da auch für ihre Rückreise von Breslau nach Berlin Nacht-
quartier in Lüben vorgesehen war, sprach sie dem Steuerrat Bovet
ihre Bedenken aus, der Stadt erneut so große Belästigung zu
verursachen. Wenn sich das Reiseprogramm nicht mehr ändern
ließe, möge es Bovet "auf eine nicht chokierende Art so einleiten,
daß die Aufwartung der Lübener Damen minder zahlreich wäre,
nur müsse die Sache so behandelt werden, daß kein Mißvergnügen
entstände". Am 29. August traf die Königin abermals in Lüben
ein. Wiederum war die Umgebung des Württembergischen
Schlosses
festlich erleuchtet. Die Königin freute sich herzlich des
Empfanges, zog sich aber sofort nach ihrer Ankunft um 9 Uhr
wegen großer Ermüdung zurück. Am andern Morgen reiste sie
nach Krossen weiter. Der König passierte um 1 Uhr die Stadt.
Damit waren die Lübener Königstage vorüber. Ihren Nachhall
mag man noch lange im Städtlein vernommen haben. Und als
von Berlin aus der Königlichen Schatulle die Kosten für alle Auf-
wendungen in Höhe von 518 rtl. 20 sgr. 5 pf. angewiesen wurden,
war auch diese Sorge der Stadtväter in Freude verwandelt; denn
an Geld war dazumal im Stadtsäckel kein Überfluß.
Bald nahten schwere Zeiten für Königshaus und Vaterland.
Die Doppelschlacht von Jena und Auerstädt ward geschlagen und
verloren. Napoleons Scharen ergossen sich über die preußischen
Länder. Am 7. November verkündigte Kanonendonner, der von
Glogau herübertönte, der Lübener Bürgerschaft die Nähe des
Feindes628), und am 14. November erschien ein bayrischer Offizier,
begleitet von einem Unteroffizier und 4 Gemeinen, um Tuch und
andere Sachen zu requirieren. Tags darauf zogen drei Regimenter
württembergische Kavallerie nebst Artillerie durch die Stadt, um
an der Belagerung von Breslau teilzunehmen. Die geängstigten
Landleute flüchteten scharenweise in die Stadt, um sich den Miß-
handlungen der Soldateska zu entziehen. Wie die Feinde auf den
Dörfern hausten, davon geben die Aufzeichnungen629) des Pastors
Barchewitz in Ossig ein deutliches Bild. Er schreibt: "Ich habe
für meine Nachfolger einiges aufzeichnen wollen, was von dem

628 Das Folgende der Hauptsache nach aus den "Gesprächen", ver-
faßt von dem Rektor Schuster in Lüben, vorgetragen am Vorabend des
Friedensfestes 17.1. und 18.1.1816 von einigen Schülern der Stadt-
schule (gedruckt bei I.C. Weißig in Rothenburg O.-L. 1861).
629 Veröffentlicht im Kalender des Lübener Stadtblattes 1912
S. 99/100 von Pastor Kaebsch-Ossig.
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für unser ganzes Vaterland so traurigen Jahre 1806 mich insbe-
sondere getroffen hat. Nach der unglücklichen Schlacht bei Jena
kamen Baiern und Wirtemberger und belagerten Glogau, die auch
von ihnen erobert wurde. Während der Belagerung kam der
Oberste Lestok mit 2 Regiment Cavallerie nach Lüben, wo die
ganze Mannschaft von der Stadt so überfließend mit Wein zum
Frühstück bewirthet wurde, daß sie fast alle besoffen waren. Gegen
Mittag giengen diese Regimenter durch Oßig, und mehrere Nach-
zügler stahlen von der Gemeinde 7 Pferde und 8 vom Dominio,
drangen in die Höfe ein, mißhandelten die Wirthe und erpreßten
Geld von ihnen. Nun traf auch mich die Reihe, den 15. November.
Meine beiden Töchter hatten wir nach Raudten geschickt, und nur
mein jüngster Sohn Emil war bei uns. Zwei wüthende Reuter
kamen in den Hof gesprengt, forderten Pferde, da diese aber nicht
bei mir zu finden waren, drangen sie mit bloßem Säbel und mit
der Pistole mir auf die Brust gesetzt, auf mich ein und endlich
waren sie mit 13 rtl. Cur. und einer Flasche Brandtwein befriedigt.
Ein paar Stunden darauf wurden wir von 2 Württembergern
heimgesucht, die wieder Pferde verlangten, und da diese nicht zu
haben waren, 30 Caroli verlangten. Da ich ihnen aber sagte,
daß ich schon alles mein vorrätiges Geld an die ersten hingegeben
hätte, waren sie endlich mit Wäsche und Branntwein zufrieden und
wurden zuletzt ziemlich höflich. Diß war an einem Sonnabende.
Nun beschlossen wir in der Nacht nach Lüben zu flüchten; die
Frau packte die Betten und Wäsche zusammen, ein Bauer Scholz
ließ uns in der Nacht, in der ersten Runde hereinfahren, wir
mußten biß zu Anbruch des Tages im Lazareth vor der Stadt
bleiben, früh gingen wir in die Stadt, wo uns der Vetter Eispert
liebreich aufnahm, bei dem wir auch solange wir geflüchtet waren,
blieben. Den Sonntag konnte kein Gottesdienst gehalten werden.
Weil das Lager der feindlichen Truppen den 21. November
bei Lüben zu stehen kamm, welches den 24. wieder aufbrach, gieng
ich den 23. heraus (hatte meinen Paß vom Comm. in Lüben), um
zu predigen, kamm auch glücklich durch alle Vorposten durch und
zu Mittage wieder nach Lüben.
Es hatten einige aus dem Lager unsern Keller vom Grün-
zeuge geleeret, andere aber die Thür der Speisekammer erbrochen
und alle Lebens-Mittel, Brodt, Butter, Quarck geraubt, auch
Äpfel und Birnen.
Ein Regiment Bayern, welches von Groß-Krichen hier durch-
marchirte, hat wieder von Nachzüglern schrecklich in meinem Hause
gewirthschaftet, die Fenster eingeschlagen, die Commode, den
Schreibtisch zerhauen, und was ihnen zugestanden hatte, mitge-
nommen. Meine Frau wollte wieder, die zu Hause geblieben
war, in die Stadt kommen, konnte aber nur bis in die Klaptauer
Mühle kommen, wo sie freundschaftlich aufgenommen wurde und