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Konrad Klose, Geschichte der Stadt Lüben, Verlag Kühn Lüben, 1924, S. 224/225
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Lüben für 156 rtl. 2 sgr. Gold und für 2336 rtl. 22 sgr. Silber
angekauft; die Besteuerung ergab 1093 rtl. 7 sgr., gestempelt
wurde für 3498 rtl. 10 sgr. Im Jahre 1810 wurde die Münz-
kommission aufgelöst. Für die am 12. Februar 1810 in Höhe von
1 1/2 Millionen Taler ausgeschriebene Anleihe wurden in Lüben
teils freiwillig, teils zwangsweise 913 rtl. gezeichnet.
Das Jahr 1812 brach an; es brachte für Lüben Truppen-
durchzüge in Menge. Am 28. März, dem Ostersonnabende, trafen
die Quartiermacher eines bayrischen Infanterieregiments ein, am
andern Tage das Regiment selbst, welches in der Stadt Quartier
bezog. Am 13. April, einem Jahrmarkte, fanden sich französische
Quartiermacher ein, ihnen folgten am andern Tage Teile der
14. Division des IV. Korps, am 30. April mußte die 15. Division
desselben Korps in der Stadt und den benachbarten Dörfern ein-
quartiert werden. Am 11. Mai zog die italienische Nobelgarde
durch, am 15. Mai die kaiserliche alte Garde, von der der Chronist
meldet, sie habe sich bei den Lübenern wegen ihres äußerst gesun-
den und gesegneten Appetits unsterblichen Ruhm erworben. So
genossen die Bürger unaufhörlich glänzende militärische Schau-
spiele beim Durchmarsche der Kolonnen der "Großen Armee", bis
Anfang Juni der Strom versiegte. Mit Sorge dachten sie freilich
an die Zeit, wo diese Massen zurückfluten würden. Neue Lasten
standen in Aussicht. Inzwischen wartete man in geteilter Stim-
mung den Ausgang des Riesenkampfes ab. Die von der fran-
zösischen Zensur gestutzten Zeitungsnachrichten meldeten blutige
Kämpfe, in denen höchst selten ein Franzose fiel, während die
russische Armee bis auf wenige Infanterie- und Kosackenregimen-
ter zusammengeschossen und gehauen war. Das war Wasser auf
die Mühle der "Französlinge" im preußischen Vaterlande. Sie
fehlten auch in Lüben nicht. Schuster bemerkt: "Die Köpfe unserer
Deutsch-Franzosen gerieten damals in Flammen und wußten
nicht, wo sie Athem genug hernehmen sollten, um die Thaten
Napoleons und seiner großen Armee nach Würden zu preisen".
Übrigens hatten sich schon im Oktober 1809 fünfzehn Bürger
über die vaterlandslose Gesinnung des ehemaligen Senators
Neitzel beschwert634), der dem Senator Keppelmann und andern
Leuten gegenüber wiederholt geäußert hatte, der König von
Preußen werde keinen Schweinestall wiederbekommen, und andere
beleidigende Worte mehr. Ein Mann von solcher Gesinnung
verdiene keine Pension.
Viel Mühe erwuchs der Stadt aus den Transporten russischer
Gefangener635), von denen der erste am 26. November in Stärke
von 9 Offizieren und 843 Mann, begleitet von 3 Offizieren und

634 Staatsarchiv Acta betr. Stadtverordneten-Versammlung Vol. I.
635 cf. Journal der Stadtverordneten-Versammlung 1812/13 und
Zeitungsberichte.
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106 Mann eintraf, für deren Unterkunft und Verpflegung gesorgt
werden mußte. Sie wurden bald weiter in das Innere des Landes
befördert, aber es folgten unaufhörliche Nachschübe, sodaß die
Zahl schließlich auf 2200 stieg. Aber die übelste Zugabe war der
Typhus, der durch diese Transporte eingeschleppt wurde und der
vom Lazarett aus auch auf die Stadtbevölkerung übergriff. Die
wachthabenden Soldaten und die Krankenwärter erlagen zum
Teil der Krankheit; auch der verdiente Kreisphysikus Dr. Beickardt
wurde am 18. Dezember weggerafft. Um die Weiterverbreitung


Das alte Glogauer Tor-Haus
(auf dem Platze des heutigen Kaiser-Wilhelm-Denkmals)


des Typhus zu verhindern, wurden die neuankommenden Ge-
fangenentransporte im Schießhause untergebracht und die Ange-
steckten nach Möglichkeit im Lazarett isoliert. Trotzdem grassierte
die Seuche weiter; die vorhandenen Räume waren überfüllt, und
die Stadt hatte schließlich 1676 rtl. für 5029 Pflegetage zu zahlen.