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Konrad Klose, Geschichte der Stadt Lüben, Verlag Kühn Lüben, 1924, S. 384/385
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tember 1885 und 10. Februar 1899 wurden neue Statuten er-
lassen, und 1899 ward die Innung als freie Innung konstituiert.
Nachdem schon die ersten Kriegsmonate 1914 mit Verordnungen
über Verwendung von Kartoffelmehl und -flocken bei der Brot-
bäckerei eine Zeit der Not am täglichen Brot angekündigt hatten,
brachte der Februar 1915 die Brotkarte.

3. Die Schuhmacherinnung. Nur spärlich fließen
hier die Nachrichten. Die alten Handwerksartikel fehlen zumeist.
Vermutlich ist die Zunft 1798 neu privilegiert worden. Sie war,
wie die erstgenannten, geschlossen und verfügte über 26 Schuh-
bänke, von denen jede 1 Vierdung an den Erbvogt, später an die
Stadt zinste. Um die Mitte des XV. Jahrhunderts mag die
Nicolaus-Kapelle der Schuster vor dem Liegnitzer Tore errichtet
worden sein. Am 12. April 1479 bestätigte Bischof Rudolph800)
eine Fundation der Ältesten der Schuhmacherinnung, die aus ver-
schiedenen Benefizien einen jährlichen Zins von 8 1/2 Mark zur
Errichtung eines Altars der Jungfrau Maria, der hl. Katharina,
des hl. Laurentius und Nikolaus in der Nikolauskapelle stifteten
und sich das Patronat zugunsten des Sohnes eines Innungsmit-
gliedes ausbedangen. Zwei Jahre später801) genehmigte der
Bischof die neu begründete Schuhmacherbruderschaft und ihre
Gottesdienste, bestehend in Messen und Vigilien für die verstorbe-
nen Innungsmitglieder. Sie wurden an den Quatembern ge-
halten und alle Mitglieder hatten bei Strafe teilzunehmen. Dabei
konnten die Anwesenden durch Beten von 10 Paternoster, 10 Ave
und 1 Credo je 40 Tage Ablaß gewinnen. Die Stiftungen für
die Schusterkapelle erfuhren bis 1529 manche Bereicherung802).
Im Jahre 1498 wurden die Befugnisse der Schuhmacher und
Gerber gegen einander abgegrenzt. Anfänglich gerbten jene das
Leder selbst, aber schon im XV. Jahrhundert, wenn nicht früher,
bildeten die Gerber eine eigene Zunft. Bei der Neuprivilegierung
der Gerberinnung am 26. August 1498803) wurden den Schuh-
machern die Verpflichtung auferlegt, hinfort Leder nicht mehr zu
verkaufen und nur noch für den eigenen Bedarf zu gerben. Letzte-
res wurde ihnen durch fürstliches Reskript am 11. Juli 1669
erneut untersagt, es war ihnen also schon früher verboten worden.
In einem Patent vom 31. August 1592 für die vier Weichbild-
städte des Fürstentums Liegnitz ward der Verkauf von Schuhwerk
durch Schmiedeberger Hausierer bei Strafe der Konfiskation der
Ware und der Gefängnishaft der Betroffenen verboten804).

800 Diözesanarchiv, Inkorporationsbuch des Bischofs Rudolph II b 3.
801 Ebenda.
802 Staatsarchiv Rep. 3. Urkunden des F. L. 764-770 vom 12.1.1476
bis 8.1.1529 betr. Zinsverkäufe für die Niklaskapelle.
803 Akten des commiss. loci 1795.
804 J. M. XIII 881.
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Während in den vorgenannten Innungen die Zahl der
Meister je länger je mehr sank, erhielt sich die Schuhmacherinnung
im allgemeinen komplett, sie zählte 1732: 26, 1749: 22 Meister.
Daß sie gegen Störer und Pfuscher mannigfach kämpfen mußte,
ist begreiflich, waren doch die Dorfschuster zahlreich. Vollends
schwierig wurde die Lage der städtischen Meister nach dem Eintritt
der Gewerbefreiheit. Die Schuhbänke waren entwertet; die In-
haber weigerten sich, ferner den Bankzins zu entrichten. Zu
ihrem Glück wurden die Schuhbänke als ablösbare Gewerks-
gerechtigkeiten anerkannt. Die Zahl der Schuhwarenhändler stieg
sehr stark; 1848 zählte man 60 Schuhmacher in der Stadt, von
denen die kleinere Hälfte nicht zur Innung gehörte. Das Jahr
1852 gab auch der Schuhmacherinnung wie den andern wieder
eine festere Organisation; neue Statuten folgten am 5. April
1880 und 31. August 1885. Damals zählte die Innung 37 Mit-
glieder; außerdem waren noch 28 Personen in der Stadt vor-
handen, die selbständig das Schuhmachergewerbe betrieben, ohne
Mitglieder der Innung zu sein. Letzere beschloß am 31. Oktober
1886, daß diejenigen Meister, welche nicht der Innung angehörten,
vom 1. Januar 1887 keine Lehrlinge mehr ausbilden dürften, und
erhielt dafür die behördliche Genehmigung. Infolgedessen stieg
die Zahl der Innungsmeister auf 40 innerhalb und 11 außerhalb
der Stadt; die 40 städtischen beschäftigten 22 Gesellen und eben-
soviel Lehrlinge. Am 1. April 1899 wurde die Innung als freie
Innung, am 24. Juni 1912 als Zwangsinnung organisiert. Die
Zahl der Meister ist aber infolge der Konkurrenz der Fabriken
sehr zurückgegangen.

4. Die Schneiderinnung. Ihre Lade verbrannte 1885
und ihre älteren rathäuslichen Akten 1757, sodaß aus alter Zeit
nur einzelne verstreute und unzusammenhängende Nachrichten
erhalten geblieben sind. Am Montage nach St. Viti (21. Juni)
1361 fand ein Schneidertag in Schweidnitz statt, auf dem auch die
Lübener Innung vertreten war. Die versammelten Schneider
verpflichteten sich, gewisse Handwerksgebräuche zu beobachten,
z. B. daß kein Meister zu seinem Rock Stoff von mehr als zweier-
lei Farbe nehmen, daß er die Reste dem Kunden nicht vorenthalten
dürfe, daß es einem Gesellen erlaubt sein müsse, nach einhalb-
jähriger Arbeitszeit sich eine Jacke zum eigenen Gebrauch zu
machen. "Störer", welche in den Häusern gegen Kost und Lohn
arbeiteten, seien dem Gerichte zur Bestrafung zu übergeben und
nach Abbüßung der Strafe auszuweisen. Im Jahre 1537 erhielten
die Schneider der vier Weichbildstädte des Fürstentums gemein-
same Zunftartikel. Gleichzeitig wurde den Herrschaften auf dem
Lande untersagt, Schneider in ihren Dörfern zu dulden, sofern
sie nicht von alters her das Recht besaßen, für die eigene Familie
Schneider zu halten. Trotzdem beschwerten sich die Schneider-