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Konrad Klose, Geschichte der Stadt Lüben, Verlag Kühn Lüben, 1924, S. 392/393
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Kardinalskongregation der Ablässe einen Ablaß von 540 Tagen,
der an bestimmten Festtagen zu erwerben war.
Mit den übrigen Gewerken erhielt das Tuchmachermittel am
Sonntage nach Egidii (2. September) 1498 ein neues Privileg,
nachdem die Ältesten eine Anzahl einzelner Artikel zur Bestätigung
eingereicht hatten. Die wesentlichen Punkte des Privilegs waren
folgende: 1. Ein Fremder darf auf dem Markte keine Wolle
kaufen außer am Dienstag-Markttage und an den Jahrmärkten.
Die Tuchmacher dürfen am Dienstag-Wochenmarkt nicht vor
Essenszeit in den Häusern Gewand schneiden und verkaufen,
sondern erst nach dem Essen wie an den andern Tagen. 2. Wer
Meister werden will, soll zwischen Weihnachten und Mariä-Licht-
meß aufgenommen werden. Er zahlt dem Mittel 1 Mark, 1/8 Bier
und 2 Pfund Wachs; er hat sich durch einen glaubwürdigen Brief
über seine ehrliche Geburt und Lernzeit auszuweisen. Ein
Meisterssohn und ein Fremder, der eine Meisterstochter ehelicht,
erhält gewisse Erleichterungen für die Aufnahme. 3. Die Auf-
nahme der Lehrlinge geschieht vor dem Handwerk; lernt der Lehr-
ling nicht aus, so hat entweder er selbst oder der Meister Strafe
zu zahlen. Nach Beendigung der vierjährigen Lehrzeit erhält der
Lehrling, falls er beim Meister bleibt, zwei Anzüge, falls er in
die Fremde geht, ein Kleid von Graumitteltuch. 4. Die Tuch-
macher sollen das Jahr über ihre Tuche in den Häusern oder auf
dem Markte schneiden. Kein Tuchmacher und kein Gewandschneider
darf anderweitig gefertigte und geringwertige Tuche schneiden
bei Strafe der Konfiskation der Ware. 5. Es soll bei der Tuch-
fabrikation eine Vorderwerfte mit 44 Gängen geschert werden;
sie ist zweimal zu siegeln; das Siegel trägt auf der einen Seite
das Stadtwappen, auf der andern den Buchstaben L. Die Mittel-
werfte ist mit 40 Gängen zu scheren. Zwei aus dem Handwerk
sollen alle vierzehn Tage messen und schauen. Wer weniger
schert oder einen zu schmalen Kamp hat, zahlt 1 Pfund Wachs.
Streifiges Tuch darf nicht gesiegelt werden, rohe Stücke dürfen
nicht gefärbt werden. Zwei Meister sollen an den Rähmen schauen
und siegeln. Was nicht des Siegelns wert ist, darf auch nicht verkauft
werden. 6. Kein Meister soll fremdes Gewand bereiten, auswärts
der Zeche Wolle kaufen, mehr Lohn geben als gesetzt ist, bei Strafe
von 1 Stein Wachs und 1 Monat Feiern.
Durch die strengen Bestimmungen über das technische Ver-
fahren sollte die Exportfähigkeit der Tuche gewahrt werden. Auf
dem Breslauer Markte wurden 1499 auch Lübener Tuche feil-
geboten. Allmählich erhob sich die Tuchmacherei in Lüben zu hoher
Blüte; da mit ihr eine Anzahl Nebengewerbe: Spinnen, Walken,

Acta betr. den Zustand der Fabriken bei der Stadt Lüben 1773-1810.
Außerdem Fr. Frhr. v. Schroetter "Die schlesische Wollindustrie im
XVIII. Jahrhundert" 1898, und Fechner "Wirtschaftsgeschichte der preuß.
Provinz Schlesien" 1907.
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Ausbreiten, Färben usw. in Verbindung standen, bot sie vielen
lohnende Beschäftigung. Zum guten Teile lebte die halbe Stadt
von den Tuchmachern, zählte man doch 1629 400 selbständige
Meister, und selbst nach dem Dreißigjährigen Kriege 1665 noch
227. Für die Höhe der Produktion gewährte ein Einnahmenach-
weis des Lübener Zollamts von 1610 einen gewissen Anhalt.
Danach wurden in diesem Jahre 899 halbe Stücke, 1209 Zwei-
siegler, 2 Dreisiegler, 755 Karasey, in Sa. 2865 Stück ausgeführt,
wofür 210 fl. Zoll entrichtet wurden.
Nähere Nachrichten über die Tuchmacherinnung sind seit dem
Beginn des XVII. Jahrhunderts vorhanden. Damals tobte in
dem Mittel ein heftiger Streit besonders über die Kassenverwal-
tung und die Ältestenwahl, sodaß die Dreidingkommissare ein-
greifen und am 28. September 1615 einen Termin mit den Par-
teien abhalten mußten. Das Ergebnis der Ausgleichsverhand-
lungen wurde in einem Protokoll vom 3. Oktober 1615 nieder-
gelegt, das am 28. Oktober 1615 die landesherrliche Bestätigung
empfing. Folgende Bestimmungen waren darin getroffen: Die
Differenzen über die Abrechnung der Einkaufsgelder wurden in
der Weise beglichen, daß die Ältesten an den bevollmächtigten
Ausschuß das rechnungsmäßig festgestellte Restguthaben von
220 rtl. zahlten, damit sollte der Streit für immer erledigt sein.
Die Leitung der Innung liegt in den Händen der 4 Ältesten, von
denen 2 der Rat, 2 das Mittel wählt. Sie fungieren ein Jahr
und haben den Zechschreiber und den Buchhalter zu kontrollieren,
die Kassenverwaltung zu beaufsichtigen, die wöchentlichen und
vierteljährlichen Kassenabschlüsse vorzunehmen, wobei der Achter-
ausschuß mitwirkt. Der Zechschreiber verwaltet die Kasse, führt
die Tagesrechnung und die Einzelkonten der Meister; der Buch-
halter führt die allgemeine Rechnung, die Abrechnungen, über
Ein- und Verkäufe, die Konten für Färbelohn, Strafgelder,
Kärbegelder u. dergl., außerdem hat er den Einkauf von Wolle,
Farbe usw. zu besorgen, säumige Meister zu mahnen u. dergl.
mehr. Schulden sollten wöchentlich bezahlt werden, um den
Kredit der Kaufleute zu erhalten. - Der Achterausschuß
wirkt bei Einkäufen, der Abnahme der Wochenabschlüsse und bei
der Erledigung anderer wichtiger Aufgaben mit; er ist ebenfalls
ein Jahr im Amte. Die 4 Schragenschauer haben die
Qualität der Tücher zu kontrollieren, "daß sie an Haaren tüchtig
seien"; die 6 Weißschauer besichtigen die Tuche vor dem
Färben; der doppelte Stuhl soll 16 Pfund, der einfache 15 Pfund,
das breite Tuch 28 Pfund haben. Meister, die weniger haben,
zahlen Strafe. Die Viertelmeister halten die Kärbe und
nehmen Kärbheller ein. Bei ihnen sind die Tücher anzusagen,
ehe sie in die Walke kommen. Für das angemeldete Stück erhält
der betr. Meister ein Kärb, dafür zahlt er 6 hl. für ein schmales,
1 gr. für ein breites Tuch. Die Achtprüfer haben auf gleich-