Allerlei Zeitdokumente - 1912/1918
Die Lübener Familie Philippsberg schreibt an eine Verwandte in Leipzig
1918 Post von Schwarzau nach Dresden














Die jüdische Familie Philippsberg aus Lüben und alle Angehörigen, die nicht rechtzeitig fliehen konnten, wurden im Holocaust ermordet. Louis Philippsberg (1812-1904) führte bis zu seinem Tod ein Pelzgeschäft in der Oberglogauer Str. 6 in Lüben. Danach übernahm es seine Tochter Bianca (geb. 1873, ermordet 1942, in Treblinka). Eine Urenkelin von Louis, Dorothy Obstfeld (geboren 1941 in Kapstadt, wohin ihre Mutter emigriert war, heute in London), hat mir vor einigen Jahren die Lebensgeschichte der Familie zur Veröffentlichung übergeben.

Tief bewegt lese ich nun zwei Ansichtskarten von Bianka und von Lucie Philippsberg aus den Jahren 1912 und 1918 an ihre Nichte bzw. Schwester Else in Leipzig, die voller Details über die Familie Philippsberg sind:


Lüben, 12.12.12, Fräulein Else, Philippsberg, Leipzig, König-Johannstr. 18
Liebe Else
Du sammelst gewiß doch auch Ansichtskarten, und sende Dir daher mit heutigem wichtigem Poststempel solche Karte als Andenken. Besten Gruß auch an Deine lieben Eltern. Deine Tante Bianka


19.7.1918
Fräulein
Else Philippsberg
Leipzig
König-Johannstr. 18

Lüben, den 19.VII.1918
Im Brief mehr!
Liebe Else! Einen Gruß aus der Stadt aller leiblichen und seelischen Genüsse sollst Du auch haben. Ich habe mich schon blendend erholt. Die Nähte werden alle zu eng. Wie geht's dir? Hast Du noch so viel Arbeit? Ich helfe in der Lazarettküche Essen austeilen. Der Oberarzt ist riesig nett, leider geht er fort. Ich sage Dir, in dem Massenbetrieb werden Mengen verbraucht! Wenn wir die nur alle zu Hause hätten. Wann reist Ihr nun, ich denke wirk- lich viel an Euch. Wie geht's Mama, ich hoffe besser. Morgen folgt Brief. Schreib mir nur mal, wie's dort bei Euch aussieht. Ist desinfiziert, und die Schwester noch da? In der Hoffnung, daß Ihr bald abreisen könnt und daß Du mir noch mal vorher schreibst, grüßt Dich und Papa und Mama herzlichst (weiter Vorderseite)


Die Vorderseite zeigt eine Aufnahme des Lübener Rings mit dem Hotel Grüner Baum. Ein Pfeil zeigt in Richtung Oberglogauer Straße und vermerkt "Da geht's zu uns", also zum Pelzgeschäft und zur Wohnung der Tanten Amalia und Bianka Philippsberg!

Deine Schwester Lucie. Ich bleibe 3 Wochen hier, eher lassen mich die Tanten nicht fort und sie sagen 8 Tage in H. genügt. Waldenburg rief schon an. Walter ist jetzt in Berlin, die Großmutter Meyer auch. Ludwig ist bloß auf 3 Wochen zu Hause, wo er die übrige Zeit ist, weiß ich nicht.