Die schlesische Mundart in und um Lüben
Lübener Hochzeitsbilder














Atlas der schlesischen Mundarten


Die Karte zeigt, dass im Kreis Lüben (nördlich von Liegnitz) eine Mischung mehrerer schlesischer Mundarten gesprochen wurde. Meine Großmutter sprach das liebliche Schlesisch ihres Heimatdorfes am Fuße des Gröditzberges. Großvater hatte sich sein Leobschützer Oberschlesisch so ziemlich abgewöhnt, seit er in Lüben Kaufmann war. Man sollte ihm seine Herkunft nicht anmerken. Noch in meiner Kindheit in Sachsen waren mir viele schlesische Wörter und Redewendungen vertraut. Ohne mein Tunzelkissen konnte ich als Kind nicht einschlafen, auch wenn Großmutter schimpfte Wirschte wull! oder tröstete Zieh ok nich a su eenen Flunsch!

Inzwischen ist diese Mundart so gut wie ausgestorben. Nur im Gespräch mit sehr alten Schlesiern erinnert manchmal ein Wort oder eine Satzmelodie an diesen so herzlich klingenden Dialekt. Leider habe ich keine gesprochenen Lübener Mundart-Texte, die ich hier vorstellen könnte. Kann jemand etwas beisteuern? Vorläufig sollen schriftliche Texte eine vage Vorstellung vermitteln.

Ei Altstadt woarsch am schiensten!

Wenn man wos behaupt'n tut, da muhs man doas oo beweis'n kenn, darmit man nich als verleuner Hund gelten tut. Hiete, wuhde iech bale tausend Derfla abgekloppert hoa, hoa iech, mecht mer sprechen, die wissenschaftlicha Vergleichsmeeglichkeet'n dofier gewunn. Wer hot suste noch so a schienes numpriges Holzkerchla gesahn, doasde freundlich zum grußmächtja Liebner Kerchtirme niebergriess'n toat? Ei vieln Derfa is die Kerche grüsser, aber nich schinner, na gelt? Die gelehrta Herrn, wuhde es in Liebn ooch a paar geb'n toat, meent'n, die aala Vandalen hätt'n dar Kerchhiebel uffgeschütt. Doas woar ok dan Altstädter Pauernvulka und erseht recht dan Kinderlan wurscht. Ies woar egol, wie die aalen Kerle hieß'n, die de schinne Rodelboahne oagelät hott'n.

Mei erschter Besuch ei Altstadt woar ei dam beriehmt'n Kohlriebenwinter 1917. Domols toat mer mei guttmietjer Unkel en gruß'n Rucksaak vull Mahl, Zucker und Fleesch pack'n, dar woog bale so ville als iech Jingla vo zehn Juhrn. Dar Saak stulperte dann mit mer uff'm Boahnhof ei Brassel die Treppen runder, wuhde dar aale, huchrädrige Kinderwoan stund, ei dan iech miech neifoll'n ließ. De Freede daheeme! Dan domols geschoffne Kuntakt toat iech wieder uffnehm, wuhde iech so noach acht Juhrn ei Liebn uff Koofmich liehrte. Warde ei Liebn wohnt, hoatte vo Zeit zu Zeit dar Drang nach Altstadt. Fer sulche verzwickelt'n Fälle hoatt'n die Altstädter Rat geschoff'n und gegenieber der Kerche hinger dam malerischa, iebelriechenda aala Schofstalle Urban's Gasthof und Ausspannung oagelät. Und durte toat iech miech vo der Managerkrankheit kurier'n. Zuirschte koam man ei die gewehnliche Gaststube, aber hinten woar fürnehm doas "Honoratioren-Stübel", wuhde niech jeder reigeloss'n wurde. Ober iech koam rei, durch Fürsprache vum Major von Willisen und mem Vetter, vo dam sei zwiespältijer Charakter iech dann noch derzähln muhs. Aso streng woarn durt die Bräuche und markwirdjerweise, man koam ok noch schwierer furt als nei! Zuirsehte liehrte iech ei menner neuen Vulkshochschule zuhiern, und desholb muchta se miech olle gärne, trotzdem iech immer eene tadelluse Krawatte umgebund'n hoatte und als enzjer bunte Sock'n oahoatte. Se meenta, iech sähe haldich aus wie a Städter. An mem Beispiele toat'n se sich nich uffricht'n, und wuhde iech amol ei guder Laune am Klavier so a huchmodernichtes und schwieres Stickla wie "Ich hab das Fräulein Helen baden sehn" vortrag'n toat, da lacht'n se blußig wie die Uxen und schrien: "Doas sprich noch amol!" Uffte woarn oo noch Tierduktern zu Gaste und iech muhs schon soan, doasde akademische Titel'n nich siehr ästemiert wurd'n, denn blußig, weil dar Dukter a poormol eim Knobeln gewunn'n hoatte, toat'n dar Verlierer "Kuhoarschastrologe" heeßen. Aber vo sitten Iebergriff'n oabgesahn, gieng's immer siehr friedlich zu, woasde de Pauern zu dar hoffärtiga Meenung broachte, eim "Grienen Baum" ei Liebn würde jeden Obend kallascht. Domols hierte iech oo, doasde Lupine keene Stadt ei Oberschlesien wiere und Seradella keene italjensche Obensmusikke, sundern ieberaus nitzliche Futterpflanzen, diede uff Altstadt wuchs'n. Iech hoab seitdem nie wieder woas dervo gelas'n, na gelt, als Koofmich weeß iech doas nich asu genau, ober iech gleeb, doaß durch silje Wunderpflanzen Putter und Milch durte besunders gutt geroat'n toaten.

Die Urban-Minna toat mer oo doas richtje Skaatspiel'n beibring'n. 's tauerte a ganzes Joahr, bies iech's halwege kunnte. Iech hoa's dann spätter ei enner grußen Stadt bis zum stellvertretenden Schriftfiehrer beim Skaatklub "Ziemlich ihrlich" gebroacht. Aber frogt niech, woas miech doas Biehma gekust't hoat. Schien woarsch eim Winter. Dar Ufa spuckte, de Hundelergen träumten uff dar Diele, dar Seeger tickte derzuno und eim Holse wurd's eim ooch nich treuge. Nu irschte, wenn Schweinschlachta woar! Gieht's euch ooch asu, wie mir, oalle halb'n Juhre zieh iech in eene andre Gegend in der Huffnung, durte wirde vielleichte a Wellfleesch so leckerfetzig schmeck'n wie ei Altstadt? Nischte wird draus! Eim Summer woar iech oo ei Altstadt, und weil iech su gärne Nachtegallen hierte, satzte iech miech hinger dar Kleenboahn ei's Püschel. Zum Mietehiern hoatte iech mer a hiebsches Mädel mietegebroacht und bale die jitze dan Schrieb hier lasen tut, da wird se sprechen: "Asu schien toaten seit sitter Zeet de Nachtegallen nie mehr sing'n." Iech muhs miech dodermiete blußig kurz fassa, sust urbert meine Aale mit mer. Emol wuhde iech dann mit'm Roade heemstromple, ieberhol iech mei Vetter. Ihr kennt'n a oalle, - darde oo heemwärts stulperte. Ar meente, er hätt uff'm Buck geposst. Dann pärscht a sich mit sem Ferngloase und iech muhs guck'n, wie spät's uff'm Liebner Kerchtirme ies. Darbeene zinnt a ok so gemeene, doaß iech merk, wie dar Limmel mir dar ganze Obend mit sem scharf'n Gloase beim Zuhiern zugeguckt hoatte. Mit em siehr knappa Gruße toat iech dan Kerle stähn loan. Iech woar asu kaschbernat, doaß mer lange mitsomm auseinandern woarn. Mit senner unverantwurtliche Handlungsweise toat a miech vum Altstädter Boden sugoar vertreib'n, und mer soaßa vu da ob hinger dar Feldscheune vun Moltrecht, da goab's oo Nachtegallen, aber keen neuschieriga Vetter.

Emol eim Juhr woar Kirms und emol Maskenboll. Doas goab a Tebs! De Minna hoatte miech eigeloadt, aber iech meente, iech misse dar selben Tag uff Brassel. Heemlich besurgte ich mer ane schiene Kutscherlivree, toat mer ne gruße Lorve umhäng'n und für allem würgte iech miech in de Stieweln nei, diede awing siehr zu kleen woarn. Nee, ihr Leute, woas hoab iech miech gequält ieber de Liebner Katzaköppe, bies iech do woar. Nu fräte iech raiech druff, doaß miech keener kenn tat. Bale iech in a Saal reiloatschte, da schriegen se oalle, nu kimmt's doch noch, doas Städteroos! Glicklich zug iech mer de Stieweln aus und tanzte ei'r Socka miet. Andern Murne frieh goab's nischte meh zu stupp'n dran, aber de Stieweln poaßt'n mer schund besser. Trotzdem fiel iech uff heemzu zweemol hin, aber doas kunnde oo dar Kurn gewesen sein, darde schuld woar.

Aso woarsch, bies de Altstädter ei oalle Winde geblos'n wurd'n und 's werd oallen, diede derbeene woar'n, unvergess'n bleib'm.

Groade sitze iech doo, eim Lotto eene Meljuhn zu mach'n. Bale jitze ane gude Fee zu mer spräche: Willste ne Meljuhn oder willste lieber eim Altstädter Püschel uff de Nachtegalln hiern? - iech tät'r antwurt'n, aber mene Aale dirft nich doo sein:
Plomp uff de Meljuhn.

Joachim Kullmann, Enkel des Lübener Ehrenbürgers August Kullmann in LHB 17/1957


Ein schönes Beispiel schlesischer Mundart im Alltag:

Der holzgeschnitzte Wegweiser von H. Benna in Oberschreiberhau zum Bahnhof und nach Mittelschreiberhau mit dem Abschiedsgruß "Da lab ock sisse!" (Da leb nur süß! = Leb wohl!) Der Wegweise wurde Anfang der 1930er aufgestellt.


Dar Unkel Sunnenschein

Moncher, dar doas Geschichtel läsen tut, dar werd sprechen: Ies suwoas ieberhaupt menschenmeeglich?! Nu, asu spoaßig sie ies, sie ies wahrlich passiert, sie hoat sugoar ei'm Liebner Stoadtblotte gestanden. Natierlich ohne Noame und Oaschrift vu da beteilichte Personen.

Die Liebner woarn ja uff moanches stulz: uff de Suldoaten ei dar Stoadt, uff doas Stickel Stoadtmauer, doas Lieben hoatte, uffs Gymnasium, uff die Pianofabrik und später o noch uff dan Flugploatz bei der Oberförschterei. Uff eens woarn sie bestimmt nie stulz, uff die Anstalt, die uffiziell die Provinzial- Heil- und Pflegeanstalt hieß. Derbeine woarn seinerzeit die Stoadtväter siehr bemieht gewäsen, doaß die Anstalt no Lieben koam. Sie hoatten derbei o viel Ärger mit dem Besitzer vu dar Sperlichtsmiehle. Doas woar a starker und o a siehr eegensinniger Moan, dar partu nie die Sägemiehle verkoofen wullte. Emoll hoat ar sugoar dam Birgermeester mit eener obgerissenen Zaunlotte zugewinkt, weil dar ihm vu Enteignung geredt hoatte. Nu, später woar ar ei Altstoadt und wenn ar su de aalen Geschichten derzählte, kunnte er sich noch siehr uffrägen.

Die Bewuhner vu dar Heilanstalt woarn ja recht unterschiedlich. Monche hoatten bluß an tichtjen Spoaren und vu su an sull hier die Räde sein. Fier ins sull ar Willem heeßen (doas is keene Onspielung uff de Kaiserzeit) und dar koam o monchmoal no Lieben nei und koam mit ollerlei Leuten ei Beriehrung. Jeder merkte glei, doaß doas Erzählen vum Willem nie stimmen kunnte. Ar wullt nämlich a reecher Moann sein und die Verwandtschoaft sullte dermoaßen uff seine Milljuhnen erpicht sein, doaß sie ihn hier ei Lieben uff Nummer sicher gebracht hätten, sie wullten doas Geld für sich hoan. Wer ihm halfen wullte aus dar Anstalt und zu dan Milljuhnen zu kummen, dar sullte doas nie imsinste tun. Ar versproach eine ansehnliche Summe vum Gelde demjenigen, dar ihn aus der miserobligen Potsche halfen wullte. Ar woar gewohnt, doaß ihm keener woas gloobte, trutzdäm erzählte er es immer wieder. Eines Toages, ies woar a Pauersunntich, troaf a annen Menschen, fier dan doas olles Musike ei de Uhrn woar. Es woar inser Maxe, a Per aus'm Kreise Lieben, und dar ging woahrhaftig zur Anstalt und redte solange, bis ar den Willem miedenähmen kunnte. Sie soaten ihm o, doaß Willem kee Pfennig hätte und bluß wägen dam tälschen Geräde vu dam vielen Gelde hier wäre, ar wäre äbenst nie richtig eim Kuppe. Maxe mußte o unterschreiben, doaß ar fier dan Willem und fier jeden Schoaden, den ar oarichten sullte, uffkumm wullte.

Beim Maxe hoatte Willem guldne Zeiten. Ar bekoam fein oazuziehn, guttes Assen und jeder woar siehr betulich zu ihm. Und Willem revangschierte sich, jedem versproach ar 1000 Mark, drunder ging's bei ihm uff keenen Foll und deshalb hoat ar glei sei'n Noamen weg, ar woar bluß noch dar "Unkel Sunnenschein". Inzwischen hoatte Max sich ieberlegt, woas ar mit dam vielen Gelde machen wullte: ar wullte bauen und sich o a Auto koofen. Doas Auto wurde bestellt und Bauhulz eim Pusche geschloan. De Nuppern, die doas hierten, fragten Maxe, ob ar doas Geld hätte. Stulz meente Max: "Doas Geld is da!" und schlug sich oa de Brust. Weil dar Willem schunt ollerlei Leuten 1000 Mark verspruchen hoatte, fiehlte ar sich bemissigt, die vielen Tausender und o doas Geld fiern Maxe flissig zu moachen, damit doas Bauen oanfangen und ar sich o sein Auto besurgen kunnte. Ar ließ sich Futterasche, Reisegeld und Foahrkoarten no Berlin geben und fuhr oab. Aber ar koam nie durte oa und o nie weider zuricke. Sie hoatten den Willem unterwägs einfach in eene andere Anstalt gestuppt. Ar mußte unterwägs doch siehr uffgefolln sein mit sei'm Geloabre. Nee, woas woar doas a Schlag fier'n Maxe. Ar ließ sich wuchenlang nirgends miehr sahn, jeder fuppte ihn mit dem "Unkel Sunnenschein". Dar Goastwirt eim Durfe hoatte glei an Likör in "Unkel-Sunnenschein-Likör" imgeteeft, ohne den Pastor zu bemiehn.

Arnold Weidner (1922-2009), LHB 19/1960