Bericht über das Schulwesen der Stadt Lüben 1830
Altstadtschüler mit Kantor und Lehrer Theodor Schröther














Der folgende Artikel über das Schulwesen der Stadt Lüben stammt aus "Allgemeine Schulzeitung", 1830, Nr. 105, 106, 107. Der Autor des Artikels wird darin nicht namentlich genannt. Ein Vergleich seiner Angaben mit jenen der Klose-Chronik zeigt jedoch, dass es sich um Pastor Johann Gottlieb Burkmann handelt. Er wurde am 23. Juni 1794 zu Hohendorf bei Löwenberg geboren, besuchte die Dorfschule bis Ostern 1808 und lernte das Schneiderhandwerk, besuchte das Hirschberger Gymnasium, machte die Feldzüge 1813-15 mit, studierte von 1818-1822 in Halle und wurde unter Erlaß des zweiten Examens am 19. April 1822 Pastor in Kupferberg. Am 7. Mai 1826 als Pastor in Lüben eingeführt, verwaltete er das Pfarramt bis zu seiner Emeritierung am 1. Dezember 1858. Er starb in Lüben am 6. Juni 1861. Burkmann schrieb Bücher und veröffentlichte Aufsätze in verschiedenen Zeitschriften. Am Bau und der Organisation der Volksschule hatte er großen Anteil, s. Klose-Chronik ab S. 334 und S. 495. Über die im Artikel genannten Lehrer gibt es bei Klose weitere Informationen und Geschichten.

Allgemeine Schulzeitung vom 7.9.1830, Nr. 105

Allgemeine Schulzeitung vom 7.9.1830, Nr. 105

Bericht über das Schulwesen der Stadt Lüben in Niederschlesien

Als ich im Mai 1826 mein hiesiges Amt als Oberpfarrer, mit dem auch die Aufsicht über sämmtliche Stadt- und Landschulen der hiesigen Parochie verbunden ist, antrat, fand ich das Schulwesen der hiesigen Stadt in einem eben nicht glänzenden Zustande. Es waren überhaupt drei Schulen mit vier Lehrern vorhanden; eine sogenannte lateinische Schule mit zwei Lehrern und etwa 40 Schülern, die alle zugleich in wöchentlich 30 Stunden unterrichtet wurden. Mithin gab jeder der beiden Lehrer nur 15 Stunden wöchentlich Unterricht. Die beiden anderen Schulen waren Elementarschulen, deren erstere 160 Kinder mit einem Lehrer, die zweite aber gar 240 Kinder mit einem Lehrer und einem von diesem besoldeten und abhängigen Hülfslehrer enthielt. In dem alten Schulhause, welches mehr einem Gefängnisse, als einem Schulhause glich, und bloß Raum für die oben genannte Knabenschule darbot, konnte bloß der Rector, die drei anderen Lehrer aber mußten zur Miethe in der Stadt wohnen, sowie die beiden Elementarschulen ebenfalls in gemietheten Zimmern gehalten werden mußten.

Jedem Bewohner der Stadt stand es frei, welche Schule er für seine Kinder wählen, ob und wann er sie wieder aus derselben wegnehmen und in eine andere schicken wollte.

Die geringfügigsten Ursachen gaben Veranlassung zu einem solchen Wechsel. Es geschah daher nicht selten, daß, wenn der Lehrer ein Kind strafte, die dadurch sich beleidigt fühlenden Aeltern ihre Kinder aus der einen Schule hinwegnahmen und in eine andere schickten, ohne dem Lehrer der ersteren davon Anzeige zu machen, so daß weder dieser, noch ich erfuhren, warum die Kinder nicht in die Schule kamen. Ebenso versetzten die Aeltern nach Willkür die Knaben aus den Elementarschulen in die Knabenschule, und die Lehrer dieser nahmen sie an, ohne zu fragen, ob sie reif oder unreif zur Versetzung wären, weil sie durch die Mehrzahl ihrer Schüler auch an Einnahmen gewannen. Das Einkommen der Lehrer war sehr ungleich, weil nur wenig Gehalt fixiert war, und das Meiste im Schulgelde bestand. Die Emolumente der Lehrer an der Knabenschule waren daher sehr gering, während die Elementarlehrer sich bei weitem besser standen. Ein beständiger Brodneid der ersteren gegen die letzteren, und fortdauernde Uneinigkeit derselben waren die Folge davon.

Ich berichtete alle diese Uebelstände an die dem Volksschulwesen vorgesetzte königl. Regierung zu Liegnitz, und machte Vorschläge zur Verbesserung. Dem Vagiren der Kinder aus einer Schule in die andere wurde daher bald

Allgemeine Schulzeitung vom 7.9.1830, Nr. 105
834

dadurch Einhalt gethan, daß den Lehrern untersagt wurde, Kinder aus einer anderen Schule ohne mein Vorwissen anzunehmen. Ich führte mit Zustimmung der königlichen Regierung und der städtischen Schuldeputation zu Ostern und Michaelis regelmäßige Versetzungen ein. Eine von mir vorgeschlagene und bereits von der hohen Behörde bestätigte innigere Verbindung der verschiedenen Schulen durch Classen und Absonderung der Geschlechter konnte, weil ein Lehrer und ein neues Schulhaus fehlten, fürs Erste noch nicht in Ausführung kommen. Für einen fünften Lehrer wurde jedoch noch gegen Ende des Jahres 1826 der Gehalt von den städtischen Behörden ausgeworfen, ein solcher in der Person des bisherigen Hülfslehrers Klär in der zweiten Elementarschule erwählt, bestätigt und im Anfange des J. 1827 eingeführt, und so vorläufig eine dritte Elementarschule aus der Ueberzahl der beiden anderen gebildet.

Im J. 1827 wurde der Bau eines neuen Schulhauses ernstlich vorbereitet, und 1828 derselbe begonnen und fast vollendet. Derselbe erforderte einen Kostenaufwand von 7483 Thlr. 24 Sgr., wozu Se. Majestät, unser alles Gute fördernder König 1832 Thlr. schenkte, die übrigen 5651 Thlr. 24 Sgr. mußte die Stadt aufbringen, was für sie ein um so größeres Opfer war, als sie noch unter einer großen Schuldenlast aus den Zeiten der letzten Kriege seufzt. Im Juni 1829 war das Schulhaus ganz vollendet. Es ist drei Stockwerk hoch, enthält sechs Lehrzimmer und vier Lehrerwohnungen. Der fünfte Lehrer empfing seine Wohnung in dem reparirten alten Schulhause. Das sechste Lehrzimmer ist für die katholische Schule bestimmt, deren Lehrer aber noch zur Miethe wohnt.

Da der Tag der Weihe, der 14. Juni 1829, ein Sonntag war, so wurde dieselbe in folgender Art vollzogen. Sowohl der katholische Geistlich, als ich, richteten unsere Gottesverehrungen danach ein. Die Predigten wurden ganz auf die Feier des Tages bezogen. Die Lieder zur Weihe waren besonders auf Kosten der Stadt gedruckt worden, und wurden umsonst an die Gemeindeglieder vertheilt. Nach dem Hauptgottesdienste erwarteten die städtischen Behörden, die evangelischen Geistlichen und Schulen, den katholischen Geistlichen und den Lehrer mit ihrer Schule in der evangelischen Kirche, in deren Nähe das neue Schulhaus steht. Die katholische Schule wurde von der evangelischen in die Mitte genommen. Der Zug bis zu dem Schulhause fand in folgender Art statt. Die Schulen gingen mit ihren Lehrern voran, diesen folgten die Geistlichen beider Confessionen, diesen die städtischen Behörden, und dann die Glieder beider Kirchengemeinden. Da die Feier von dem herrlichsten Wetter begünstigt wurde, so fand die Weihe vor dem Schulhause statt, weil sonst die Mehrzahl der Gemeindeglieder nicht hätte daran Theil nehmen können. Die Schu-

Allgemeine Schulzeitung vom 7.9.1830, Nr. 105
835

len bildeten vor dem Hause einen Halbkreis, in dessen Mitte die Behörden, Geistlichen und Lehrer standen. Auf den Stufen des Einganges hielt ich die Weiherede und vollzog den Weiheact; dann hielt mein katholischer Amtsbruder, Herr Curatus Berndt, eine dem Zwecke der Feier entsprechende Rede, und Gebet und Segen, von mir gesprochen, schlossen die Feier. Bei der kirchlichen Gottesverehrung wurde eine Collecte zu Anschaffung von Lehrmitteln gesammelt. Hierauf versammelten sich die städtischen Behörden in dem hiesigen Resourcengarten zu einem freundschaftlichen Mittagsmahle, wozu auch sämmtliche Geistliche, Lehrer und die Baumeister, welche das Haus erbaut hatten, eingeladen worden waren.

Erst jetzt war es möglich, das evangelische Schulwesen hiesiger Stadt ganz zweckmäßig zu organisieren. Der Rector der Knabenschule, der bisher, wie oben bemerkt, nur 15 Stunden unterrichtet hatte, erklärte, daß er wegen seines schon vorgerückten Alters nicht mehr Stunden, als bisher, übernehmen könne, sondern sein Amt niederlegen wolle, und erbat sich nur freies Holz und freie Wohnung als Pension, was ihm auch bewilligt wurde. Es wurde daher schon im April 1829 zur Wahl eines neuen Rectors geschritten, und der Candidat des Predigtamts, Dausel aus Ludwigsdorf bei Löwenberg erwählt, bestätigt und mit dem 1. Juni desselben Jahres in sein Amt eingeführt.

Die unten folgende, von mir ausgearbeitete und von der königl. Regierung bestätigte Schulordnung, bei deren Anfertigung Manches aus anderen gedruckten Schulordnungen benutzt zu haben, ich hiermit dankbar bekenne, besagt über die neue Organisation der hiesigen evangelischen Stadtschule das Nähere.

Das Schulgeld ist äußerst billig. In der ersten Knabenclasse wird 1 ½ Sgr., in der ersten und zweiten Mädchen- und in der zweiten Knabenclasse 1 ¼ Sgr., in der ersten Abtheilung der gemischten Classe 1 Sgr., in der zweiten Abtheilung der letzen aber nur 7 Pf. wöchentlich entrichtet. Dasselbe wird zwar von den Lehrern wöchentlich eingezogen, aber an den Rendanten der Schulcasse abgeliefert und in 120 Theile getheilt. Davon bekommt der Rector, als Vorsteher der ganzen Schulanstalt und erster Knabenlehrer 13/60, der zweite Lehrer 17/120, der dritte 23/120, der vierte 4/15 wegen seines geringen fixierten Gehaltes, der fünfte 11/60, außerdem, was sie schon aus früherer Zeit an fixirtem Einkommen haben.

Schulordnung für die Stadtschule in Lüben.
Erster Abschnitt.
Eintheilung der Schule nach Classen und Bestimmung der Lehrer für jede Classe.

§. 1. Die bisher hier bestandenen evangelischen Stadtschulen, die Knabenschule und die drei Elementarschulen, werden, nachdem nunmehr das zur neuen Organisation des Schulwesens erforderliche Schulhaus vollendet ist, folgendermaßen in 5 Classen eingetheilt.

§. 2. In eine gemischte Knaben- und Mädchenclasse, welche die Schüler und Schülerinnen der bisherigen drei Elementarschulen, sofern sie nicht zur Versetzung in eine

Allgemeine Schulzeitung vom 7.9.1830, Nr. 105
836

höhere Classe reif sind, aufnimmt, und sich durch die neu eintretenden Schüler ergänzt.

§. 3. In eine zweite Knabenclasse, welche aus den Knaben der drei Elementarschulen, sofern sie nicht zur Versetzung in die erste Knabenclasse reif sind, zusammengesetzt wird, und sich künftig aus den zur Versetzung reifen Knaben der untersten gemischten Classe ergänzt.
§. 4. In eine erste Knabenclasse, welche aus der bisherigen Knabenschule und aus den versetzungsfähigen Knaben der ersten und zweiten Elementarschule zusammengesetzt wird, und künftig sich aus der zweiten Knabenclasse ergänzt.
§. 5. In eine zweite Mädchenclasse, welche aus den Mädchen der ersten und zweiten Elementarschule, welche noch nicht für die erste Mädchenclasse reif sind, und aus den versetzungsfähigen Mädchen der dritten Elementarschule zusammengesetzt wird, und sich künftig aus den zur Versetzung fähigen Mädchen der untersten gemischten Classe ergänzt.
§. 6. In eine erste Mädchenclasse, welche aus den für diese Classe reifen Mädchen der ersten und zweiten Elementarschule zusammengesetzt wird und sich künftig aus der zweiten Mädchenclasse ergänzt.
§. 7. Die gegenwärtigen fünf Lehrer werden in die genannten fünf Classen folgendermaßen vertheilt.
§. 8. Die erste Knabenclasse übernimmt der Rector allein.
§. 9. Die zweite Knabenclasse übernimmt der Organist Schädel, als dazu am beßten geeignet.
§. 10. Die erste Mädchenclasse übernimmt der bisherige zweite Seminarlehrer Knittel, als für dieselbe am geeignetsten unter allen gegenwärtigen Lehrern.
§. 11. Die zweite Mädchenclasse übernimmt der Cantor Kubsch (mit Vorbehalt der dem künftigen Cantor zustehenden Rechte), der bei der neuen Organisation des städtischen Schulwesens in der ersten Knabenclasse keinen Unterricht mehr zu ertheilen hat.
§. 12. Die unterste gemischte Knaben- und Mädchenclasse übernimmt der bisherige dritte Elementarlehrer Klär.

Zweiter Abschnitt.
Unterrichtsgegenstände für alle Classen.

§. 13. Jedes Kind besucht in der Regel die Schule vom 6. Bis zur Vollendung des 14. Jahres, wie es auch den Gesetzen gemäß ist, also beinahe oder volle 8 Jahre, und hat in dieser Zeit drei Classen zu durchlaufen. Mithin bleibt ihm zur Erwerbung der für jede Classe erforderlichen Kenntnisse ein Zeitraum von 2 ½ Jahren, in welchem es bei nur mittelmäßigen Fähigkeiten, einigem Fleiße und nur einigermaßen regelmäßigem Schulbesuche im Stande sein wird, die für jede Classe erforderlichen Kenntnisse sich zu erwerben. Fähigere Kinder werden gewiß in kürzerer Zeit, als in 5 Jahren, in die erste Classe gelangen. Vorstehendem gemäß werden die Unterrichtsgegenstände so ertheilt, daß die für jede Classe gehörenden in 2 ½ Jahren durchgenommen und gehörig eingeübt sein können, und zwar:

§. 14. In der untersten gemischten Knaben- und Mädchenclasse. Diese Classe zerfällt in zwei Abtheilungen. Die erste Classe empfängt wöchentlich 24 Stunden Unterricht; näm-

Allgemeine Schulzeitung vom 7.9.1830, Nr. 105
837
lich: 8 St. Lesen, 4 St. in Wilmsens Kinderfreund und 4 St. in der biblischen Geschichte von Morgenbesser; wobei auf Naturkunde, Geographie und andere nützliche Kenntnisse Rücksicht zu nehmen und das Gelesene abzufragen ist, damit die Kinder auf das, was sie lesen, merken lernen, und den Inhalt des Gelesenen zu behalten streben.

3 St. wöchentlich deutsche Sprachlehre nach Jacobsen, beide Abtheilungen verbunden. - Kenntniß der verschiedenen Wörter-classen, Bildung und Umbeugung der Haupt- und regelmäßigen Zeitwörter, Bildung leichter Sätze, wobei auf Rechtschreibung zu sehen ist. Diese Uebungen geschehen mündlich und schriftlich.

3 St. Rechnen - die erste Abtheilung allein. Die vier Species unbenannter ganzer Zahlen werden verständlich gemacht und tüchtig eingeübt.
4 St. Schönschreiben - beide Abtheilungen zusammen.

4 St. Religionslehre - beide Abtheilungen zusammen.
Das religiöse Gefühl wird vorzugsweise geweckt, welches durch Hinweisung auf das Aelternhaus, auf die nächsten Verwandtschafts-verhältnisse, auf die Natur, durch Reim- und Denksprüche, moralische Erzählungen und biblische Geschichten geschehen wird. Aus dem Katechismus Lutheri werden das erste und das dritte Hauptstück durchgegangen. Bei ersterem wird das sechste Gebot entweder gänzlich auszuschließen, oder doch sehr besonnen zu erklären sein. Bei dem dritten Hauptstücke ist den Kindern die Lehre vom Gebete faßlich vorzutragen. In den Katechisationen sind die Fragen nicht bloß an die erste Abtheilung, sondern auch an die zweite zu richten, damit diese in fortdauernder Aufmerksamkeit erhalten, und das Gefühl für Religion, sowie das Interesse an derselben geweckt werde.

2 St. Singen - beide Abtheilungen zusammen. Die ersten Elemente der Gesanglehre, Uebung im Treffen der Töne und Einübung leichter Choräle.
1 St. Gedächtnißübungen - Hersagen der aufgegebenen Wochensprüche, Liederverse u. s. w. Zweite Abtheilung allein.
6 St. Lautiren, Syllabiren und Uebungen in den ersten Anfängen des Lesens, nach der Wandfibel von Stephani und nach Zehne.
2 St. Zahlenlehre - Kenntniß der Zahlen, Uebung im Schreiben und Aussprechen ganzer und gebrochener Zahlen, im Addiren, Subtrahiren, Multipliciren und Dividiren im Kopfe.
2 St. Gedächtnißübungen. Der Lehrer spricht ausgewählte Sprüchwörter, kleine leichte moralische Sentenzen, kurze und leichte Bibelverse und Sätze, welche Gegenstände aus der Natur- und Erdkunde enthalten, vor, und läßt solche die Kleinen so lange nachsprechen, bis sie dieselben behalten haben.
Den Leseübungen ist deßhalb eine bedeutende Stundenzahl gewidmet, und es sind in denselben beide Abtheilungen getrennt worden, weil bei einer zu bedeutenden und in der Lesefertigkeit ungleichen Kinderzahl die Schüler zu unbedeutende Fortschritte machen würden. Bei vorstehender Anordnung aber werden sämmtliche Schüler, sowohl der ersten, als der zweiten Abtheilung, schnellere Fortschritte machen.

§. 15. In der zweiten Knabenclasse.

4 St. Bibellesen und 3 St. Religionsunterricht. In ersteren werden die historischen Bücher des A. und N. T.

Allgemeine Schulzeitung vom 7.9.1830, Nr. 105
838

gelesen, und das Gelesene stäts vom Lehrer kurz erklärt und religiös moralisch angewendet, um so eine fortlaufende Geschichte der göttlichen Offenbarung aus der Quelle selbst zu schöpfen. Die Kenntniß der Bibel, das Fundament der Frömmigkeit im Glauben und in der Liebe, muß hier nicht sowohl in einzelen Sprüchen und Sentenzen, als vielmehr im historischen Zusammenhang den Kindern beigebracht werden, als wozu sie bereits Reife genug haben werden, um dieß mit Verstand und Herz aufzufassen. Der Lehrer schickt jedem Buche eine kurze Einleitung voraus. Um aber das, was beim Lesen der Bibel im Zusammenhange in extenso aufgefaßt worden ist, in der Kürze zusammenzufassen, wird in einer Stunde wöchentlich der Religionsunterricht an biblische Geschichte angeknüpft, und, so viel möglich, dasselbe genommen, was in den biblischen Büchern eben ausführlich gelesen worden ist. In einer Stunde wöchentlich wird Hoffmanns kurzer Abriß der christlichen Lehre durchgegangen; die dort vorkommenden Bibel- und Liederverse werden auswendig gelernt. In der ersten Religionsstunde jeder Woche wird die Sonntagspredigt wiederholt und angewendet, sowie die nächste Sonntagsperikope kurz erklärt und zum Auswendiglernen aufgegeben.

4 St. deutsche Sprachlehre nach Jacobsen. Umbeugung der unregelmäßigen Zeitwörter, Bildung von Sätzen und leichten Perioden, Ausarbeitung kleiner schriftlicher Aufsätze, Rechtschreibung und richtige Setzung der Interpunktionszeichen wird gelehrt. Auch Rechnungen, wie sie der Handwerker, Kaufmann, Oekonom, Apotheker u. s. w. anfertigen muß, und Quittungen werden angefertigt und den Schülern zur Anfertigung außer den Lehrstunden aufgegeben. Alle diese Gegenstände können im Laufe von 2 Jahren und 6 Monaten gehörig durchgenommen und eingeübt werden, so daß jeder Schüler bei seiner Versetzung gehörig damit vertraut sein kann.

4 St. Tafelrechnen. Die vier Species in ganzen benannten Zahlen und Brüchen, die Resolution und Reduction werden erklärt und eingeübt, mit den verschiedenen Maßen und Gewichten wird hinlänglich bekannt gemacht und die Regel de Tri mit und ohne Brüche gründlich vorgetragen und eingeübt; denn mit dieser müssen die Schüler hinlänglich bekannt sein, wenn sie versetzt werden wollen. Hieran schließen sich:

2 St. Kopfrechnen, in welchem die vorgetragenen Regeln durch leichte Beispiele, die im Kopfe berechnet werden, anschaulich dargestellt und tüchtig eingeübt werden können.
2 St. Raumlehre, nach Harnisch. Den Schülern wird die Kenntniß der ersten Grundsätze, die Figuren und deren Construction und Definition gründlich gelehrt, wie dieß Alles im 1. Th. des genannten Lehrbuches abgehandelt ist.

2 St. Geographie, und zwar in einem halbjährigen Cursus das Wissenswürdigste aus der mathematischen, in einem halbjährigen eine Uebersicht der politischen Geographie, d. h. eine allgemeine Uebersicht des preußischen Staates und besonders Schlesiens. Steins Lehrbuch und Bornemanns schles. Geographie werden hier als Leitfaden nützliche Dienste leisten.

2 St. Geschichte, und zwar in einem halbjährigen Cursus eine Uebersicht der alten Geschichte bis auf Christi Geburt, nach Bredow, und in einem ganzjährigen die Ge-
Allgemeine Schulzeitung vom 7.9.1830, Nr. 105
839
schichte Schlesiens bis auf die neueste Zeit, nach Morgenbesser.
2 St. Naturbeschreibung, und zwar in einem halbjährigen Cursus das Wissenswürdigste aus dem Thier-, in einem halbjährigen dasselbe aus dem Pflanzen-, und in einem halbjährigen dasselbe aus dem Mineralreiche.
4 St. Schönschreiben nach eingeführten Vorschriften.
2 St. Singen - Uebung der Kirchenmelodien und anderer Singstücke.
1 St. zur Hersagung der aufgegebenen Wochenlectionen, welche Montags nach der Religionsstunde aufgegeben worden sind.

§. 16. In der ersten Knabenclasse.

3 St. Religionsunterricht. Mehr systematischer Ueberblick der Religions- und Sittenlehre, ohne jedoch dem Confirmandenunterrichte zu viel wegzunehmen. Hierbei kann Hoffmann's Katechismus 2. Th. Oder der Lutherische nach Dinters Bearbeitung erläutert werden. In der ersten Religionsstunde der Woche wird die Sonntagspredigt wiederholt und angewendet. Der Vortrag der Sittenlehre nimmt stäts auf die künftigen Lebensverhältnisse der Schüler so viel als möglich Rücksicht. Hieran knüpft sich:
1 St. Geschichte der christlichen Religion und Kirche, nach Sackreuter, die im ersten Semester bis zu Gregor VII., im zweiten bis zur Reformation und im dritten von da bis auf die neueste Zeit vorgetragen wird. - Mit dem Religionsunterrichte in Verbindung treten:

2 St. Bibellesen, der poetischen Bücher des alten und der apostolischen Briefe des neuen Testaments, die von dem Lehrer durch zwischen das Lesen einzustreuenden Bemerkungen erläutert und angewendet werden. Vor dem Lesen eines jeden Buches schickt der Lehrer eine Einleitung in dasselbe voraus.

4. St. Latein. Alle Schüler werden zu gleicher Zeit beschäftigt. Während die Anfänger decliniren und conjugiren, werden den schon geübteren Schülern Sätze zum Uebersetzen aus dem Deutschen ins Lateinische aufgegeben. Die grammatischen Regeln werden gehörig erläutert und an Beispielen eingeübt. Hierbei wird Bröders kleine Grammatik gebraucht, und die in derselben enthaltenen Lectionen werden aus dem Lateinischen ins Deutsche übersetzt und gehörig analysirt. Der Lehrer hält darauf, daß die Schüler auch zu Hause kleine Exercitia fertigen und sich, so weit sie können, gehörig vorbereiten.

3 St. deutsche Sprachlehre. Die Lehre von der Bildung der Perioden wird so gründlich, als es für den künftigen Beruf der Schüler erforderlich ist, vorgetragen und mündlich und schriftlich eingeübt. Schriftliche Aufsätze aller Art, als Beschreibungen verschiedener Gegenstände, Erzählungen, Briefe, Berichte, Protocolle werden angefertigt und von dem Lehrer in den dazu bestimmten Stunden durchgegangen, in welchen er die Schüler die begangenen Fehler selbst verbessern läßt. Auch nach Hause werden den Schülern Aufgaben gegeben. Das Sprachwerk von Harnisch und die deutsche Sprachlehre von Jacobsen werden hier zu benutzen sein.

4 St. Rechnen. Die Lehre von den Proportionen und die nach der Regel de Tri folgenden höheren Rechnungs-
Allgemeine Schulzeitung vom 7.9.1830, Nr. 105
840

arten werden gründlich vorgetragen und im Kopfe und schriftlich eingeübt, wobei immer auf die wahrscheinlichen Berufsarten der Knaben Rücksicht zu nehmen ist.

2 St. Mathematik. Hieran schließen sich:
2 St. Technologie oder Gewerbkunde, damit die Schüler mit den bürgerlichen Gewerben einigermaßen bekannt werden und nicht ganz unvorbereitet zu denselben übergehen.
2 St. das Wissenswürdigste aus der Naturlehre oder Physik.
2 St. Geographie. In einem halbjährigen Cursus wird die mathematische Geographie vorgetragen, in einem ganzjährigen eine Uebersicht der politischen Geographie der ganzen Erde, und in einem halbjährigen Cursus speciellere Geographie des preußischen Staates gegeben, nach Stein. Was hiervon schon in der zweiten Classe dagewesen, wird bloß wiederholend durchgegangen. Rücksichtlich der Producte wird diese Lection stäts mit Beziehung auf die Gewerbekunde vorgetragen.

2 St. Geschichte, und zwar ein Jahr mittlere und neue Geschichte von Christi Geb. bis auf die neueste Zeit, und ein halbes Jahr Geschichte des preußischen Staates.

3 St. Kalligraphie nach in allen Classen gleichen Vorschriften. Es werden hierzu nur 3 St. bestimmt, weil vorausgesetzt wird, daß die Schüler, wenn sie aus der zweiten Classe kommen, schon eine ziemlich gute Hand schreiben.

2 St. Singen, woran alle Schüler Theil nehmen, wenn sie nur einigermaßen Stimme und musikalisches Gehör haben. Der Unterricht im Zeichnen, in der Musik und im Französischen kann nur privatim ertheilt werden, und hängt es ganz von dem Willen der Aeltern ab, ob und von wem sie solchen wollen ertheilen lassen.

  • Anm. 1. In den beiden für die Naturlehre bestimmten Stunden wird auch von Zeit zu Zeit die Lehre vom Menschen vorgetragen. Was Schlez im Denkfreunde davon hat, dürfte genügen.
  • Anm. 2. In den für die deutsche Sprachlehre bestimmten Stunden wird auch das Lesen fremder Handschriften geübt.
Allgemeine Schulzeitung vom 9.9.1830, Nr. 106
841

§. 17. In der zweiten Mädchenclasse wird wöchentlich in 30 Stunden Unterricht ertheilt, und zwar:

4 St. Lesen in der Bibel und 3 St. Religionslehre, wobei ganz gilt, was bei der zweiten Knabenclasse gesagt worden ist.
3 St. Lesen in einem noch näher zu bestimmenden, für Mädchen besonders nützlichem Buche.
4 St. deutsche Sprachlehre nach Jacobsen. Umbeugung der unregelmäßigen Zeitwörter, Bildung von Sätzen und leichten Perioden, die Orthographie und die Lehre von den Interpunctionszeichen. Auch werden leichte Aufsätze, kleine Briefe, dem weiblichen Geschlechte angemessen, auch Rechnungen und Quittungen angefertigt.

4 St. Kopf- und Tafelrechnen. Das oben von dem Rechnen in der zweiten Knabenclasse Gesagte findet auch hier seine Anwendung. Vorzüglich muß die Fertigkeit, leichte Aufgaben im Kopfe schnell zu berechnen, angeeignet werden.

4 St. Schönschreiben nach in allen Classen gleichen Vorschriften.
2 St. Geschichte nach Nösselt, in einem halbjährigen Cursus die alte Geschichte bis auf Christi Geburt, und in einem ganzen Jahre eine Uebersicht der schlesischen Geschichte nach Morgenbesser. Der Vortrag muß so viel als möglich dem Geschlechte angemessen sein, und die Geschichte immer religiös-moralisch angewendet werden.
2 St. Geographie. Die zum Verstehen der politischen Geographie erforderliche Bekanntschaft mit der mathematischen wird den Schülerinnen, soweit diese verständlich ist, zuerst gegeben; dann eine allgemeine Uebersicht der Länder Europa's mit ihren Hauptgebirgen, Gränzen, Hauptflüssen und Hauptstädten gegeben, und specielle Geographie Schlesiens gelehrt, ohne jedoch von den Schülerinnen zu fordern, daß sie von jeder kleinen Stadt und von jedem Marktflecken die Anzahl der Häuser und Einwohner wissen sollen.
2 St. Naturbeschreibung. Die Schülerinnen werden besonders mit den Hausthieren und ihrem Nutzen, mit den Küchen- und Gartengewächsen, Getreidearten, den verschiedenen Obstsorten und mit den in Schlesien wachsenden Giftpflanzen gehörig bekannt gemacht.
2 St. Singen. Mit der in der letzten Classe angefangenen Theorie der Gesanglehre wird fortgefahren. Kirchenmelodien und andere leichte Singstücke werden eingeübt.
Allgemeine Schulzeitung vom 9.9.1830, Nr. 106
842

§. 18. In der ersten Mädchenclasse wird der Unterricht wöchentlich in 32 Stunden ertheilt, und zwar:

4 St. Religionsunterricht, wobei gilt, was von demselben bei der ersten Knabenclasse gesagt worden ist. Bei der Pflichtenlehre müssen die Pflichten des weiblichen Geschlechts umfassend und gründlich erörtert, auch muß dieser Unterricht fortwährend biblisch begründet werden. Montags in der ersten Religionsstunde wird die Sonntagspredigt wiederholt und angewendet. In der letzten Religionsstunde der Woche werden die gelernten Bibel- und Liederverse hergesagt.

4 St. Lesen und Erklärung der Bibel, und zwar der poetischen Bücher des alten und der apostolischen Briefe des neuen Testaments. Der Lehrer gibt jedesmal, wenn er ein neues Buch beginnt, eine kurze Einleitung in dasselbe.

5 St. deutsche Sprachlehre nach Jacobsen. Die Lehre von der Satz- und Periodenbildung wird gründlich vorgetragen und eingeübt durch mündliche und schriftliche Darstellungen. Kleine Aufsätze über verschiedene Gegenstände, Briefe, Rechnungen, Quittungen, Obligationen, Berichte u. s. w. werden gefertigt. Dabei wird stäts die gehörige Rücksicht auf Rechtschreibung und richtige Setzung der Interpunctionszeichen genommen. Auch das Lesen fremder Handschriften muß geübt werden.

5 St. Rechnen im Kopfe und auf der Tafel. Die Regel de Tri3 wird wiederholt, und die auf dieselbe folgenden Rechnungsarten werden gründlich erklärt und eingeübt, zuerst im Kopfe und dann auf der Tafel. Dabei ist stäts auf den künftigen weiblichen Beruf Rücksicht zu nehmen und besonders das Kopfrechnen tüchtig zu üben.
3 St. Schönschreiben nach in allen Classen gleichen Vorschriften.
2 St. Geographie. Die mathematische Geographie, soweit sie hierher gehört, wird theils, nachdem schon in der vorhergehenden Classe das Nothwendigste dagewesen, wiederholt, theils ergänzt; eine Uebersicht der ganzen Erde gegeben, und endlich der preußische Staat nach Steins Lehrbuch näher beschrieben.
2 St. Geschichte, und zwar ein Jahr von Christi Geburt bis auf die neueste Zeit, nach Rösselt, und ein halbes Jahr eine Uebersicht der Geschichte des preuß. Staates, immer mit moralisch-religiöser Anwendung.
1 St. Geschichte der christlichen Religion und Kirche, wobei gilt, was von derselben bei der ersten Knabenclasse gesagt worden ist.
2 St. Naturlehre. Die Lufterscheinungen werden erklärt, und aus dieser Wissenschaft Alles, was den Schülerinnen nützlich sein kann, vorgetragen. Auch muß in diesen Stunden von Zeit zu Zeit die Lehre vom Körper und von der Seele des Menschen vorgetragen werden.
Allgemeine Schulzeitung vom 9.9.1830, Nr. 106
843
2 St. werden verschiedene weibliche Handarbeiten unter weiblicher Aufsicht und Anleitung gefertigt.
2 St. Singen. Die Gesanglehre wird, soweit dieß geschehen kann, vollständig vorgetragen. Kirchenmelodien, die schwereren vorzüglich, nebst anderen passenden Liedern und Singstücken werden tüchtig eingeübt.
§. 19. Der Unterricht wird in den Lectionsplanen so vertheilt, daß in den beiden Knabenclassen und ebenso in den beiden Mädchenclassen dieselben Lectionen, so viel möglich, auch in dieselben Stunden fallen, damit ein Schüler oder eine Schülerin der zweiten Classe, welcher oder welche in der einen oder der anderen Lection für die höhere Classe reif ist, zu Ende des Schulsemesters in dieselbe versetzt werden kann.
§. 20. In allen Classen werden zum Schönschreiben Vorschriften von einer und derselben Hand eingeführt, damit die Schüler nicht dadurch, daß sie sich bei jeder Versetzung in eine höhere Classe immer eine andere Hand angewöhnen müßten, im Fortschreiten aufgehalten werden.
§. 21. Am Schlusse eines jeden Monats wird in sämmtlichen Classen in allen Lectionen, die sich dazu eignen, den Religionsunterricht ausgenommen, mündlich oder auch schriftlich certirt. Wer die wenigsten Antworten schuldig bleibt, oder in allen Lectionen zusammengenommen die wenigsten Fehler macht, ist im folgenden Monate der Erste, der Zweite, wer nächst diesem die wenigsten Fehler hat u. s. f. Der Lehrer muß daher jede richtig oder unrichtig beantwortete Frage sowohl, als jede beim Certiren richtig gelöste oder schuldig gebliebene Aufgabe bemerken und nach diesem Resultate die Plätze bestimmen.

Dritter Abschnitt.
Versetzungen und Aufnahme der Schüler.

§. 22. Aus der untersten gemischten Classe in die zweite Knabenclasse wird ein Schüler alsdann versetzt, wenn er elementarisch richtig liest, in der deutschen Sprachlehre die Haupt- und regelmäßigen Zeitwörter richtig umbeugen kann, die leichtesten Regeln der Rechtschreibung inne hat, und leichte Sätze aus gegebenen Wörtern zu bilden versteht; im Rechnen, wenn er die vier Species1 mit unbenannten ganzen Zahlen gehörig inne hat; mit den leichtesten Religionswahrheiten einigermaßen vertraut ist und eine leichte Melodie singen kann.

§. 23. Aus der zweiten in die erste Knabenclasse wird ein Schüler versetzt, wenn er alle die im Lectionsplane für die zweite Knabenclasse bestimmten Kenntnisse sämmtlich sich erworben hat.
§. 24. Aus der untersten gemischten Classe in die zweite Mädchenclasse wird eine Schülerin versetzt, wenn sie die § 22. genannten Kenntnisse sich erworben hat.
§. 25. Aus der zweiten in die erste Mädchenclasse wird eine Schülerin versetzt, wenn sie alle für die zweite Mädchenclasse vorgeschriebenen Kenntnisse sich erworben hat.
§. 26. Die Versetzungen finden jedes Semester bald an einem der nächsten Tage nach den Prüfungen, nach vorgängiger Berathung des Classenlehrers mit dem Rector und Revisor der Schulen und nach vorheriger strenger Prüfung der zu versetzenden Schüler und Schülerinnen statt.
§. 27. In den ersten acht Tagen nach der Prüfung werden auch die neu eintretenden Schüler aufgenommen.
Allgemeine Schulzeitung vom 9.9.1830, Nr. 106
844
Die Aeltern derselben melden sich mit ihnen bei dem Rector, welcher sie in die Classe, für welche sie sich qualificiren, gewöhnlich in die unterste, einführt.
§. 28. Kinder von auswärts herziehenden Aeltern werden außer diesen Terminen, nach vorhergegangener Prüfung durch den Rector, zu jeder Zeit aufgenommen, und in die Classe, für welche sie sich qualificiren, gesetzt.
§. 29. Sollten Aeltern von auswärtigen Orten ihre Kinder in die hiesige Schule thun, so müssen solche in dem §. 27. angedeuteten Zeitraume bei dem Rector angemeldet, und, nachdem dieser sie geprüft, am Anfange des neuen Schulsemesters in die Classe aufgenommen werden, für welche sie nach ihren Kenntnissen geeignet sind.

Vierter Abschnitt.
Vom Rector und dessen Amtspflichten.

§. 30. Dem Rector liegt die specielle Leitung der gesammten inneren Schulangelegenheiten ob. Er ist verpflichtet, mit aller Kraft dahin zu wirken, daß die Schule das leiste, was sie nach dem Lehrplane leisten soll.
§. 31. Er wird Sorge tragen, daß die Schulordnung in allen Stücken genau befolgt werde.
§. 32. Jeder Uebertretung der Schulordnung und allen Vorfällen, welche die Schule benachtheiligen könnten, muß er nach Kräften vorbeugen. Ist er nicht im Stande, dem Uebel Einhalt zu thun, so muß er zeitig durch den Schulrevisor bei der Schuldeputation Hülfe suchen.

§. 33. Er wird seinen Mitlehrern stäts mit der größten Achtung begegnen, und Nichts unternehmen, was diese Achtung nur im Geringsten verletzen könnte.

§. 34. Kommen Klagen von Seiten der Aeltern, welche Berücksichtigung verdienen, so hat er sie zu untersuchen, und, was zu einer gerechten Klage Veranlassung gegeben, zu entfernen. Genügen den Aeltern die zu ihrer Befriedigung getroffenen Verfügungen nicht, so steht es ihnen frei, ihre Beschwerden vor den Schulrevisor zu bringen, der sie, nach Befinden der Umstände, entweder selbst zu erledigen, oder zur Erledigung vor die Schuldeputation bringen, oder, wenn sie nichtig befunden werden, abweisen wird.

§. 35. Der Rector hat darauf zu sehen, daß die Schulstunden nicht später anfangen oder früher beendigt werden, als der Stundenplan angibt.
§. 36. Fangen die Lehrer den Unterricht, trotz seiner Erinnerung, dennoch zu spät an, so muß er davon dem Revisor Anzeige machen, der das Weitere, um den Saumseligen zu strengerer Pflichterfüllung zurückzuführen, veranlassen wird.
§. 37. Bei dem Wechsel der Schulstunden und am Schlusse der Schule muß er durch seine Gegenwart Ordnung zu erhalten suchen, und vorzüglich darauf sehen, daß die unten §. 65 und 66 vestgesetzten Einrichtungen in allen Classen befolgt werden.
§. 38. Den Calefactor wird er anhalten, daß er die ihm obliegenden Pflichten, die unten §. 98-106 näher bestimmt sind, genau erfülle.
§. 39. Auf Reinlichkeit im Schulhause und um dasselbe hat er besonders zu achten. Auch muß er jeden Abend in den Lehrzimmern nachsehen, ob der Calefactor die Fenster zugemacht, und Feuer und Licht gehörig verwahrt habe.
Allgemeine Schulzeitung vom 9.9.1830, Nr. 106
845

§. 40. Der Rector führt unter Oberaufsicht des Magistrats die Aufsicht über das ganze Schulgebäude. Ist an demselben, am Schulapparate u. s. w. Etwas auszubessern, oder sind Lehrmittel neu anzuschaffen, so muß er es der Schuldeputation durch den Revisor bei Zeiten anzeigen.

§. 41. Kinder, welche der Schule anvertraut werden sollen, prüft er, wie oben §. 27-29 angegeben worden, bestimmt die Classe, für welche er sie fähig hält, und trägt ihre Namen in das von ihm zu führende Verzeichniß sämmtlicher Schüler ein.

§. 42. Genanntes Verzeichniß, wozu unten sub lit. A. ein Schema beigegeben ist, muß der Rector mit aller Genauigkeit führen.
§. 43. Die halbjährigen Censuren der Schüler hat der Rector, mit Zuziehung der übrigen Lehrer, auszufertigen.
§. 44. Der Rector präsidirt in den Lehrerconferenzen, von denen unten §. 84-92 die Rede ist, und leitet die Verhandlungen derselben.
§. 45. Der Rector führt auch das nach der Currende vom 25. März 1811 angeordnete Grundbuch der Schule.

Fünfter Abschnitt.
Pflichten der sämmtlichen übrigen Lehrer.

§. 46. Sämmtliche Lehrer haben die Schuldeputation, den Schulrevisor und Rector als Vorgesetzte der Schule anzuerkennen und zu achten.
§. 47. Jeder Lehrer muß sich den von seinen Vorgesetzten zum Beßten der Schule getroffenen Verfügungen bald und willig unterziehen und die Schulordnung in allen Stücken aufs Genaueste befolgen.
§. 48. Jeder Lehrer muß sein Amt stäts mit Gewissenhaftigkeit und Treue verwalten.
§. 49. Kein Lehrer soll zu spät in seiner Classe erscheinen, oder sie früher verlassen, als die vestgesetzte Zeit es verstattet.
§. 50. Noch weniger darf ein Lehrer seine Stunden aussetzen. Ist er durch Krankheit gehindert, seinem Amte vorstehen zu können, so hat er dieß dem Rector anzuzeigen, der mit Zuziehung des Revisors für seine Vertretung sorgen wird.
§. 51. Nur jene Lehrgegenstände soll jeder Lehrer vortragen, die ihm im Lectionsverzeichnisse zugewiesen sind. Es ist nicht erlaubt, den Kindern vorzulesen, statt sie zu unterrichten.

§. 52. Die sämmtlichen von den Schülern gelieferten schriftlichen Arbeiten gehen sie zu Hause durch, und erst alsdann machen sie ihre Classe auf ihre Fehler, die entweder nur einzele oder eine bedeutende Anzahl Schüler begangen haben, aufmerksam, und lassen solche die Schüler selbst verbessern. Im Durchgehen können sie sich allenfalls von einem geübteren Schüler helfen lassen.

§. 53. Die Federn werden außer der Schulzeit in hinlänglicher Zahl geschnitten und gebessert, daß damit nicht die zum Unterrichte nöthige Zeit versplittert werde.

§. 54. Jeder Lehrer zeigt am Schlusse des Monats die bedeutenden Schulversäumnisse in der Conferenz schriftlich an, und der Rector befördert solche an die Behörde zur Remedur. Sollten Schüler eine ganze Woche ausbleiben, so fertigt der Lehrer in der wöchentlichen Conferenz
Allgemeine Schulzeitung vom 9.9.1830, Nr. 106
846
dem Rector eine schriftliche Anzeige zu, der solche alsbald an die Behörde zur Remedur befördert.

§. 55. Die Lehrer sollen sich sämmtlich gegenseitig mit Achtung und Vertrauen begegnen.
§. 56. Streng sind Verbindungen mehrerer Lehrer gegen einen untersagt. Sie gefährden das Wohl der Schule; daher sollen die Theilnehmer zu ernster Verantwortung gezogen, und ihr dießfälliges Vergehen streng gerügt werden.
§. 57. Kein Lehrer darf, außer im dringendsten Nothfalle, sich während der Unterrichtsstunden von seiner Classe entfernen, auch dann nicht, wenn die Schüler sich mit Anfertigung schriftlicher Arbeiten beschäfftigen.

§. 58. Sämmtliche Lehrer haben eine Woche um die andere Aufsicht über sämmtliche Schüler, wenn diese sich während der Freiviertelstunde Vormittags heraus auf den Hof begeben, und wenn sie nach dem Schlusse des Unterrichtes die Schule verlassen.

§. 59. Jeder Lehrer führt die specielle Aufsicht über das ihm zugewiesene Schulzimmer. Er hat darauf zu sehen, daß von den Schülern die Fenster, Wände, Oefen, Pulte, Bänke, sonstige Utensilien und Bücher seiner Classe nicht beschädigt werden, und wenn ein Schüler Schaden verursacht, denselben alsbald ersetzen zu lassen.

§. 60. Jeder Lehrer beaufsichtigt seine Classe, und handhabt in derselben die Disciplin. Er führt zu diesem Behufe:
  1. das Buch des Schulbesuches nach der Currende vom 25. März 1811. Er trägt darein jeden Tag die Schulversäumnisse, erkundigt sich nach den Ursachen des Ausbleibens, und läßt es nie an Ermahnungen, Warnungen oder sonstigen zweckmäßigen Mitteln fehlen, sondern bemüht sich fortdauernd, einen regelmäßigen Schulbesuch zu erhalten und herzustellen. Helfen seine Bemühungen Nichts, so zeigt er es nach §. 54 dem Rector an, der mit Zuziehung des Schulrevisors das Weitere veranlaßt;
  2. das Buch der Schulkinder in seiner Classe nach der Currende vom 25. März 1811, wozu das Schema unter lit. B. beiliegt, und worin er bei jedem Schüler die Rubriken sorgfältig ausfüllt. Er handhabt:
  3. auch in seiner Classe die Schulgesetze, trägt solche alle vier Wochen einmal vor und erklärt sie, sieht auf die gehörige Befolgung derselben, und sorgt dafür, daß die Uebertreter derselben zur Strafe gezogen werden. Dabei sorgt:
  4. jeder Lehrer in Vereinigung mit dem Rector dafür, daß er einen guten Geist in die Schüler und Schülerinnen bringe und in ihnen zu erhalten suche; daß er endlich¨
  5. bei nützlichen Einrichtungen, die eingeführt, und bei Mißbräuchen, die abgeschafft werden sollen, dem Rector und Revisor hülfreiche Hand biete.
§. 62. Jeder Lehrer muß unausgesetzt einen rein sittlichen Wandel führen, und freundschaftlichen Umgang mit Menschen ohne Sitten und Ehrbarkeit, sowie alle unehrbare Verbindungen mit Personen des anderen Geschlechtes gänzlich vermeiden. §. 62 Es ist auch Pflicht jedes Lehrers, daß er sich in seinem Wissen immer mehr vervollkommne und so der Schule mit jedem Tage nützlicher werde.
Allgemeine Schulzeitung vom 9.9.1830, Nr. 106
847

Sechster Abschnitt.
Anordnungen über den Anfang und Schluß der Unterrichtsstunden.

§. 63. Der Unterricht nimmt im Sommer früh um 7 Uhr seinen Anfang und dauert bis 11 Uhr; im Winter dagegen früh von 8-12 Uhr. Des Nachmittags beginnt der Unterricht in allen Classen um 1 Uhr und dauert bis 3 Uhr. Fünf Minuten nach dem Schlage der bezeichneten Stunden muß in allen Classen der bezeichnete Unterricht beginnen. Bloß in der zweiten Mädchenclasse findet hiervon früh eine Ausnahme statt, weil der Cantor Montags, Mittwochs und Freitags früh in der Kirche sein muß; und es geht daher in dieser Classe der Unterricht Montags und Mittwochs im Sommer um 8 Uhr, Freitags wegen der Communion erst um 9 Uhr an und dauert bis 12 Uhr, im Winter dagegen Montags und Mittwochs um 9 Uhr und Freitags wegen der Communion erst um 10 Uhr und dauert bis 12 Uhr, an welchen Tagen daher derselbe des Nachmittags eine Stunde länger unterrichten muß. Mittwochs und Sonnabends werden am Nachmittage keine Lectionen gehalten.

§. 64. Die Lehrer haben darauf zu sehen, daß die Schüler zur bestimmten Zeit in der Schule erscheinen. Jedoch darf kein Schüler früher, als eine Viertelstunde vor dem Schlage in die Lehrzimmer eingelassen werden.

§. 65. Lautes Schreien und Balgen dürfen von den die Aufsicht führenden Lehrern weder vor dem Unterrichte, noch in den Freiviertelstunden, noch nach dem Unterrichte beim Herausgehen, weder in den Lehrzimmern, noch auf dem Schulhofe geduldet werden.

§. 66. Mit dem Stundenschlage schließen die Lehrer ihre Lectionen, und alle Schüler verlassen zur gleichen Zeit die Lehrzimmer unter Aufsichtsführung der Lehrer, welche darauf zu halten haben, daß die Schüler und Schülerinnen einzel, Bank für Bank, weggehen. Das Zeichen zum Anfange und Schlusse der Schulstunden wird durch eine irgendwo im oder am Hause angebrachte Glocke gegeben.

§. 67. In den Kinderlehren während der Sommermonate führen sämmtliche Lehrer, während der Geistliche katechisirt, abwechselnd eine Woche um die andere Aufsicht.

Allgemeine Schulzeitung vom 11.9.1830, Nr. 107
849

Siebenter Abschnitt.
Vorschriften, welche während der Schulzeit zu befolgen sind.

§. 68. Zu häuslichen oder sonstigen Verrichtungen, welche sich nur für Dienstboten eignen, z. B. zum Holztragen, Holzhacken, Wassertragen, Kinderwarten u. s. w. darf kein Lehrer einen Schüler weder während, noch außer der Schulzeit gebrauchen.
§. 69. In jeder Classe sind die erforderlichen Gestelle, Tafeln, Pulte und Bänke vorhanden, daher darf Nichts von diesen Mobilarien aus einer Classe in die andere geholt werden.
§. 70. Die benannten Utensilien haben ihre bestimmten Plätze, an welchen sie nach jedesmaligem Gebrauche zu verwahren sind.
§. 71 Jedem Kinde wird ein bestimmter Platz angewiesen, an welchem es in allen Unterrichtsstunden sitzt.
§. 72. Der Lehrer erlaube immer nur einem Kinde, hinauszugehen.
§. 73. Der Lehrer muß darauf halten, daß die Kinder, welche er hinausgehen läßt, nicht zu lange auf dem Abtritte verweilen.

§. 74. Solange die Schulzeit dauert, darf der Lehrer keinem Kinde erlauben, zu essen. Es kann dieß erst in den Freiviertelstunden geschehen. Ueberhaupt sind die Kinder anzuhalten, daß sie zu Hause frühstücken, dann können sie es schon bis zum Ende der Lehrstunden aushalten. Schalen, Stiele und Steine von Obst dürfen ebensowenig auf den Fußboden geworfen werden, als andere Gegenstände. Eßwaaren, welche zwischen der Lehrzeit zum Vorscheine kommen, werden weggenommen und erst nach Beendigung derselben zurückgegeben.

§. 75. Während der Abwesenheit des Lehrers führen Schüler und Schülerinnen Aufsicht, welche dafür sorgen, daß alle nöthigen Lehrmittel in Bereitschaft gesetzt und die Schulgesetze beachtet und befolgt werden. Die Uebertreter derselben zeichnen sie auf und übergeben das Verzeichnis dem Lehrer. Zu solchen Aufsehern und Aufseherinnen werden in den Conferenzen die fleißigsten und sittsamsten gewählt.

§. 76. Thüren und Fenster dürfen nie zur gleichen Zeit offen stehen. Stehen die Fenster offen, so müssen sie kurz vor dem Anfange der Stunden geschlossen werden.
Allgemeine Schulzeitung vom 11.9.1830, Nr. 107
850

Achter Abschnitt.
Von den Schulstrafen.

§. 77. Schulstrafen sind nothwendig; ihre Verminderung muß das Ziel der wahren Schulzucht sein, aber nicht ihre Verminderung durch Nachsicht, sondern durch Besserung. Es würde jedoch unmöglich sein, in einer Schulordnung für jedes mögliche Vergehen im Voraus eine Strafe vestsetzen zu wollen, die sich, wenn sie anders angemessen sein soll, immer nach dem Vergehen richten muß.

§. 78. Es wird zweckmäßig sein, folgende Strafmittel nach Umständen anzuwenden:
  1. Kurze Ermahnung und Warnung.
  2. Drohungen, jedoch nur solche, die vollzogen werden können.
  3. Ernster Verweis unter vier Augen.
  4. Deßgleichen vor der ganzen Classe.
  5. Stehen auf kürzere oder längere Zeit.
  6. Verweisen auf die Strafbank auf kürzere oder längere Zeit.
  7. Zurückbehalten in der Schule, wenn die aufgegebenen Lectionen nicht gelernt sind, bis das Versäumte nachgelernt ist.
  8. Zurechtweisung in der Lehrerconferenz, und wenn die Anwendung dieser Strafmittel fruchtlos bleiben sollte, was dann immer auf eine traurige Verwilderung des Schülers oder der Schülerin schließen läßt.
  9. Einsperrung, jedoch nicht in Keller und Gewölbe, sondern in das dazu bestimmte Local, und endlich:
  10. Schläge. Letzere können jedoch nur bei Knaben, bei Mädchen nur ausnahmsweise bei der tieffsten Verdorbenheit, mit der Ruthe auf die Hände angewendet werden.
§. 79. Muß der Lehrer strafen, so geschehe es mit Vorsicht und Ruhe, nicht im Zorne; denn der Zornige thut nie, was vor Gott recht ist.
§. 80. In der Wahl der Strafmittel sei der Lehrer vorsichtig. Er wende, wo kleine Strafen hinreichen, keine größere an; beschimpfe nicht, wo bloß zu beschämen ist. Ersteres darf überhaupt in keinem Falle vorkommen.
§. 81. Der Lehrer suche, so viel möglich, Alles aus dem Wege zu räumen, wodurch sich die Kinder strafbar machen können. Am allerwenigsten sei er selbst Ursache an der Straffälligkeit eines Kindes. Er kann es aber werden, wenn er seine Schüler und Schülerinnen allein läßt; wenn er aus Trägheit oder Unkunde dieselben nicht in geregelte Thätigkeit setzt; wenn er gegebene Vorschriften selbst nicht befolgt u. s. w.
§. 82. Ein guter Lehrer sichert seine Schüler gegen viele Vergehungen und Strafen. Er gewöhnt sie durch
Allgemeine Schulzeitung vom 11.9.1830, Nr. 107
851
eigene würdige Haltung, daß sie ihm aufs Wort folgen. Eifer erzeugt Eifer; Liebe erweckt Liebe; ein gutes, ermahnendes Wort findet leicht den Ort, den es finden soll.
§. 83. Leichtere Strafen bis zum Zurückhalten nach der Schule incl. werden vom Lehrer allein decretirt; bedeutendere Vergehen aber werden in der Conferenz zur Sprache gebracht und die Strafen dafür bestimmt. Körperliche Züchtigungen dürfen während des Schulunterrichtes niemals vollzogen werden.

Neunter Abschnitt.
Von den Lehrerconferenzen.

§. 84. Die Conferenzen sollen dazu dienen, daß die Lehrer durch freundschaftliche Besprechungen über das, was dem Wohle und Gedeihen der Schule förderlich ist, gegenseitig ihre Meinungen, Ansichten u. s. w. kennen lernen, damit sich ihr Wirken immer mehr zu einem Ganzen gestalte.
§. 85. Die Conferenzen finden am letzten Sonnabend jedes Monats von 3-4 Uhr regelmäßig statt; außerordentliche finden nur statt, wenn es nöthig ist.
§. 86. An denselben nimmt auch der Revisor der Schule Theil; sonst aber hat der Rector nach §. 44 den Vortrag und die Leitung der Verhandlungen.
§. 87. Kein Lehrer darf die Conferenz versäumen. Im Falle er nicht erscheinen kann, hat er sowohl dieß, als die Ursache seines Außenbleibens dem Rector vorher schriftlich anzuzeigen, damit es in das Conferenzprotocoll bemerkt werden kann.
§. 88. Der jüngste Lehrer führt jedesmal das Protocoll und der Rector bewahrt das Protocollbuch bei sich auf.
§. 89. In den Conferenzen werden:
  1. Neue Aufseher und Aufseherinnen erwählt.
  2. Der Geist der Schüler und Schülerinnen jeder Classe wird beurtheilt.
  3. Vorschläge zur Verbesserung der Lehrarten, der Disciplin u. s. w. werden gemacht.
  4. Auch Vorschläge zu neuen Lectionsverzeichnissen, Lehrgegenständen und Versetzungen sind Gegenstände der Conferenz.
§. 90. Von gebildeten Männern läßt sich nicht erwarten, daß sie bei Berathungen, welche das Wohl der Schule bezwecken, in Anzüglichkeiten u. s. w. verfallen werden. Der Rector wird mit seinem amtlichen Uebergewichte jeder Ungehörigkeit zu begegnen wissen.

Zehnter Abschnitt.
Von den halbjährigen öffentlichen Schulprüfungen.

§. 91. Die öffentlichen Schulprüfungen finden jährlich zweimal, und zwar zu Ostern und Michaelis, statt, und ist der Termin hierzu mit der städtischen Schuldeputation zu verabreden.
§. 92. Für jeden Gegenstand, über welchen geprüft werden soll, wird ungefähr eine halbe Stunde vestgesetzt.
§. 93. Ruhe und Ordnung muß während der Prüfung sowohl im Prüfungssaale, als um das Schulhaus herrschen, worauf die Lehrer zu achten haben.
§. 94. Die Probeschriften werden während der Prüfung zur Ansicht herumgegeben.
Allgemeine Schulzeitung vom 11.9.1830, Nr. 107
852

Elfter Abschnitt.
Schulferien.

§. 95. Die Ferien sind bereits durch die hohe Verfügung der königl. Regierung zu Liegnitz vom 3. Januar 1825 (Amtsblatt 1825. S. 6 u. 7) bestimmt.

Zwölfter Abschnitt.
Von dem Calefactor und dessen Obliegenheiten.

§. 97. Der Calefactor steht als Diener der Schule, also rücksichtlich der ihm als Calefactor obliegenden Obliegenheiten, mittelbar unter der ihn ernennenden städtischen Behörde, und unmittelbar unter Aufsicht des Rectors. Es wird von ihm gefordert, daß er die Verbindlichkeiten seiner Dienststelle mit Pünktlichkeit und Gewissenhaftigkeit erfülle. Diese bestehen darin:
§. 98. Daß er darauf sehe, daß durch ihn selbst, oder durch seine Frau und Kinder die Lehrzimmer, Treppen und Vorsäle einen Tag um den anderen gefegt, und die Lehrzimmer und Fenster nach Bedürfniß rein gehalten werden.
§. 99. Daß er für Reinlichkeit auf den Abtritten sorge.
§. 100. Den Platz um das Schulhaus und den Hof wöchentlich zweimal kehre.
§. 101. Daß er, wenn ein Zimmer gekehrt ist, gleich darauf Pulte, Bänke u. s. w., gehörig gereinigt, wieder an den bestimmten Ort bringe.
§. 102. Daß er nach Beendigung der Stunden die Fenster öffne und vor dem Anfange der Stunden wieder schließe. Ueber Nacht darf kein Fenster offen bleiben.
§. 103. Daß er das gehauene Holz in den Holzstall bringe; im Winter wenigstens um 6 ½ Uhr die Lehrzimmer heize, damit diese um 8 Uhr gehörig durchwärmt sind. Bei sehr strenger Kälte muß er den Tag über das Feuer mäßig unterhalten.
§. 104. Zu persönlichen Dienstleistungen, d. h. zu solchen, die nicht die Schule betreffen, ist er weder dem Rector, noch den übrigen Lehrern verpflichtet.

Anhang.
Gesetze für die Schüler und Schülerinnen.

§. 105. Ein guter Schüler (eine gute Schülerin) ist gottesfürchtig, fleißig, gehorsam, ordentlich, aufrichtig, reinlich, gefällig, mit einem Worte: wohlgesittet. Um Jedem seine Pflichten gehörig ins Gedächtniß zu rufen, werden diese durch folgende Gesetze näher bestimmt.
§. 106. Du mußt pünktlich in die Schule kommen. Wenn es im Sommer 7, und im Winter 8, und des Nachmittags 1 Uhr schlägt, mußt du in der Schule sein. Denn die Schule wird mit Gebet begonnen, wobei alle Schüler gegenwärtig sein müssen. Vor ¾ auf 7 Uhr im Sommer, ¾ auf 8 Uhr im Winter und des Nachmittags vor ¾ auf 1 Uhr kannst du jedoch nicht in das Lehrzimmer eingelassen werden.
§. 107. Du darfst die Schule nie ohne gültige Ursache versäumen. Kannst du wegen Krankheit mehrere Tage oder Wochen nicht erscheinen, so muß dieß deinem Herrn Lehrer gemeldet werden. Warst du genöthigt, nur einen Tag zu fehlen, so mußt du dich durch schriftliche oder mündliche Entschuldigung deiner Aeltern rechtfertigen.
Allgemeine Schulzeitung vom 11.9.1830, Nr. 107
853
§. 108. Du mußt dich, sobald du in die Schule kommst, an einen Platz setzen und ruhig sein.
§. 109. Du darfst dich nicht durch öfteres Hinausgehen den Unterricht stören. Befriedige daher deine Bedürfnisse, ehe du von Hause weggehest.
§. 110. Du sollst Alles vermeiden, was unanständig ist. Keiner von deinen Mitschülern darf mit dir zu gleicher Zeit auf einen und denselben Abtritt gehen.
§. 111. Du sollst keinen Theil des Schulhauses verunreinigen; darfst daher Nichts in das Schulzimmer werfen, was Schmutz veranlaßt. Jeder Schüler muß ein Taschentuch bei sich haben.
§. 112. Du mußt stäts reinlich gekleidet sein. Hände und Gesicht eines ordentlichen Schülers dürfen nie beschmutzt sein.
§. 113. Du mußt deine Schul- und Schreibebücher reinlich halten. Hast du in oder auf denselben deine Federn probirt, so sind sie schon unrein.
§. 114. Du sollst deine Aufgaben selbst machen und sie zur bestimmten Stunde liefern.
§. 115. Du sollst deine Schul- und Schreibebücher, deine Federn, Schiefertafel u. s. w. weder zu Hause vergessen, noch in der Schule beim Weggehen liegen lassen.
§. 116. Du darfst weder an Pulten, Bänken oder Fenstern, noch an sonst einem im Schulgebäude befindlichen Gegenstande Schaden verüben.
§. 117. Du darfst während der Schulzeit nicht essen. Eßwaaren, die während des Unterrichtes zum Vorscheine kommen, werden weggenommen.
§. 118. Du mußt dich auch außer der Schulzeit, z. B. auf dem Wege nach und aus der Schule, eines anständigen Betragens befleißigen. Besonders darfst du keinen deiner Mitschüler, noch sonst Jemanden, wer es auch immer sei, durch Worte oder Handlungen beleidigen.
§. 119. Schüler und Schülerinnen müssen gegen Jedermann, wer es immer sei, sowohl auf dem Schulwege, als sonst, Höflichkeit beweisen, d. h. wenn sie Jemanden begegnen, höflich grüßen, und erstere dabei ihre Mützen oder Hüte abnehmen; dieß thun sie auch, ehe sie zu Jemanden ins Zimmer treten, und klopfen zuvor an.
§. 120. In den Sommermonaten mußt du die Kinderlehre regelmäßig besuchen, und dort still und aufmerksam sein.
§. 121. Besuche, wenn es die Witterung irgend erlaubt, des Sonntags die Kirche fleißig, merke auf die Predigt und behalte sie, Anfangs schriftlich, nachher im Kopfe, damit du am Montage davon Rechenschaft geben kannst.
§. 122. Dein Lehrer wird dir diese Gesetze näher erklären, und dir auch sagen, in welche Strafe du verfällst, wenn du eins derselben übertrittst.

Nach vorstehender Ordnung ist die evangelische Schule hiesiger Stadt nunmehr seit Jahr und Tag organisirt, die Lehrer haben sich meist sehr gut in die neue Ordnung gefunden, und die Wirkungen derselben fangen an, sich auf eine sehr erfreuliche Weise zu offenbaren. Möge Gott, der bisher die Verbesserung väterlich unterstützte, die neue Einrichtung auch in Zukunft erhalten und segnen, damit die Nachwelt reichlich Früchte davon ärndte!


Obwohl im Originaltext nicht namentlich genannt, zeigt der Vergleich mit der Klose-Chronik, dass der Lübener Pastor Johann Gottlieb Burkmann den Artikel verfasst hat. H. T.