Reinhold Schuster (1866-1945) - Hermann Schuster (1893-1974)
Glasermeister Emil Selter














Seit 1913 gab Reinhold Schuster Kinovorstellungen. Anfangs, als es in Lüben noch keinen elektrischen Strom aus der Steckdose gab, lieferte eine Dampfmaschine die notwendige Energie. Ein Pianist und ein Rezitator begleiteten die Stummfilme mit Melodien und Erklärungen. 1936 übergab der siebzigjährige Reinhold Schuster das Unternehmen seinem Sohn Hermann, der es modernisierte und umbaute. Ab 1936 fanden außer den Vorstellungen im DELI neben dem Gasthof Deutscher Kaiser auch Vorführungen im Capitol, dem Saal des Schießhauses Lüben, statt.

Deutschlands erstes Kino stand in Lüben

Wenn es stimmt, daß überall in der Welt das große "Kinosterben" umgeht und die Lichtspieltheater am laufenden Band ihre Pforten schließen, dann war der "flimmernden Leinwand" kein langes Leben beschieden. Es ist nämlich gerade 70 Jahre her, daß der Vorläufer des späteren "Kintopps" in Deutschland die ersten Gehversuche machte. Seine Wiege stand in der niederschlesischen Stadt Lüben unweit von Liegnitz.

Es mag unwahrscheinlich klingen, aber es stimmt, daß der erste Herr "Lichtspielhausbesitzer" des einstigen Deutschen Reiches seine Filmutensilien auf einen Planwagen packte, zwei Pferdchen davor spannte und damit über Land fuhr. Reinhold Schuster (1866-1945), ehemaliger Kinobesitzer in Lüben und anerkannter "Pionier der deutschen Kinos", hatte uns die Geschichte seines Werdeganges noch selbst erzählt.

Er konnte für sich in Anspruch nehmen, im deutschen Kinowesen wirklich "von der Pike auf" gedient zu haben, vom "Cinematographen bis zum Lichtspieltheater". Sein erster Film lief unter dem "reißerischen" Titel: "Ankunft eines Eisenbahnzuges", Spieldauer: 3 Minuten! Sein längster (das zweiteilige "Indische Grabmal") dauerte viereinhalb Stunden. Dazwischen lag die ungeheure Entwicklung, die wir mit der lapidaren Bezeichnung "Kino-Zeitalter" abzutun pflegen.

Hermann Schuster (1893-1974), Sohn von Reinhold Schuster, führte das Werk seines Vaters fort

Hermann Schuster (1893-1974). Von seinem
Vater Reinhold Schuster fehlt bisher ein Foto.

Der Lübener Reinhold Schuster, der von der Lichtbildnerei soviel Ahnung hatte wie ein Straßenfeger von der Sternenkunde, lockte seine ersten "Kinogäste" mit großsprecherischen, grellen Plakaten, einem Sprachrohr aus Pappe und dem gehörigen Stimmenaufwand an die Kasse. Auf Jahrmärkten und Rummelplätzen! Dort baute er ein Zelt auf, holte Filme und Apparatur aus der Kiste vom Planwagen und - los ging's. Elektrischer Strom? Wo gab's in jenen Zeiten auf den Jahrmärkten Elektrizität? Karbid-Lampen taten's auch - manchmal. Oft nicht.

Reinhold Schusters Jahrmarkt-Filme waren gegenüber unseren heutigen 2600-Meter-Spielfilmen natürlich "Waisenknaben". 20-Meter-Filme waren schon Ausnahmen. Meistens waren sie kürzer. Die "gängige" Länge lag zwischen 10 und 15 Metern. Neben der Ankündigung "Ankunft eines Eisenbahnzuges" lockten Titel wie "Auf einem Bauernhof, "Blutgierige Löwen in Freiheit" (im Zoo photographiert) und "Leben im Hafen".

Reinhold Schuster tat das keinen Abbruch. Sein Name war auf Jahrmärkten und Volksfesten längst zu einem Begriff geworden. Als einer der Ersten schickte er die Pferde in Pension und ersetzte die zwei PS durch ein damals hypermodernes Automobil, machte sich die Elektrizität zunutze und dachte weiter. Als die ersten Konkurrenten der Flimmerkiste auftauchten, überließ ihnen Schuster die Jahrmärkte und gründete in Lüben das erste feststehende Kino in einer ausgedienten Scheune. Sein "Union-Theater" hat heute in jedem besseren Dorf einen Namens-Vetter.

DELI-Kino am Gasthof Deutscher Kaiser

DELI-Kino am Gasthof Deutscher Kaiser in der Lübener Bahnhofstraße

Reinhold Schuster erkannte als einer der Ersten die Aufstiegsmöglichkeiten des Films und nutzte sie. Bei unserem letzten Besuch in Lüben, kurz vor dem Krieg, erzählte er uns das Erlebnis mit dem schlesischen Landrat, das ihm besondere Freude machte. Der Landrat, Graf aus uraltem blauem Geblüt, hatte ihm für eine Vorstellung keine Genehmigung gegeben und Schuster hatte ihn im Amt aufgesucht. Er schilderte das so: "Herr Graf, habe ich gesagt und ihn fest angeguckt, Herr Graf, ich seh' die Zeit kommen, wo ich auch Sie einmal im Kino sehen werde. Da hat er doch gelacht, daß ich dachte, der Schlag würde ihn treffen - so blau angelaufen ist er - vor Vergnügen über den guten Witz, wie er sagte. Und dann hab ich die Genehmigung gekriegt. Ja, und einige Jahre später ist er reingefallen. Da hatte die Landwirtschaftskammer einen Lehrfilm für die Bauern gebracht und der Landrat durfte dabei natürlich nicht fehlen. Er mußte ins Kino kommen. Klar, daß ich ihn begrüßte. Da hat er wieder gelacht und gesagt: 'Mein lieber Herr Schuster, die Zeiten ändern sich eben'. Und nachher haben wir beide noch einen Korn zusammen getrunken." (HGW)

Lübener Heimatblatt 6/1968 und 3/2005
Unklar, warum das DELI-Kino in diesem Artikel nicht ausdrücklich erwähnt wird. War es das frühere Union-Theater?
Und noch etwas Eigenartiges: Im LHB war als Quelle die "Braunschweiger Zeitung " vom 12.1.1968 angegeben. Ich habe mich an diese Zeitung gewandt, um den Originalartikel zu erwerben. Mir wurde mitgeteilt, dass weder an diesem Tag noch innerhalb der entsprechenden Woche und auch nicht in den Lokalausgaben ein solcher Artikel erschienen ist. Um so mehr suche ich den Kontakt zu den Nachfahren der Lübener Schusters in Braunschweig oder anderswo! H. T.

50 Jahre Filmtheater in Lüben
LHB 13/1963

Im Juli 1913 begann der Senior der Familie, Reinhold Schuster, einer der ältesten Filmtheaterbesitzer Schlesiens, den Aufbau einer Kulturstätte. Er schuf in Lüben ein Filmtheater.

Lüben hatte damals 6000 Einwohner und noch kein elektrisches Licht, was dieses Vorhaben wesentlich erschwerte. Durch den Verkauf seiner früheren Theater in Schweidnitz und Rawitsch und seiner Filmwanderbühne "Biograph Theater", die von seinem Geschäftsführer Hugo Wiesner (Liegnitz) geleitet wurde, wurde ihm die Möglichkeit geschaffen. Er stellte im Gasthof "Zum Deutschen Kaiser" in der Bahnhofstraße eine Dampfmaschine auf, die den erforderlichen Strom lieferte. Das war etwas Neues und Interessantes. Mancher Lübener wird sich an seine Jugendzeit erinnern, da er als Junge mithalf und dafür Freikarten bekam.

Karikatur angeblich aus der "Braunschweiger Zeitung " vom 12.1.1968 zum Artikel über den Begründer des Lübener Kinos. Leider fand die angefragte Redaktion diesen Artikel nicht. Ich habe ihn aus dem LHB 3/2005.

An der Kasse waltete Frau Elisabeth Schuster ihres Amtes. Sie sorgte auch an stürmischen Tagen dafür, daß jeder Gast sein Plätzchen bekam, Und sehr bald wurde das Filmtheater für das fehlende Stadttheater ein nicht mehr wegzudenkender Ersatz. Anfangs wurde bedauert, daß dadurch weniger Tanzveranstaltungen im "Deutschen Kaiser" stattfinden konnten, diese wurden nun in den "Anker" oder "Löwen" verlegt.

Der Stummfilm, dieser damals noch nicht 21jährige Fratz, hatte es in sich. Wer erinnert sich nicht noch gern an die schönen Filme wie Die weiße Sklavin, Ali Baba und die 40 Räuber, Aladin und die Wunderlampe.
Namen wie Ernst Lubitsch, Emil Jannings, Pola Negri, Alexander Korda, Lya de Putti, Charlie Chaplin werden unvergessen bleiben.

Erläuternde Worte zum Inhalt des Films waren einkopiert oder wurden durch einen Rezitator übermittelt. Für die musikalische Untermalung sorgte ein Pianist. Ja, so war der Anfang auch für uns in Lüben.

Dann kam 1914, der 1. Weltkrieg mit all seinen Schrecken, nachfolgend die Inflation und Arbeitslosigkeit. Trotz allem gelang es Reinhold Schuster, dank seiner Umsicht für Abwechslung und Unterhaltung durch kulturelles und aktuelles Filmmaterial zu sorgen. Die aktuelle Wochenschau wurde eingeführt, um stets das Neueste vom Tage zu berichten. Wie oft fuhr Reinhold Schuster in der Inflationszeit mit einer Aktentasche voller Geldscheine nach Breslau, und wie oft reichte das Geld dann doch nicht aus, um den nächsten Film zu bezahlen.
In den Jahren der Arbeitslosigkeit mußten viele treue Kunden auf den Filmbesuch verzichten. Doch hier zeigte sich das gute Herz der Muttel Schuster. Wie erfinderisch waren dabei auch schon die Kinder: "Mein Vater ist arbeitslos, wir sind fünf Kinder, meine Mutter hat heute kein Geld, bitte, bitte lassen Sie uns umsonst ins Kino!" So ging es oft genug. Auch an diese Zeiten sollten wir uns erinnern, sie sollten in jeder Beziehung mahnend vor uns stehen. Der Film hat diese Zeit überdauert und uns immer wieder etwas von der Sonnenseite gegeben.

Bei dieser Gelegenheit seien einige Filme genannt: Robert Koch mit Werner Krauß und Emil Jannings; Heimat mit Zarah Leander, Heinrich George, Leo Slezak, Paul Hörbiger; Gold mit Hans Albers, Brigitte Helm; Das Veilchen vom Potsdamer Platz mit Rotraut Richter; Die Feuerzangenbowle mit Heinz Rühmann; Romanze in Moll mit Marianne Hoppe und Paul Dahlke; Freiwild mit Bruno Kastner und Ivan Petrowich; Ben Hur mit Ramon Novarro; Das indische Grabmal mit Lya de Putti als Tempeltänzerin.

Meisterhaft verstand es die Hauskapelle, die Herren Krüger, Guder und Williger, sich dem Inhalt des Films musikalisch anzupassen. Alte Filme sind wie Melodien. Man glaubt, sie längst vergessen zu haben, dann aber summt man den Ton und gleich ist die Erinnerung wieder da. Und mit dieser Erinnerung steigt diese Zeit herauf und damit jene Zeit, in der wir jung und glücklich waren.

Der technische Fortschritt brachte 1929 den Tonfilm. Und auch hier scheute Schuster keine Ausgaben und modernisierte seinen Betrieb. Und dabei sei, herausgegriffen aus der Vielzahl, an jene Filme erinnert: Die Privatsekretärin mit Renate Müller; Die Drei von der Tankstelle mit Lilian Harvey und Willy Fritsch; Drei Tage Mittelarrest mit Lucie Englisch und Felix Bressart; Variete mit Emil Jannings, Maly Delschaft und Lya de Putti; Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern mit Heinz Rühmann und Hertha Feiler.

So kam das Jahr 1936. Am 24. Mai 1936, Reinhold Schusters 70. Geburtstag, übergab der Seniorchef seinen Kindern, die ihm schon fleißig zur Seite standen, sein Werk. Der Sohn Hermann Schuster modernisierte und baute das Theater um. Und wieder konnten wir die gleichen Filme sehen, wie sie in den umliegenden größeren Städten geboten wurden: Der blaue Engel mit Kurt Gerron und Hans Albers; Mädchen in Uniform mit Dorothea Wieck und Hertha Thiele; Friedemann Bach mit Gustaf Gründgens und Camilla Horn; Der große König mit Otto Gebühr; Es leuchten die Sterne mit La Jana; Friedrich Schiller mit Horst Caspar und Heinrich George; Der Maulkorb mit Ralph Arthur Roberts; Der Kongreß tanzt mit Lilian Harvey und Willy Fritsch.

Das alles stellt nur einen kurzem Abriß aus dem Werdegang des Filmtheaters Schuster dar. Die vielen technischen Schwierigkeiten, gerade bei Beginn dieses Unternehmens, stehen beim Betrachten im Vordergrund. Wir alle kennen dieses Filmtheater, umgebaut nach den vorhandenen Möglichkeiten. Stunden, die uns aus dem Alltag hoben und oft genug auch Erlebnisse und Begebenheiten aus aller Welt vermittelten, kehren in die Erinnerung zurück. 1945 hatte auch das sein Ende. Der Seniorchef konnte sich mit dem Los der Vertreibung, herausgerissen aus seinem Lebenswerk, nicht mehr abfinden. Sein einziger Wunsch blieb, nach Hause zurückkehren zu können! Er starb vor Vollendung seines 80. Lebensjahres in Mügeln (Kreis Oschatz). Sein Sohn ging mit seiner Familie nach dem Westen. Er lebt mit seiner Frau in Braunschweig. Seine beiden Kinder sind verheiratet und leben in München. Das Filmtheater in Lüben steht noch heute und wird von den dort lebenden Polen besucht.
S/red in LHB 13/1963. Wer verbarg sich hinter dem Kürzel S/red? Schuster und die Redaktion?