Großvaters Feldpostbrief Nr. 8 aus dem Jahr 1945














Feldpostbrief Großmutter und Mutter waren am 28. Januar 1945 mit uns Kleinstkindern aus Lüben geflohen. Ihr Weg führte sie über Liegnitz, Görlitz nach Taucha bei Leipzig. Dort lebte seit ihrer Eheschließung 1941 Charlotte, eine Enkelin der Urgroßmutter Louise Stein, Tochter von Emma Marklowsky, d. h. Großmutters Nichte, Mutters Cousine. In der winzigen Zweizimmerwohnung, in der die Familie mit den beiden Töchtern Ursula und Hannelore lebte, hatten weitere vier Menschen einige Tage Unterkunft gefunden, bevor sie eine Wohnung in Leipzig zugewiesen bekamen. Von Bekannten in Görlitz hatte Großvater davon Kenntnis erlangt und konnte davon ausgehen, dass seine Familie in Taucha seine Feldpostbriefe erhielt. Er selbst hatte bis zu diesem Tag keine Post von ihr erhalten.
Feldpostbrief
Streckenbach, 26.2.45
Meine inniggeliebte Mama!
Auch heute will ich mit einigen Zeilen
Deiner gedenken. Wenn ich auch von Dir
noch keine Post erhalten konnte, so hoffe
ich aber, daß ich doch mal einen lieben
Gruß erhalten werde. Man darf gar
nicht an all das Unglück denken. Letzten
Montag waren wir wieder in
Landeshut und Kauffung. Wir laden
auf unser großes Auto stets 100-120 Ctr.
Munition . Übrigens traf ich in Landeshut
gestern den Licht-Lange mit Frau.
Staunten auch über mich. Beide waren
auch sehr niedergeschlagen und woll-
ten nach Hohenelbe. Liebste Mama, wenn
ich dich mal so treffen könnte, ich glaube
ich erdrückte dich vor Freude. Leider
hatten wir jetzt sehr schlechtes Wetter. Du
müßtest sehen, wie dreckig wir sind.
Heute fahren wir nicht weg, da wir
am Auto eine Reparatur hatten. Mir
tun die vielen Flüchtlinge bei diesem
Wetter leid. Was soll daraus nur werden?
Ich bin mit meinen Gedanken nur bei Dir.
Ich zweifle auch nicht daran, daß dies auch
bei Dir der Fall ist. Nur habe ich Bedenken
um Eure Verpflegung, denn Ihr müßt
bestimmt sehr knapp damit sein. Für die
mir damals mit gegebene Marmelade liebe
Mama danke ich dir noch heute. Gottseidank
hatte ich diese noch gegessen, ehe die Russen
alles bekamen. Nur all die anderen Sachen
tun mir leid. Vielleicht kann ich Dir mal
alles mündlich erzählen. Zu sagen haben
wir uns viel. Bitte hab mich nur weiter
so lieb und wir ertragen alles leichter.
Bleib hübsch gesund u. sei für heute tau-
sendmal geküßt von deinem Dich liebenden
Papa.
Grüße und Küsse auch an Ulla,
Lottel und die kleine Gesellschaft.

An der Längsseite:
Was machen Schefflers?
Habt Ihr von den Gröditzern schon was gehört?
Gute Nacht mit einem ganz herzlichen Kuß. Papa