Großvaters Feldpostbrief Nr. 12 aus dem Jahr 1945














Feldpostbrief Bernsdorf Krs. Frankenstein 23.3.45

Mein liebes Frauchen!
Leider hat die Feldpost mich noch nicht
gefunden, aber nur Geduld, es wird schon
werden. Daß mein liebes Frauchen ge-
schrieben hat, daran zweifle ich nicht, weiß
ich doch nur zu gut wie gewissenhaft Du
darin bist, zumal an dein lieb. Männchen!
Mir geht es gesundheitlich gut, war aber
dieser Tage sehr erkältet. Da jetzt aber die
Sonne scheint und alles schön trocken ist, den-
ke ich, daß nun der Frühling naht. Nun
sind wir schon 2 volle Monate von ein-
ander. Wann mögen wir uns nur wie-
dersehen? Wenn wir auch alles verloren
haben, wollen wir doch Gott bitten, daß er
uns alle wieder zusammen kommen läßt.
Daß nun auch Leobschütz* dasselbe Los
trifft, tut mir leid. Wo mag Anna nur
sein. Eine solche schöne Zukunft hatten wir
uns nicht verdient. Es scheint auch, als

* Die Kreisstadt, in der er seinen Beruf gelernt hatte.

Feldpostbrief wenn nichts mehr zu retten wäre.
Wo sollen nur die vielen Evakuierten
hin, und wie sollen die armen Men-
schen verpflegt werden. Wie gern nur
möchte ich wissen, wie es Euch in dieser
Beziehung geht. Hat Ursel von Schorsch* Nach-
richt? Lottel von Werner? All dies beschäftigt mich
täglich. Wenn ich auch in Gedanken stets
bei Euch bin, lieber wäre ich meine liebste
Mama ganz bei Euch. Heute besuchte mich
der Gröditzer Sattler Zuward , Du weißt schon,
der aus Ober-Zauche. Bunzel Gerhard und
Hein Willi sind schon weggekommen, wahr-
scheinlich zur Infanterie. Kullmann Erich
will mich auch noch besuchen. Diese Volks-
sturmleute sind noch in Civil und liegen
in den rückwärtigen Dörfern und müssen
dreschen Wir fahren immer noch Munition. Auch
öfter in der Nacht, sind kaum gegen
3 Uhr heim. Mag dies alles sein, wenn

* Ursel=Tochter Ursula, Schorsch=Schwiegersohn Georg

Feldpostbrief man nur wüßte, wielange dies so
gehen soll und wann wir wieder
zu unseren Lieben dürfen. Du kannst
Dir denken, wie ich auf Deine lieben
ersten Zeilen warte. Wie sieht es
in Taucha aus? In Dresden muß es
ja schrecklich sein. Was mag nur die
Dresdener Tante machen und Elly. Hoffentlich
bleibt Ihr weiter verschont. Heute ist auch
Herr Seidel aus Lüben /Wehner Tischlers Schwie-
gersohn zu unserem Haufen gekommen.
Hast Du meine Post so einigermaßen
erhalten und wie lange geht selbige?
Habt Ihr von Fischers und von Emma mal
was gehört? Hoffentlich kann ich
mit einem lieben Briefe von Dir, meine
liebe gute Mama bald rechnen.
Für heute tausend Küsse dir liebste
gute Mama, Ursel, Lottel und den lieben
Kleinen Dein getreuer Papa