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Konrad Klose, Geschichte der Stadt Lüben, Verlag Kühn Lüben, 1924, S. 74/75
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an den Hof Friedrichs II. nach Liegnitz. Er fand dort wenig Ver-
ständnis für die Ideen, welche sein Herz erfüllten. Der Herzog
stand der neuen Lehre ablehnend gegenüber. Daher benutzte
Schwenckfeld diese Zeit, sich in die Bibel zu vertiefen und die neu
erscheinenden reformatorischen Schriften zu studieren. Er lebte
abwechselnd in Liegnitz und Ossig, bis er 1521 eines Gehörleidens
wegen gänzlich aus dem Hofdienst schied, um sich der Bewirtschaf-
tung seines Stammgutes zu widmen. In seinem Heimatdorfe
wurde ihm der dortige Pfarrer Andreas Arnold, den er vermut-
lich nihct lange vorher dorthin berufen hatte, ein vertrauter
Freund. Mit ihm pflegte er intime Aussprache über das, was
beider Herzen bewegte, zu halten. Arnold war ein Lübener Kind
und Inhaber eines Altarministeriums in der Stadtpfarrkirche 311),
das er im Frühjahr 1521 aufgab. Ob dieser Verzicht irgendwie
mit Arnolds Hinneigung zu der neuen Lehre in Zusammenhang
gestanden hat, ist nicht zu ermitteln; ebenso fehlen direkte Zeug-
nisse dafür, daß Arnold seine Familienbeziehungen in Lüben zur
Verbreitung reformatorischer Gedanken benutzt habe. Immerhin
darf man es vermuten, zumal in der Arnoldschen Familie die
schwenckfeldische Richtung lange Zeit herrschend gewesen ist. Ein
Andreas Arnold gehörte zu den Lübener Bürgern, die Frie-
drich III. am 4. Oktober 1550 wegen Begünstigung des Schwenck-
feldertums verhaften ließ; ein Noah und ein Jochen Arnold
werden 1561-1563 im Taufregister wegen Abendmahlsenthaltung
gerügt; sie waren zweifellos schwenckfeldisch gesinnt. Da der
Ossiger Pfarrer Andreas Arnold bereits 1522 nach Oels über-
siedelte, wird man seinen Einfluß auf die Gestaltung der kirch-
lichen Verhältnisse seiner Vaterstadt nicht allzu hoch anschlagen
dürfen.
Übrigens bedurfte Schwenckfeld nicht erst der Arnoldschen
Vermittlung, um Eingang in Lüben zu gewinnen; er hatte noch
andere Beziehungen zu den einflußreichen Persönlichkeiten der
Nachbarstadt. Ehrhardt hat in seiner Presbyterologie eine Notiz
aufbehalten312), welche meldet: "Do das Evangelion nach der
Schlesien quahm, war Err Cuntz Nostitz alter pfarr zu Lüben
und Dumherr in Liegnitz. Er hatte mit Caspar Schwenck-
feldt gutte Bekanntschaft, der Ihn auch zum Evangelio bracht hat,
vnd oft vor ihm gepredigt in der pfarckirchen. Err Cuntz war
alt vnd des predigens vnmächtig wegen schweche vnd nahm doher
einen Magister von Wittenberg, Eren Michel Agrikel, zum

311 Rep. 3 L.B.W. Nr. 859. Urkunde vom 13.5.1521, cf. auch
Corpus Schwenckfeldianorum Vol. I Leipzig 1907. Über Arnold äußert
sich Schwenckfeld an Heß am 14.10.1521 und 13.6.1522.
312 Ehrhardt IV S. 73 ff. Er übernahm diese Notiz, aus einem
Manuscript des Friedrich Sculteti 'Miscellanea variar. rer. Evangelii
causa gestarum in Sylesia'.
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