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Konrad Klose, Geschichte der Stadt Lüben, Verlag Kühn Lüben, 1924, S. 90/91
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Wortts Gottes vnd dem h. Sakrament nicht allein wenig, sondern
auch spottlich vnd vnchristlich halten, vnd stehen darauf, wie
Schwenckfeld klar schreibt, vnd sie bekennen: Man konndte wol
on die Predigt vnd on die h. Tauff vnd abendmal selig werden;
derhalben enthalten sie sich auch davon in ihrem Leben vnd
wenden dann mancherlei entschuldigung für, die doch nichts vnd
eitel seind. Doch wenn sie fühlen, das der Tod herbeikompt,
schicken sie nach einem Diener vnd gebenn für, sie begeren des
Herrn abendmal, welches doch ihr ernst nicht ist, wie denn solches
ihr Lehre genügsam ausweiset, ja wie auch etliche freventlich
dürffen sagen: Es sei einem kranken besser, das er eine warme
biersuppe empfahe, denn des Herrn abendmal. Auch beweisen das
die Exempel derer, die an den ortten krank seyn vnd sterben,
da Schwenckfeldische lehrer seyn, dieselben begeren nicht einmall
das Abendmahl sondern sterben on dasselbige immer dahin auff
ihren Glauben. Aber wo sie vnter Christen wohnen, da stellen
sie sich, wenn das stündlein schier kompt, als begerten sie des
Abendmahls, vnd das thun sie nur darumb, daas man sie erlich wie
andere Christen begraben solle, damitt, so man sie anders wohin
begrübe, sie nicht ihrer erlichen freundschafft ein Hohn theten, wie
denn edliche bekand vnd ich von alden ehrlichen Predikanten gehort
habe."
Auch die Bemerken Rosentritts im Taufregister lassen Streif-
lichter auf die kirchliche Stellung der Lübener schwenckfeldischen
Kreise und zugleich auch auf die Art des Kampfes fallen, den der
energische Pfarrer gegen sie eröffnete. Entsprechend den Bestim-
mungen des Mandats Friedrichs II. gegen die Wiedertäufer und
Sakramentierer von 1534 stellte Rosentritt mit den Vätern, welche
persönlich die Taufe der Kinder nachsuchen mußten, ein Examen
an, das sich auf die Elemente der christlichen Erkenntnis, die Teil-
nahme an Gottesdienst und Abendmahl, die Lebensführung und
anderes erstreckte. Die Resultate der Prüfungen fixierte er in
kurzen Notizen. Er begnügte sich mit der Kenntnis der einfachsten
Katechismuswahrheiten, fand aber nur wenige, denen er das
Zeugnis geben konnte: ein gut unterrichteter Mann. Solche,
welche z. B. nicht die Hauptstücke des Katechismus kannten oder
den Namen des Erlösers nicht anzugeben wußten, bestellte er sich
zu weiterer Unterweisung auf sein Zimmer, falls nicht der in
seiner Unwissenheit bloßgestellte Taufvater es vorzog, sich selbst
zum Unterricht anzumelden.
Unangenehmer wurde die Situation, wenn Rosentritt die
Lebensführung des die Geburt eines Kindes meldenden Vaters
unter die Lupe nahm und auf gewisse wunde Punkte seinen
Finger legte. Der Tuchknappe Nickel Sauer wurde zurecht ge-
wiesen, weil er der Anstifter aufrührerischer Bewegungen unter
den Tuchbereitern gewesen war; Paul Sigritt wurde vorgehalten,
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daß er auf der Kirmes Mallmitz getanzt und gesprungen, dem
Stellmacher Velten Grusche, daß er das Trinken nicht lasse und
dergleichen mehr. Einen heftigen Auftritt hatte der Pfarrer mit
dem Vogelkönig von 1566, Philipp Sinner, der während des
Gottesdienstes sich im Bogenschießen geübt hatte. Er entschuldigte
sich damit, daß er von etlichen Zechkumpanen dazu gereizt und
gedrängt worden sei.
Besonders sorgfältig kontrollierte Rosentritt den Abend-
mahlsbesuch, weil er dabei die Schwenckfelder am ehesten fassen
konnte. Die meisten verstanden es freilich, ihre Sakraments-
enthaltung mit unverfänglichen Gründen, z. B. mit häuslichen
Geschäften, Streitigkeiten mit dem Schwiegersohne, öffentlicher
Tätigkeit u. dergl., zu motivieren, versprachen auch wohl bessere
Erfüllung ihrer kirchlichen Pflichten, um sich allen Weiterungen
zu entziehen. Aber Rosentritt ließ sich damit nicht abspeisen. Er
wußte durch kirchliche Zuchtmittel die Erfüllung der vielleicht
nicht sehr ernst gemeinten Versprechungen zu erzwingen. Die
Taufe hat er wohl niemals versagt, wohl aber schloß er öfter
Gemeindemitglieder von der Patenschaft aus, z. B. den alten Stadt-
schmied Hans Kleber und die Guhlauer Scholzenfrau, die
notorische Schwenckfelder waren. Auswärtige Paten mußten sich
über ihr Glaubensbekenntnis verhören lassen, auch ein Herr
Friedrich von Schweinitz, der des Schwenckfeldianismus verdächtig
war. Darüber kam es zu einem heftigen Zusammenstoß zwischen
dem Pfarrer und dem Bauherrn Jakob Finster, der den Kavalier
zu Gevatter gebeten hatte. Die Sache ging bis an den Herzog,
der dem Pfarrer Recht gab. Rosentritt publizierte schließlich eine
Ordnung betr. Zulassung zur Patenschaft, nach welcher künftig
alle diejenigen davon ausgeschlossen werden würden, die in
Trunksucht, Unsittlichkeit und anderen offenbaren Lastern lebten.
Auch vor dem stärksten kirchlichen Zuchtmittel, der Exkommu-
nikation, schreckte Rosentritt nicht zurück. Ihr verfielen ausge-
sprochene Schwenckfelder, die sich wenig daraus machten, und
solche, die gegen das sechste Gebot gesündigt hatten, namentlich
wenn es im Wiederholungsfalle oder in besonders schamloser
Weise geschehen war. Die Betroffenen taten wohl zumeist sobald
als möglich Kirchenbuße, um die Aufhebung der Strafe zu be-
wirken. Ein besonderes Verfahren schlug der Pfarrer bei den
Abendmahlsverächtern ein, sei es daß die schwenckfeldische Gesin-
nung sie dazu machte oder Herzensroheit und Gottentfremdung.
Er führte über diese Kirchkinder eine besondere, streng geheim
gehaltene Liste, aus der sich die Geistlichen, welche die Beichte
hörten, orientieren konnten. Überdies machte er von der Kanzel
wiederholt solche Sünden und Laster namhaft, die den, der darin
beharrte, vom Abendmahl ausschlössen. Wollte nun ein solcher
das Sakrament empfangen - und das geschah zumeist auf dem