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Konrad Klose, Geschichte der Stadt Lüben, Verlag Kühn Lüben, 1924, S. 214/215
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nern doppelt soviel Brachacker zu Brachheu gewährt hatte621), als
sonst üblich war. Immer blieb aber auch hier in den Herzen der
Insassen des entlegenen Dorfes der Eindruck zurück, daß ihr
Wohlergehen dem Könige am Herzen liege.
Wiederholt ließ sich Friedrich von dem Ausfall der Ernte
und von den Witterungsverhältnissen berichten. So fragte er
am 3. September 1774 den Bürgermeister Sucker: "Wie war die
Ernte in der hiesigen Gegend, gut oder schlecht?" - "Mittel-
mäßig", lautete die Antwort, "das Dorf Braunau hat totalen
Mißwachs erlitten." - "Wem gehört dasselbe?" - "Einem ge-
wissen Kretschmer." - Ein ander Mal622) wandte er sich an den
Landrat von Nickisch mit der Frage: "Wie ist die Ernte ausge-
fallen?" - "Reichlich, nur der Weizen ist verregnet." - So, hat
es hier geregnet?" - "Bisher alle Tage; Ew. Majestät bringen
schönes Wetter mit". - Schroff schnitt der König sofort die
Schmeichelei ab: "Ich kann das Wetter auch nicht machen".
Mitunter waren es gleichgültigere Dinge, z. B. Personal-
angelegenheiten, die während des kurzen Aufenthalts in Lüben
zur Sprache kamen. Am 16. August 1782 entspann sich zwischen
dem Könige und dem Kreislandrat folgendes Gespräch: "Wer ist
Er?" - "Landrat von Nickisch." - "Warum trauert Er?" -
"Ew. Majestät haben das Anlegen der Trauer befohlen." - "Ich
habe Ihn im schwarzen Rock nicht gleich erkannt. Wer hat denn
das Württembergische Palais gekauft?" - "Hauptmann von
Bansdorff vom Bosseschen Dragoner-Regiment." - "Was will
denn der mit dem Hause machen?" - "Er hat einen Prozeß mit
seinen Untertanen." - "Wem gehört das der Hauptwacht gegen-
überliegende Krockowsche Haus?" - "Der Ratskellerpächterin
Gollsch." - "Wem gehört Kunitz?" - "Einem Herrn von Stange,
es ist eine schlesische Familie." - "Nein, das ist keine schlesische
Familie, ich kenne sie nicht." - "Die Familie ist in der Haynauer
Gegend ansässig." - Am 1. September desselben Jahres zog der
König den Oberamtmann von Seidlitz ins Gespräch: "Ist hier
Regen gefallen?" - "Ja, wäre er nur eher gekommen." - "Wie
weit ist es noch bis Freystadt?" - "7 1/2 Meile." - "Wer be-
wohnt das Krockowsche Haus?" - "Oberst von Mahlen." - "Was
ist dort für ein Haus, wo das Schilderhaus steht?" - "Das ist
die Post." - "Ist hier bekannt, ob für den Prinzen von Würt-
temberg hier Vorspann bestellt ist?" - "Hier ist von der Durch-
reise eines württembergischen Prinzen nichts bekannt. Meinen
Ew. Majestät Prinz Eugen von Württemberg?" - "Nein, Prinz
Friedrich, der hier in Garnison gestanden hat." - "Von seiner
Reise ist hier nichts bekannt." - "Wie hat sich der Prinz hier
verhalten?" - "Se. Durchlaucht sind sehr gnädig gewesen." -

621 2.9.1783.
622 16.8.1784.
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Der König flüsterte dem ihn begleitenden Oberst von Möllendorff
einige unverständliche Worte zu623) und sagte, als die Pferde
anziehen wollten, zu den Leuten: "Tretet vom Wagen zurück und
nehmt euch vor den Pferden in acht!" Dann fuhr er davon.
Zum letzten Mal weilte der greise König am 29. August 1785
in Lüben. Zwei Fleischer aus der Stadt beschwerten sich bei ihm,
daß sie schlechte Nahrung hätten. Schon im vorangegangenen
Jahre hatten die Tuchmacher die gleiche Klage erhoben. Bezüglich
der Fleischer wurde ihm erklärt, daß sie selber Schuld an ihrem
geringen Umsatze trügen. Sie wollten lediglich in ihren Häusern
feil halten, nicht in den neu erbauten Fleischbänken, obwohl die
Fleischer selbst auf der Wiederherstellung der abgebrannten Bänke
bestanden hätten. Außerdem hätten manche nicht immer gutes
Fleisch und darum schlechten Absatz. Der König befahl dem Bür-
germeister, die Fleischer anzuhalten, daß sie gutes Fleisch führten,
und reiste weiter. Die Lübener Bürger sahen ihn nicht mehr
wieder. - Mit dem Tode des Generalleutnants von Krockow, der
am Beginn des bayerischen Erbfolgekrieges am 7. September 1778
starb, war Friedrich die Freude an seinem Lübener Aufenthalt
zerstört. Krockow hatte zu seinen Vertrauten gehört und oft am
königlichen Hoflager in Potsdam geweilt. Im Jahre 1780 nahm
Friedrich bei dem Prinzen von Württemberg in dessen Schlosse
Quartier, 1783 bei dem Generalmajor von Mahlen, der das
Krockowsche Haus am Ringe bewohnte. In den folgenden Jahren
übernachtete er überhaupt nicht mehr in Lüben.
Am 17. August 1786 schied der große König aus dem Leben.
So oft hatte er an diesem Monatstage seine Regimenter bei
Lüben besichtigt. Nun war er selbst zur großen Armee hinüber-
gegangen. Am 25. August erschien der Erlaß der Glogauer Kam-
mer, der die Landestrauer anordnete624). Für den Gedächtnis-
Gottesdienst war als Text vorgeschrieben: 1. Chron. 17, 8: "Ich
habe dir einen Namen gemacht, wie die Großen auf Erden
Namen haben".
Der Nachfolger Friedrichs des Großen, Friedrich Wilhelm II.,
war in Lüben nicht unbekannt. Wiederholt hatte er den Oheim
auf seinen Reisen begleitet. An Leutseligkeit fehlte es ihm nicht,
aber Verständnis für wirtschaftliche Fragen verriet er kaum. Als
er im Herbste 1786 seine Huldigungsreise nach Schlesien antrat,
verbat er sich alle Ehrenpforten und kostspieligen Empfangsfeier-
lichkeiten auf den Durchgangsstationen. Am 17. Oktober ward

623 Prinz Friedrich war von 1778-1781 General des Lübener
Dragoner-Regiments. Er schied wegen eines Zerwürfnisses mit dem
König aus preußischen Diensten und trat später in russische Dienste.
624 Während der Landestrauer durfte 6 Wochen hindurch weder
Orgel- noch Kirchenmusik ertönen; ebensolange waren alltäglich 3 mal
die Glocken zu läuten.