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Konrad Klose, Geschichte der Stadt Lüben, Verlag Kühn Lüben, 1924, S. 216/217
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er in Lüben625) erwartet. Der Generalmajor von Mahlen mit
sämtlichen Offizieren des Regiments und eine Anzahl Bürger
waren dem Könige entgegengeritten, um ihn feierlich einzuholen.
Um 1/4 11 Uhr traf er in Begleitung des Generalleutnants von
Götz in der Stadt ein und wurde von dem Landrat von Nickisch,
einigen adligen Herren aus der Umgegend, den städtischen Be-
hörden und der Beamtenschaft empfangen. Ein Huldigungs-
karmen wurde überreicht, das folgenden Wortlaut hatte626):
Unterthanen-Opfer
Sr. Königlichen Majestät, Friedrich Wilhelm dem Zweyten,
auf Allerhöchst dero Huldigungsreise von dem Magistrat und
Bürgerschaft der Stadt Lüben allerunterthänigst geweiht
      am 6ten Oktober 1786.
Als jüngst das große Thatenvolle Leben
Friedrichs, des Unvergeßlichen, sich schloß,
Als ihm mit nie gefühltem Herzens-Beben
Auch unsrer Wehmut treuste Zähre floß:
Da ward schon durch den tröstenden Gedanken,
Daß Er im Erben Seines Throns noch lebt,
Der schmerzlichsten Empfindung ihre Schranken
Gesetzt. - Doch unser Herz erhebt
Sich heut noch freudiger, klopft stärker dir entgegen,
Geliebtester Monarch! Wir sehn Dich itzt
Zum erstenmal als König - der zum Segen
Für uns regiert, uns liebt, uns schützt.
Es huldigte auf Deiner Königsreise
Dir schon mit Freuden mancher Unterthan -
O! nimm auch hier von unserm kleinen Kreyse
Diß Opfer unsrer Liebe gnädig an!
Hör unsre Wünsche! Die wir mit Entzücken,
Mit patriotischem Gefühl hinan
Zur Gottheit senden, um einst zu beglücken
Auch Deine schon betretne Königliche Bahn.
Heil Dir! Daß Deine Königliche Milde
Der Unterthanen Herzen sich gewinnt,
Und daß in Deiner Staaten jeglichem Gefilde
Der Patrioten froher Jubellaut beginnt:
    Es lebe Friedrich Wilhelm lange!
    Sein Unterthan zu seyn, ist Glück!
    Wir freun, vor keiner Zukunft bange,
    Uns Seiner jeden Augenblick!

625 Am 6. Oktober 1786 passierte der König bereits die Stadt, doch
wurden alle Ovationen eingeschränkt, da nur umgespannt wurde. Erst
auf der Rückreise fand die Huldigung statt.
626 Ein gedrucktes Exemplar befindet sich im Besitze der "Herren-
zeche" in Lüben. Die Überreichung des Gedichts war augenscheinlich
schon für den 6.10. in Aussicht genommen, erfolgte aber erst am 17.10.
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Ein peinlicher Zwischenfall störte den feierlichen Akt. Ein
Mann in Bauernkleidung, mit einem geröteten Gesicht, drängte
sich an den Wagen mit einem Briefe in der Hand und schrie: "Ich
bin ein armer Mann, mir ist Unrecht geschehen!" Der König
winkte ihm, den Brief im folgenden Wagen abzugeben. Dort
nahm ihn ein Lakai in Empfang und verabreichte dem Mann ein
Geldgeschenk. Derselbe behauptete, die Gräfin Haßlingen wäre
an seinem Unglück schuld, und verschwand in der Menge. Im
folgenden Jahre ereignete sich bei der Durchreise des Königs ein
ähnlicher Fall. Am 4. September 1787 überreichten ihm in
Lübenwalde drei Bauern, vier Gärtner und die Tochter des
Försters aus Gläsersdorf Bittschriften. Der anwesende Guts-
herr Graf d' Haussonville bemerkte: "Majestät dürfen den Leuten
nichts glauben; die Sache ist von der Regierung entschieden". Der
König wies die Bittsteller zur Ruhe und befahl dem Kutscher,
schnell weiter zu fahren. Der Graf ließ die Försterstochter in
Halseisen hängen, die Bauern und Gärtner in den Stock legen.
Vielleicht boten diese und andere Vorkommnisse den Anlaß, das
Überreichen von Bittschriften an den Relaisstationen ganz zu
verbieten.
Friedrich Wilhelm II. zeigte wenig Interesse weder für die
Nöte und Bekümmernisse des kleinen Mannes, noch für die Ent-
wicklung der Kleinstadt. So oft er durch Lüben kam, fragte er,
wer das Krockowsche Haus bewohne, und wem das Württember-
gische Schloß
gehöre, nach anderem erkundigte er sich nicht. Auch
die Revue hielt er in späteren Jahren nicht mehr ab, sondern
überließ sie dem Inhaber der niederschlesischen Inspektion.
Die Erinnerung an die Besuche des "alten Fritz" mag noch
lange im Herzen der Lübener Bürger lebendig geblieben sein,
bis dann die Kämpfe der napoleonischen Zeit die stolze
friedericianische Epoche je länger je mehr zurücktreten und in
Vergessenheit geraten ließen.