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Konrad Klose, Geschichte der Stadt Lüben, Verlag Kühn Lüben, 1924, S. 244/245
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selbst aus einzelnen Kantonnierungen der Verbündeten hatten sich
Menschen in Massen um das Lager versammelt, die über dem
Frohsinn der Soldaten das eigene Leid vergaßen. Freilich die
Patrioten empfanden das Gepränge dieser Feier besonders
schmerzlich. Das Feuerwerk zeigte am Schluß den kaiserlichen
Namenszug, der unter einem Raketenregen erlosch.
Diesem Tage des Jubels folgten fünf Ruhetage, an denen
die Mannschaften ausgeschickt wurden, um die Ernte auszudreschen
und auf vorgefundenen Fuhrwerken mitzuschleppen. Am 13. August
wurde das Lazarett mit einer beträchtlichen Anzahl Kranker nach
Dresden überführt; alle auswärts befindlichen Leute mußten bis
zum 14. im Lager sein. Die Munition wurde ergänzt; jeder Mann
erhielt 50 Patronen, die Regimenter Handmühlen zum Mahlen
des Getreides. In der Morgenfrühe des 15. gingen alle ent-
behrlichen Fuhrwerke nach Torgau. Am gleichen Tage erhielt
Marchand Befehl zum schleunigen Abmarsch. Stockhorn hatte
schon früh morgens Armatur und Material bei seiner Brigade
in Ordnung, und als um 2 Uhr der Befehl zum Abmarsch erging,
konnten die Badenser nach Fassung des Mundbedarfs gegen 5 Uhr
aufbrechen. Bei den Hessen waren am Nachmittage noch viele in
der Stadt und den Nachbardörfern zerstreut, als plötzlich Trom-
melwirbel und Hornsignale alles zu den Fahnen riefen. Da gab
es vorerst ein gewaltiges Durcheinander657). "Der größte Teil
der Mannschaft, der im Lager zurückgeblieben war, stand schon
unter Waffen, oder eilte, einer den andern anrennend, zu seiner
Fahne, die bereits vor das Lager in die Linie gebracht worden
war. Im Galopp flogen die Kommandeurs durch die Reihen,
nahmen vom General das Kommando und gaben es weiter, das
sodann schallend durch die Abteilungen drang. Im Trabe stürmte
die Bespannung der Artillerie daher, die im Nu angeschirrt und
zum Abmarsch bereit stand. Der Troß der Bedienten und
Offiziersburschen rannte bunt durcheinander; hier hatte einer
noch etwas für seinen Herrn vergessen, dort wollte ein andrer die
noch vorrätigen Speisen nicht im Stiche lassen. Doch ehe eine
halbe Stunde verging, setzte sich bereits die vordere Kolonne in
Marsch, und unsere erste Bewegung war eine rückgängige, quer-
feldein, das Städtchen links lassend, und in Schlachtkolonnen for-
miert. Ein Knistern wie Feuer, dann gelbe Rauchwolken, aus
denen bald, durch den Ostwind getrieben, helle Flammen sichtbar
wurden, verkündigten den Brand des badischen Teils des Lagers,
der auf höheren Befehl angezündet war, der unsere blieb stehen.
Bald darauf drangen entfernt, dann immer näher, einzelne
Kanonenschüsse zu unsern Ohren, die uns außer Zweifel ließen,
daß die Feindseligkeiten wieder begonnen hatten. Blücher hatte
das Ende des Waffenstillstands nicht abgewartet. Unsere Kolon-

657 Kösterus a. a. O.
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nen machten bei Steudnitz halt und fanden dort die Division
Charpentier vom 11. Korps im Biwak. Sie war in Liegnitz
überfallen worden. Von ihr erfuhren wir, daß kaum 1/2 Stunde
nach unserem Abmarsch das Sackensche Korps in unserm Lager
eingedrungen war658)."
In Lüben herrschte nach dem Abzug der Feinde eine ganz
ungewohnte Stille. Wieder wie im Frühjahr harrte man der
kommenden Dinge, und wieder kam nach Tagen des Hoffens der
Rückschlag. Am 22. August ward bekannt, daß der Feind wieder
nahe, am 23., daß er in Liegnitz eingerückt sei, und bald erschienen
einige Liegnitzer Bürger als Abgesandte des Herrn von Cloß-
mann, um eine Privatangelegenheit desselben zu regeln. Schuster
meint freilich, Cloßmann habe nur erkunden wollen, ob die Luft
um Lüben rein sei, um "nach einer reichlichen Ernte noch einen
Nachrechen zu halten". Man ließ ihn aber wissen, daß sich Kosacken
in der Nähe sehen ließen, so blieb er fern. In banger Erwartung
durchlebte man die folgenden Tage, ohne etwas von dem zu er-
fahren, was einige Meilen von der Stadt sich zutrug. Vom 26.
bis 28. August regnete es in Strömen, drum vernahm man nicht
den Donner der Geschütze von der Katzbachschlacht. Am 278. wurden
einige 60 Gefangene eingebracht, und bald darauf hörte man von
Blüchers Sieg. Damit endeten die Leiden der Stadt und der
Umgegend, die volle drei Monate unter dem Druck der über-
mütigen Feinde geseufzt hatten. Die Franzosen, welche man
hinfort zu sehen bekam, waren Gefangene, von denen ein Teil in
Altstadt untergebracht wurde. Öfter konnten noch die verbündeten
russischen Truppen begrüßt werden, deren Nachschübe die Stadt
passierten659). Außerdem erinnerten die Lazarette im Schießhause
und in der Liegnitzer Vorstadt an die Not des Krieges Das von
den Rheinbundtruppen zum Teil zurückgelassene Inventar kam
jetzt den Verbündeten zugute, doch fehlte es für die durchschnittlich
150 Kranken an allem Möglichen. Als das Etappenlazarett des
Glogauer Blockadekorps nach Rietschütz verlegt wurde, ging in
Lüben der Bestand an Kranken sehr zurück660). - Mit großer
Freude wurde die Nachricht vom Siege bei Leipzig begrüßt; das
vom Könige angeordnete Sieges- und Dankfest wurde sicherlich in
Lüben mit besonderem Jubel gefeiert661).
Der Krieg nahte seinem Ende. Am 2. Januar 1814 kehrte
die königliche Familie von Breslau nach Berlin zurück, wobei

658 Das ist irrig; die ersten Kosacken kamen am 19.8. in Lüben an.
659 Am 9.10. 23 Schwadronen Kavallerie, vom 24. bis 29. Oktober
Infanterie, im Januar 1814 4000 Mann Infanterie.
660 Vom französischen Lazarett waren 89 Bettstellen, 137 Schlaf-
säcke, 200 Bettücher, 120 wollene Decken vorhanden. Die Stadt mietete
zur Aushilfe 2 Bürgerhäuser, Charpie und Bandagen lieferte der Kreis;
die Verlegung des Etappenlazaretts erfolgte im Oktober.
661 Journal der Stadtverordneten-Versammlung.