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Konrad Klose, Geschichte der Stadt Lüben, Verlag Kühn Lüben, 1924, S. 246/247
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in Lüben Quartier genommen wurde; im Februar kam das säch-
sische Königspaar auf der Reise nach Brünn hier an, am 19. Sep-
tember König Friedrich Wilhelm III. auf der Fahrt zum Wiener
Kongreß662). Aber nicht bloß Fürstlichkeiten wurden begrüßt,
auch den heimkehrenden Kriegern wurde ein herzlicher Empfang
bereitet. So erzählt Major Dörcks663), wie er mit seinem Land-
wehrbataillon am 19. Juli 1814 in Ober-Gläsersdorf feierlich
empfangen wurde. Die Gemeinde bildete Spalier, festlich geklei-
dete Mädchen überreichten Kränze mit dem Rufe: "Willkommen,
Retter des Vaterlandes!" - Graf d'Haussonville empfing die
Soldaten im Schloßhofe; seine Tochter überreichte dem Bataillons-
kommandeur einen Blumenstrauß mit den sinnigen Worten:
"Blumen welken, aber unsere Achtung für die Verteidigung des
Vaterlandes nie". Am 20. Juli trafen die Landwehrmänner in
Lüben ein, von einer Bürgerdeputation und jungen Mädchen be-
grüßt. Letztere streuten Blumen beim Einmarsch wie beim Aus-
zuge. Dem Offizierskorps wurde "ein anständiges Frühstück" ge-
boten, die Mannschaft ward auf dem Markte mit Branntwein
und Semmel bewirtet.
Noch einmal flackerte das Kriegsfeuer empor; bei Belle-
Alliance brach der Korse endgültig nieder. Der Friede, dessen
die Völker so sehr bedurften, war gesichert. Als im Spätherbst 1815
der Kaiser von Rußland von Paris heimwärts reiste, ward ihm
in Schlesien allenthalben ein festlicher Abschiedsgruß gespendet.
In Lüben traf er in Begleitung des Fürsten Walkonsky, des
Grafen York von Wartenburg, des Generals von Hünerbein An-
fang November ein, von Behörden, Schützengilde und Bürgerwehr
festlich empfangen664).
Nur allmählich ließ sich der Schaden übersehen, den die
Kriegszeiten in Stadt und Land verursacht hatten. In wirtschaft-
licher Beziehung waren Stadt und Kreis Lüben Ende 1813
ruiniert. Trotz des fruchtbaren Sommers war wenig geerntet
worden, die Feinde hatten das Meiste mitgenommen; infolge der
unaufhörlichen Kontributionen hatte der Kreis zwei Drittel seines
Viehs und drei Viertel seines Pferdebestandes eingebüßt; Lebens-
mittel waren kaum noch aufzutreiben und außerordentlich teuer665).
Um die Verpflegung der im Kreise einquartierten Truppen zu
organisieren, hatten Kreis und Stadt eine gemeinsame Invasions-
kasse gebildet666), zu der der Kreis mit 4/5, die Stadt mit 1/5 bei-
steuern sollte. Von der Abrechnung sind nur Einzelheiten vor-
handen, die kein vollständiges Bild ergeben, wie es überhaupt an

662 Stadtarchiv Acta betr. Reisen Sr. Majestät Vol. III.
663 Schlesische Kriegstagebücher aus der Franzosenzeit 1904.
664 Acta betr. Reisen Sr. Majestät.
665 Staatsarchiv Acta betr. Zeitungsberichte.
666 Stadtarchiv Acta betr. Auseinandersetzung zwischen Stadt und
Kreis Lüben 1813/14.
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zusammenfassenden Angaben fehlt. Für Lagerutensilien liqui-
dierte die Stadt 5091 rtl., für Lazarettunkosten 6781 rtl. Was
für Lasten einzelne Besitzer zu tragen gehabt hatten, beweist eine
Nachweisung über die Kriegsprästationen vom Kämmereigut
Altstad667). Dasselbe hatte vom 1. bis 30. Juni 3 Kapitänen,
90 Subalternoffizieren, 1101 Mann, 339 Pferden Quartier geben
müssen, im Juli: 2 Kapitänen, 191 Subalternoffizieren, 1463
Mann, 494 Pferden, im August: 49 Subalternoffizieren, 673
Mann, 210 Pferden, also in 2 1/2 Monaten: 5 Offizieren, 330
Unteroffizieren, 3237 Mann, 993 Pferden. Von Oktober 1813 ab
mußte es Gefangene aufnehmen, und zwar bis September 1814:
Sa. 22 Offiziere, 21 Unteroffiziere, 209 Mann. Insgesamt be-
trugen die Einquartierungskosten 4888 rtl.; dazu kamen die sehr
erheblichen Fouragelieferungen für die Magazine in Grünberg,
Polkwitz und Lüben und die Requisitionen für die Lager bei
Lüben und Mlitsch; hierfür fehlt die Abrechnung.
Die nicht vergütigten Kriegskosten der Stadt im Jahre 1813
einschließlich der Einquartierungskosten für 66 715 Mann be-
rechnet der Kämmerer Richter668) auf 55 457 rtl. 25 sgr. 8 pf.,
zu denen er noch die 87 457 rtl. aus den Jahren 1806/08 hinzu-
rechnet. Wenn je die Schuldenlast der Stadt so hoch gewesen sein
sollte, ist sie jedenfalls durch fiskalische Zuschüsse sehr erheblich
vermindert worden, denn im Jahre 1818 betrugen die Kommunal-
schulden 39 943 rtl.669). Immerhin hat es Jahrzehnte gedauert,
bis sich die Stadt von den Wunden, die ihr der Krieg geschlagen
hatte, erholte.

667 Stadtarchiv Acta betr. die Liquidation und Bonifikation der
Kriegsprästationen bei den Kämmereidörfern.
668 Knie, Geogr. Beschreibung von Schlesien 1832.
669 Neue Provinzialblätter VI 137.