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Konrad Klose, Geschichte der Stadt Lüben, Verlag Kühn Lüben, 1924, S. 256/257
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hauses noch zur Unterhaltung eines Lehrers verpflichtet sei. Die
Stadtverordneten beschnitten daher die vom Bürgermeister ge-
machten Zugeständnisse sehr erheblich und erhoben erneut Be-
schwerde über dessen eigenmächtige und der Einsicht entbehrende
Stadtverwaltung.
So war die Initiative in der Kommunalverwaltung
der Stadtverordneten-Versammlung zugefallen. Das scheint
lange gewährt zu haben, zumal von 1821 an die Bürger-
meister sehr rasch wechselten. Schwerere Konflikte traten
jedoch nicht ein. In den Jahren 1820 bis 1845 erlahmte
das Interesse an den öffentlichen Angelegenheiten; die Sitzungen
der Stadtverordneten fanden oft in großen Zwischenräumen statt.
Um die Bürgerschaft mehr für die städtischen Angelegenheiten zu
interessieren, wurde im Stadtblatt angeregt, die Beschlüsse der
Stadtverordneten zu veröffentlichen677), und der Magistrat machte
bekannt678), daß er künftig Berichte über allgemein interessierende
Fragen der Stadtverwaltung veröffentlichen werde. Es geschah
aber nicht; nur die Tagesordnung der Stadtverordnetensitzungen
wurde gelegentlich bekannt gegeben. Das Jahr 1848 stellte seine
demokratischen Forderungen auch den städtischen Behörden. Die
Öffentlichkeit der Stadtverordnetensitzungen wurde verlangt. In
Lüben tagten die Stadtväter am 6. Mai zum ersten Male vor dem
Publikum unter allerlei Notbehelf. Die Sitzung fand in einem
Schullokal statt; durch Pulte hatte man den Sitzungsraum vom
Zuhörerraum geschieden. Erst im folgenden Jahre gelang es,
im Rathause einen Raum zu schaffen, der den veränderten Ver-
hältnissen entsprach679).
Eine einschneidende Änderung erfuhr die Stadtverwaltung
durch die Gemeindeordnung vom 11.3.1850. Sie wurde wie
alles Neue mit Protest begrüßt, bedeutete aber eine zeitgemäße
Reform der Städteordnung. Die jährlichen Neuwahlen eines
Drittels der Stadtverordneten hörten auf, dafür wurden die drei
Abteilungen geschaffen, von denen jede 6 Stadtverordnete zu
wählen hatte. Die Zahl der Vertreter wurde allerdings auf 18
reduziert. Die neuen Stadtverordneten, welche am 6. April 1852
vom Bürgermeister Krause durch Handschlag verpflichtet wurden,
waren 1. Kaufmann Böhm, 2. Kaufmann Thies sen., 3. Mühlen-
besitzer Dienst, 4. Gutsbesitzer Gollnisch, 5. Gasthofbesitzer Jüng-
ling, 6. Konditor Schütze, 7. Apotheker Knobloch, 8. Partikulier
Küntzel, 9. Bäckermeister Schorske, 10. Schuhmachermeister Metz-
dorf, 11. Sattlermeister Brendel, 12. Tuchfabrikant Bäsler,
13. Seifensieder Schütze, 14. Partikulier Schaudienst, 15. Kunst-

677 15.3.1845.
678 25.11.45.
679 Am 24.10.49 wurde das neue Sitzungslokal in Gebrauch ge-
nommen.
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gärtner Schwabe, 16. Seifensieder Bauer, 17. Zimmermeister
Kleinert, 18. Schornsteinfegermeister Wucherpfennig. - Einige
Mitglieder traten später als Ratmänner in den Magistrat ein,
dessen Neuwahl hinfort alle 6 Jahre erfolgte. Er setzte sich aus
folgenden Persönlichkeiten zusammen: 1. Bürgermeister Krause,
2. Beigeordneter Kämmerer Röhrich, 3. Partikulier Küntzel (Bau-
wesen), 4. Kunstgärtner Schwabe (Kämmereigüter und Prome-
naden), 5. Kaufmann Thies (Hospital- und Armenwesen),
6. Schornsteinfegermeister Wucherpfennig (Einquartierungs- und
Feuersozietätswesen), 7. Kaufmann Ismer (Sicherheitsanstalten),
8. Partikulier Schaudienst (Marktstandsgelder).
Der Verwaltungsapparat wurde auch sonst in manchen
Stücken geändert. Der Kämmerer gab die Gemeindeeinnehmerei
an den hierfür berufenen Vizewachtmeister Hartwig ab. Das
Polizeisekretariat wurde in ein Kommissariat umgewandelt; die
Deputationen wurden neu geregelt, da manche überflüssig ge-
worden war. Es bestanden hinfort: 1. Armendeputation, 2. Forst-
und Ziegeleideputation, 3. Baudeputation, 4. Hospital-, 5. Servis-
und Einquartierungs-, 6. Sicherheits-, 7. Einkommensteuer-,
8. Kämmereigüter- und Promenadendeputation.
Der verdiente Bürgermeister Krause, der das Vertrauen der
Bürgerschaft in hohem Maße genoß, erlag am 15. Februar 1853
im rüstigen Mannesalter einem Schlaganfall. Der Nachfolger,
Bürgermeister Schätzel aus Wohlau, wurde nicht bestätigt; Bürger-
meister Gleiß aus Bernstadt übernahm nach Jahr und Tag die
Leitung der Geschäfte. Er hatte während seiner Amtsdauer mit
vielen Schwierigkeiten zu kämpfen. Die Stadtverordneten etablier-
ten, geleitet von einer einflußreichen Clique, eine Art Neben-
regiment und machten dem Magistrat das Leben schwer. Die
Beschlüsse waren nicht selten von philiströser Engherzigkeit und
Kleinigkeitskrämerei diktiert. Wenn die Schwabe-Priesemuth-
Stiftung nicht nach Lüben kam, lag es in letzter Linie an der
Kleinlichkeit, mit der die Stadtverordneten die Angelegenheit be-
handelten. Auch in späteren Jahren ward gelegentlich der ent-
scheidende Augenblick verpaßt, weil man nicht verstand, zur rechten
Zeit Opfer zu bringen und an die Zukunft zu denken.
An bedeutungsvollen Momenten für die neuere Organisation
der Stadtverwaltung seien hervorgehoben: Das Polizeikom-
missariat (Voß, Worbs, Kressin), die Verleihung des Titels
"Ratsherr" an die Mitglieder des Magistrats am 24. Februar
1865, die Gehaltsregulierung für die städtischen Beamten vom
1. Januar 1875, vom 1. April 1898 und vom 1. April 1900, die
Vermehrung der Zahl der Stadtverordneten auf 24 am 1. Januar
1895, die Umwandlung des Kämmererpostens in ein Stadtsekre-
tariat im Jahre 1904, die Errichtung eines Stadtbauamtes 1907
(Thomas).