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Konrad Klose, Geschichte der Stadt Lüben, Verlag Kühn Lüben, 1924, S. 292/293
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wünschte nun den Pastor Hennig aus Klein-Ausker, während die
Kammer den Pastor Hensel aus Hummel berief und darauf
beharrte. Nach Hensels Tode 1773 petitionierten Senior Brun
und Archidiakonus Carstädt erneut um Einziehung des Diakonats,
um dessen Bezüge zu teilen; die Kammer lehnte den Antrag ab
und berief Siebeneicher. Dieser starb am 11. Februar 1783; kurz
zuvor am 5. November 1782 war Rektor Pirner gestorben. Die
Stadt glaubte jetzt den günstigen Augenblick gekommen, die er-
sehnte Kombination der Altstädter Pfarre mit einer städtischen
Lehrerstelle herbeizuführen. Pitthius sollte in das Rektorat ein-
rücken, der neue Konrektor Pastor von Altstadt werden. Ohne
mit der Glogauer Kammer und dem Oberkonsistorium Verhand-
lungen anzuknüpfen, wandte sich der Magistrat an den Minister
Graf Hoym702), der den Bescheid sandte, "er ließe es sich gern
gefallen, daß zu einiger Verbesserung des Einkommmens der dorti-
gen Schulmänner die Predigerstelle in Altstadt mit dem Schul-
rektorat verbunden, für jetzt jedoch aus der vom Magistrat ange-
führten Ursache das zum Konrektor zu erwählende Subjekt auch
zugleich zum Pastor in Altstadt vozirt werde, über das Diakonat
in Lüben sei allerdings bereits zugunsten des Pastors Schirmer
in Frauenhayn verfügt". Ohne diesen Umstand zu beachten,
berief der Magistrat am 17. März den Kandidaten und Hofmeister
Friedrich Großmann aus Ziebendorf, und Hoym wünschte zu
dessen Berufung am 26. März viel Glück. Inzwischen forderte
die Glogauer Kammer vom Magistrat die Ausfertigung der
Vokation für Schirmer, den sie zum Pastor von Altstadt und
Diakonus in Lüben berufen hatte, während das Oberkonsistorium
Großmann lediglich als Konrektor bestätigte. Daraufhin beschwerte
sich der Magistrat bei Hoym, und dieser verfügte am 16. April,
daß es bei seiner ersten Verfügung bleibe, das Konrektorat
sei mit dem Altstädter Pfarramt zu verbinden, Schirmer erhalte
lediglich die Diakonatsbezüge. Der Minister zog jedoch bei der
Kammer und dem Oberkonsistorium nähere Erkundigungen ein
und erfuhr nun den wahren Sachverhalt. Der Magistrat erhielt
einen kräftigen Tadel für seine falsche Darstellung der Sachlage
und Hoym erklärte, er wolle mit der Angelegenheit nichts mehr
zu tun haben; wenn der Magistrat sich in seinen Rechten ge-
kränkt fühle, möge er den Rechtsweg beschreiten. Die Kammer
drängte auf Ausfertigung der Vokation für Schirmer und forderte
sie schließlich bei 1 Dukaten Strafe. Der Magistrat rief die
Bürgerschaft zusammen, die zwar grundsätzlich die Kombination
des Konrektorats mit der Altstädter Pfarre guthieß, aber von
einem Prozeß nichts wissen wollte. Da Großmann auf die Kon-

702 Staatsarchiv Rep. 199 M. R. XIII 67 d II. Für die weitere
Darstellung sind benutzt: Stadtarchiv Acta spec. betr. Ansetzung der
Geistlichen II und III, und die im Kirchenarchiv befindliche Matrikel
von 1828/29.
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rektorstelle verzichtete, erhielt Schirmer die Vokation. Seitdem
gab die Stadt den Versuch auf, das Diakonat von der Altstädter
Stelle zu trennen. Schirmer starb 1808, der als Nachfolger in
Aussicht genommene Feldprediger Köhler lehnte ab; aus den drei
von der Kammer gestellten Probepredigern wrude Strauwald ge-
wählt, der aber 1810 nach Groß-Baudis ging. Die Liegnitzer
Regierung bestimmte wiederum drei Probeprediger, der Magistrat
brachte drei andere in Vorschlag. Die Patronatsbehörde hielt
aber an ihrem Beschluß fest, griff jedoch am 27. Oktober 1810 auf
das alte Projekt zurück, die Besetzung entsprechend dem Verhält-
nis der Einkünfte beider Stellen zu regeln, sodaß also bei jeder
vierten Vakanz der Stadt das Besetzungsrecht zustehen sollte. Die
Regierung werde dann die gegenwärtige Vakanz als zweite gelten
lassen. Damit war der Magistrat einverstanden.
Hatte die Glogauer Kammer die ausschließliche Geltung des
landesherrlichen Patronats für Lüben erstritten, so zog sie als-
bald die Konsequenzen. Bisher hatten die vom Magistrat ge-
wählten Oberkirchväter die Verwaltung des Kirchenvermögens in
den Händen gehabt und auf dem Rathause vor dem Magistrat die
Rechnung gelegt. Dies Verfahren war zweifellos eine Anomalie,
wenn es auch bei der Kirchenvisitation 1674 gebilligt worden war;
die Abnahme der Rechnung stand zweifellos der Patronatsbehörde
zu. Daher verfügte die Kammer am 15. April 1761703), daß
künftighin die Kirchenrechnung auf dem Königlichen Amte in
Lüben unter Zuziehung des Amtsjustitiars und zweier Magi-
stratsmitglieder stattfinden sollte. In gleicher Weise sei der Etat
aufzustellen, dessen endgiltige Genehmigung sich die Kammer vor-
behalte. Gleichzeitig verfügte die Kammer auf Antrag des Ober-
amtmanns Behnisch, daß das Lübener Kameralamt mit in das
Kirchengebet eingeschlossen werde (25.6.1761). Dagegen prote-
stierte der Magistrat sehr lebhaft, er empfände das als einen
"Tort und Schimpf", zumal das Kameralamt, das garnicht Patro-
natsbehörde sei, vor dem Magistrat genannt würde. Nach einer
landesherrlichen Verfügung vom 15. Juli 1652 gebühre dem
Bürgermeister in öffentlichen und Privatzusammenkünften der
Vorrang. Die Kammer erklärte kurz und deutlich: "Ihr werdet
hierdurch mit dieser eitlen Querel zur Ruhe verwiesen". Aber
die Kammer ging noch weiter. Als 1770 der Kirchenvorsteher-
posten vakant wurde, beanspruchte sie das Besetzungsrecht. Der
Magistrat widersprach, und es kam zum Prozeß, der am 16. No-
vember 1773 dahin entschieden wurde, "daß das Recht, die Kirchen-
vorsteher zu bestellen, nicht dem klagenden Magistrate, sondern
dem beklagten Kameralamte zustehe". Damit war die Stadt end-
giltig die von ihr durch Jahrhunderte geübte Pflege und Ver-
waltung des Kirchenwesens entzogen.

703 Stadtarchiv Acta betr. Kirchen- und Schulsachen I.