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Konrad Klose, Geschichte der Stadt Lüben, Verlag Kühn Lüben, 1924, S. 324/325
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Rat das gesamte zu bewältigende Pensum unter Beifügung
methodischer Richtlinien festgestellt. Die unterste (IV.) Klasse
behielt der Auditor. Für den Religionsunterricht waren die
6 Hauptstücke und bestimmte Gebetsformeln vorgeschrieben. Im
Deutschunterricht wurden im ersten Halbjahr die Buchstaben ge-
lehrt, im zweiten wurde buchstabiert und mit Kreide auf die
Tafel geschrieben, die im zweiten Schuljahre befindlichen Kinder
schrieben mit der Feder auf das Papier. Als Lehrbuch diente
eine Fibel, welche im Anhange ein lateinisch-deutsches Vokabu-
larium enthielt, aus dem die Schüler jeden Tag 2 Vokabeln zu
lernen hatten, um so einen gewissen Wortschatz zu erhalten.
Klasse III (Kantor) hatte im Latein die Formenlehre zu absol-
vieren, und zwar im ersten Schuljahre durch Memorieren der
Vocabula simplicia aus dem Vestibulum des Comenius und dem
Anhange des Donatus, im zweiten durch Deklinieren und Kon-
jugieren. Im Religionsunterrichte war die Klasse mit den
Kindern des zweiten Schuljahres kombiniert und übte Memorieren
und Rezitieren der Evangelien, ausgewählter Psalmen, der
Hauptstücke des Katechismus usw. Ziel der II. Klasse (Konrektor)
war im Lateinischen die Übung im mündlichen Ausdruck verbun-
den mit Einprägung der Grammatik. Im zweiten Schuljahre
wurden die Colloquia Helvetii und die Briefe Ciceros gelesen.
Im Religionsunterrichte wurde der lateinische Katechismus
Luthers (später der deutsche Frankfurter Katechismus) behandelt,
verbunden mit steter Aneignung von Bibelsprüchen. In der
I. Klasse (Rektor) wurde der Gebrauch der lateinischen Sprache
durch Stilübungen, Erklärung und Memorieren der Janua
latinae linguae des Comenius vervollkommnet; hinzu traten
Übungen in der lateinischen Versifikation, Elemente des Griechischen,
Rhetorik und Logik. Im Religionsunterrichte wurde das
Compendium Hutteri behandelt. Zu den Nebenfächern zählten:
Schreiben, Rechnen und Gesang. Hier wurde den Lehrern freie
Hand gelassen.
Im einzelnen wurde noch bestimmt, daß kein Schulkollege
ohne Vorwissen des Bürgermeisters verreisen dürfe, und daß er
gegebenen Falls für Vertretung sorgen müsse. Kein Lehrer sollte
ohne Vorwissen des Rektors Schüler annehmen, sondern hatte
solche, die sich meldeten, solange abzuweisen, bis sie sich hatten
einschreiben lassen. Die Lehrer wurden ferner angewiesen, ihre
Lektionen pünktlich zu beginnen und innezuhalten, die Exercitia
nicht zu Hause, sondern in der Schule zu korrigieren, um dabei
den Schülern die Fehler zu zeigen, und in den Privatstunden
keine andern Stoffe als in den öffentlichen zu behandeln. Vom
Rektor wurde erwartet, daß er in Lehre, Leben und Fleiß den
Kollegen ein Vorbild sei und dafür sorge, daß alles ordentlich in
der Schule zugehe.
Das Fundament, auf welches damit die städtische Schule
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gestellt war, hat leider nicht genügt, sie zu tragen742). Sie hat
im folgenden Jahrhundert stetig gekrankt. Den ersten Stoß erlitt
sie durch die Kirchenreduktion von 1701. Sie wurde katholisiert
und zugleich auf 2 Lehrkräfte mit ebensoviel Klassen reduziert.
Dadurch geriet sie in Verfall. Die Eltern überwiesen die Kinder
zumeist den Winkelschulen, bemittelte Bürger hielten sich Haus-
lehrer oder sandten die Söhne frühzeitig auf auswärtige Lehr-
anstalten. Wenn auch 1707 mit der Kirche die Schule zurück-
gegeben und letztere im vollen Umfange wiederhergestellt wurde,
wollte sie sich doch nicht erholen. Anscheinend war der Rektor
Johann Joachim Kretschmer ein sehr untüchtiger Schulleiter,
wenigstens gab man ihm später schuld, die Zerrüttung des Schul-
wesens verursacht zu haben. Zudem hatte man in das Kantorat
nicht einen akademisch gebildeten Mann, sondern den Tuchmacher
Christian Kretzschmer berufen, der für den Kirchendienst genügte.
Das Liegnitzer Konsistorium verlangte zwar einen Literaten, gab
aber schließlich nach. Ende 1744 verließ der Auditor Franke seine
Stelle, um nach Steinau überzusiedeln. Der Magistrat beabsich-
tigte743), dem Organisten und Mädchenlehrer Gottschling das
Auditorat zu übertragen und beide Ämter dauernd zu kom-
binieren. Er stieß aber auf Widerstand bei der Bürgerschaft und
den Pastoren. Letztere wollten die Predigthilfe des Auditors
nicht entbehren. Als auch das Oberkonsistorium das Projekt ver-
warf, beantragte der Magistrat die Aufhebung des Auditorats
wegen der geringen Frequenz der Schule und des unzulänglichen
Stellengehalts744). Die Gehaltsbezüge sollten zur Aufbesserung
der andern Stellen verwandt werden. Dieser Antrag wurde am
11. Januar 1746 vom Minister genehmigt745). Somit amtierten
an der Schule nur noch zwei wissenschaftliche Lehrer. Ihre
Leistungen gingen daher unaufhaltsam zurück, sodaß innerhalb
der Bürgerschaft lebhafte Klage geführt wurde. Um dem Verfall
der Schule zu steuern, trat im Mai eine Kommission zusammen,
welche die Klagen der Bürger und die Rechtfertigung der Lehrer
entgegennahm. Erstere bemängelten mancherlei: Die Lehrer
ließen es an der nötigen Zucht fehlen, unterwiesen die Kinder
nicht im Christentum, verwendeten zu wenig Fleiß auf Schreiben
und Rechnen, versetzten in die höhere Klasse ohne Rücksicht auf die
Leistungen, hielten die Stunden nicht pünktlich inne, gäben zuviel
Feiertage usw. Aber auch die Lehrer hatten zu klagen, vor allem

742 Für die preußische Zeit sind benutzt: Stadtarchiv, Akta betr.
Geistliche, Kirchen- und Schulsachen I, II, III. Akta betr. Kirchen- und
Schulwesen. Akta spec. betr. Berufung der Schulbedienten. - Pfarr-
archiv, Akta betr. Stadtschule Vol. I und II, und betr. höhere Bürger-
schule. - Ephoralarchiv, Kirchen- und Schulakten.
743 Stadtarchiv Akta betr. Berufung der Schulbedienten.
744 Das Gehalt betrug 17 rtl 9 sgr 7 pf.
745 Staatsarchiv Rep. 199 M. R. XIII 67 d I.