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Konrad Klose, Geschichte der Stadt Lüben, Verlag Kühn Lüben, 1924, S. 322/323
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gleich geringer Besoldung Mittel erfinden könnten. Als wir
aber hierunter so viel verstanden, daß von der Schuljugend
gar kein Didaktrum gegeben würde, welches sonsten nur
bei fürstlichen und dergleichen schulis illustribus bräuchlich, haben
wir E. Rath den Vorschlag gethan, ob nicht dadurch den
Praeceptoribus zu helfen, wann in prima, secunda et tertia jed-
weder disculpus quatembere drei, in inverioribus classibus
aber 2 sgr. geben würde, worüber kein christlicher Vater mit
Billigkeit sich beschweren könnte. Ist ad deliberandum angenom-
men, und zwar sind wir in solche Gedanken geraten, weil die
Reditus scholastici an sich selbsten schlecht genug und dennoch viel
Zweifelhaftes noch dabei vorgezeigtet worden, wie beigefügter
Extrakt Li G.740) bezeuget; stehet nunmehr dahin, ob E. Rath
ein besser Mittel finden oder Praeceptoribus bei dem alten
Salario requiescieren, oder in omnem eventum E. F. G. selbsten
deshalb vor practicabel gnädigst befinden möchten".
Zwanzig Jahre später, bei der Visitation am 8. Oktober
1674, war der Zustand noch im wesentlichen unverändert. Von
dem Schulgebäude sagt das Protokoll: "Die Schule ist sehr enge
und finster, lieget an der Stadt Mauer, weswegen auch die
Fenster lang und sehr schmall gemacht sind; hat nur ein Audi-
torium und dazu mit wenig Bänken; doch sagten die Herrn
Praeceptories, daß sie groß genug wäre, indem sie niemals den
Numerum Contenarium der Schüler erreichten". "Ihre geringen
Besoldungen sind noch wie sie in voriger Relation aufgezeichnet
worden. Sie produciren ihre leges scholasticas und designationes
operarum und erklähren sich, genau dabey zu verbleiben, wie sie
anitzo bishero gethan hätten". Schöppen, Geschworne und Bürger-
schaft beklagten, "daß von den Schul-Collegen schlechte Disciplin
bey der Schulen gehalten wurde, die Schüler tschinscherten des
Winters vor aller Leuthe Augen, zögen fast vor niemanden den
Hut ab, sie hörten sie kein Wort lateinisch reden, auf dem Chor
wieschen und plauderten sie und trieben allerley Üppigkeit, auch
in der Herren Praeceptoren Gegenwarth, ja wenn gleich einer
oder der andre nicht in die Schule käme, würde nicht einmal nach
ihm gefraget. Sie gaben aber darauf Antwort: Sie wolten
gern Disciplin halten, wenn die Eltern nur das Ihre auch dabey
thäten und ihre Kinder nicht so verzärtelten. Wie sich einer oder
der andre in Moribus aufführete, könnten sie nicht wissen, viel-
weniger ihnen in allen Winckeln nachlauffen. Sie ermahnten
sie, ehe der Coetus von einander gelassen würde, stille und
züchtig zu gehen. Daß die lateinische Sprache bei ihren Disci-

740 Pfarrarchiv Acta betr. diverse alte Sachen. Beilagen zur Kirchen-
visitation von 1654. Lit. G. betr. Schulzinsen und Kapitalien. Das
Soll beträgt 153 fl 17 gr. 4 hl, das Ist: 94 fl 1 gr 4 hl. Die Herr-
schaften von Petschkendorf, Barschau, Dittersbach, das Gut Erlicht, die
Stadt Raudten restieren zum Teil seit 1623 oder 1640 mit Sa 734 fl 16 gr.
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pulis nicht so gemein wäre auf der Gasse und in denen Häusern,
gestünden sie gar gerne. Die Uhrsach aber rühret daher, daß sie
nicht so lange wie vor Zeiten in der Schule gelassen, sondern im
10.11. zum längsten in dem 12ten Jahre herausgenommen wür-
den. Die Üppigkeit auf dem Chor wäre ihnen nicht verborgen;
sie müßten sich auch beklagen, sowohl über den Unfleiß als über
die Verschlagenheit der Custodum, doch versprechen sie genaue
Inspection zu halten, damit sie doch in der Kirchen und in
Conspectu ihrer Vätter niemand ärgerlich wären, und die Schule
nicht verabsäumet werden solte.
Dieweil denn bey sothaner Entschuldigung im übrigen weder
die Geschwornen noch Eltesten noch auch die gemeine Bürgerschaft
etwas auszusetzen wusten, bath der Herr Rector nicht nur vor sich
sondern vor seine Herren Collegen, weil E. Rath gewiße ihnen
heimgefallene Güther inne hätte, daß einem jeglichen etwas vor
Korn möchte gegeben werden; E. Rath wolte zwar solches
simpliciter nicht abschlagen, meinten aber, es müste der Bürger-
schaft zuvor angesagt und vorgetragen werden. Ohne ihren
Willen dürfften sie nichts thun. Wir selbst hielten nicht allein
vorgeschlagenes Mittel vor practicirlich sondern intercedirten
auch, weil bishero kein Didactrum publicum wäre bräuchlich ge-
wesen, verordnet würde. Es hatten aber die Schöppen noch
Ältesten noch der Ausschuß der Bürgerschafft kein Gehör; bald praettendirten sie der Schulbedienten gutte Accedentien im Neu-
jahr und Gregoritage, und hätten auch die allergeringste Stelle
in der Schule keinem Frembden zulassen wollen. Bald setzten sie
ihre Zusage auf eine ungewisse und bedingte Hoffnung, wenn
sie würden besser Disciplin halten, könte es geschehen. Bald
schätzten sie es unmöglich, daß ihnen etwas könte zugesetzet werden,
weil sie je mehr und mehr verarmeten; sie wolten es zwar denen
Zechen vortragen, sie zweifelten aber daran, daß etwas würde zu
erhalten seyn. War also nichts zu schaffen, so gern als wir denen
Herrn Praeceptoribus einige Melioration zuwege bringen
wolten". - Die Knauserei der Lübener Bürgerschaft für die
Schule hat sich hernachmals schwer gerächt.
Einen Fortschritt für den inneren Schulbetrieb bedeuteten
die am 14. März 1687 vom Magistrat erlassenen "Lübnischen
Schulgesetze", deren Verfasser vermutlich der Rektor war. Das
lateinische Original ist verloren, nur die deutsche Überarbeitung
ist vorhanden741). Die überkommene Einteilung der Schule in
vier Klassen wurde beigehalten und weiter ausgebaut. Jede
Klasse umfaßte zwei Jahrgänge und erhielt einen Ordinarius,
welcher den Stunden- und Stoffplan aufzustellen, auch die für die
Lektüre bestimmten Autoren auszuwählen hatte. Doch wurde vom

741 Stadtarchiv Acta betr. Geistliche, Kirchen- und Schulsachen Vol. I
1654-1704.