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Konrad Klose, Geschichte der Stadt Lüben, Verlag Kühn Lüben, 1924, S. 330/331
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war kein Ende. Die Eltern erklärten, die Kinder verlernten in
der Stadtschule, was sie in der deutschen gelernt hätten, der
Senior klagte über den Rektor, der nicht zu bewegen sei, "von
seiner schädlichen Schulmethode abzugehen", die Lehrer beschwer-
ten sich, daß die "Aushebungen" nicht streng gehandhabt würden,
der Superintendent monierte, daß in den deutschen Schulen be-
fähigte Kinder säßen, während sich in der Lateinschule ABC-
Schützen vorfänden, dazwischen tönte immer lauter das Lamento
der Schulkollegen über die schlechte Besoldung. Diese war in der
Tat überaus armselig. Entsprechend einer Kammerverfügung
vom 23. Oktober 1765 wurde festgestellt, daß der Rektor bar ca.
46 rtl., an Naturalien 10 Scheffel Korn, 9 Klaftern Holz und
freie Wohnung, der Konrektor 47 rtl. bar, 6 Klaftern Holz und
Wohnungsgeld, der Kantor 49 rtl., 6 Klaftern Holz und Woh-
nungsgeld erhielt. Durch die Verteilung des Auditorgehalts
war nur eine geringfügige Besserung erzielt worden. Der
Magistrat verfolgte, wie im vorigen Kapitel nachgewiesen worden
ist, den Plan, die dritte Pfarrstelle mit einer Schulstelle zu ver-
einigen. Damit wäre nicht bloß eine Aufbesserung der Gehälter,
sondern auch eine Lösung der Lokalfrage zu erreichen gewesen.
Im Diakonatsgebäude hätte sich eine Lehrerwohnung und ein zwei-
tes Schulzimmer schaffen lassen, und man konnte die Kosten für
den Wiederaufbau des 1757 abgebrannten Kantorats sparen.
Aber der Plan scheiterte 1762, 1766 und 1783 an dem Widerstande
der Behörden. Da die Stadt nicht die Mittel besaß, die Lehrer-
gehälter zu erhöhen, und der Fiskus nichts hergab, blieb alles
beim alten.
Am 5. November 1782 starb der Rektor Pirner. Allgemein
erhoffte man nun eine Wendung zum Bessern im Schulwesen,
und berufene und unberufene Reformatoren, allen voran Senior
Brun, entfalteten eine emsige Tätigkeit. Superintendent Michaelis
in Waldau riet, sich mit zwei Lehrkräften zu begnügen, um die
Gehälter erhöhen zu können. Da am 16. März 1784 der Kantor
Christian Neumann starb, ließ sich das Lehrerkollegium gründlich
umgestalten. Das Rektorat erhielt der bisherige Konrektor Erd-
mann Pitthius, an seine Stelle trat Christian Fesser. Das
Kantorat wurde dem Organisten und Mädchenlehrer Vogt über-
tragen, der das Organistenamt beibehielt, aber auf Weisung des
Konsistoriums den Unterricht der Mädchen dem Schulhalter Vogel
abgeben mußte. Die Knaben wurden samt und sonders der
Lateinschule überwiesen. So meinte man glatt und gründlich die
Schulfrage gelöst zu haben. Senior Brun entwarf zum so und so
vielten Male einen Stoff- und Stundenplan für den Schulbetrieb.
Da das Schulzimmer für alle Klassen nicht Raum genug bot,
sollte die dritte Klasse in der Wohnung des Kantors, die zweite
im Schulhause, die dritte in der Rektorwohnung untergebracht
werden. Jede Klasse erhielt 26 Stunden wöchentlichen Unter-
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richt: 3 Stunden Religion, 4 Stunden Latein, 2 Stunden Geogra-
phie, 2 Stunden Geschichte, 2 Stunden praktischen erdkundlichen
und naturkundlichen Unterricht durch Lesen von Zeitungen oder
der Bunzlauer Monatsschrift, 3 Stunden Schreiben, 2 Stunden
Rechnen, 1 Stunde Naturgeschichte, 1 Stunde Exerzitium, dazu
traten die täglichen Religionsstunden von 7-8, die mehr erbau-
lichen Charakter trugen. Latein war wiederum stark beschnitten.
Dem Einwand, daß viele Bürger keinen Lateinunterricht wünsch-
ten, begegnete Brun damit, daß mit diesem Unterrichte "die Ein-
prägung guter moralischer Grundsätze und angenehmer nützlicher
Kenntnisse" verbunden sein sollte, "die auch dann noch nützen,
wenn das vergessene Latein nichts mehr nützt", eine Auffassung,
welche die pädagogischen Fähigkeiten Bruns nicht gerade glänzend
erscheinen läßt. Daß er den Lutherischen Katechismus ausmerzte,
entsprach seiner radikal-rationalistischen Stellung.
Nach der Meinung der Schulreformer hätte nun der
reparierte Schulapparat funktionieren müssen, aber er arbeitete
nicht, wie er sollte. Diesmal lag es an dem Kantor Vogt, der
ein tüchtiger Lehrer war und viel Zulauf hatte. Noch im Jahre
1785, in dem die Neuordnung in Kraft getreten war, sammelte
er, wie Pitthius und Fesser am 22. April d. J. berichteten, in
seiner Wohnung, die höchstens für 50 Kinder Raum bot, einen
Haufen von 100 Knaben und Mädchen, die er mit Hilfe von 3-4
Personen unterrichtete. Der Rektor ordnete im Einverständnis
mit dem Magistrat an, daß der Kantor mit den Knaben in das
Schullokal übersiedelte und dort gemeinsam mit Fesser unter-
richtete. Als aber das Experiment gemacht wurde, folgten dem
Kantor von den etwa 50 Knaben nur 11 nach, die übrigen sam-
melte er in seiner Wohnung zum Privatunterricht. Brun sah
seine ganze schöne Ordnung durch den Eingriff des Rektors zer-
stört und schrieb am 8. Februar 1786 ironisch an den Magistrat:
"Der gutte Manan (Pitthius) hat seine Absicht nicht erreicht, die
Bienen sind ihrem in einen untauglichen Bienenstock versetzten
Weisler nicht nachgefolgt". Vergeblich verfügte der Magistrat,
daß kein Knabe Privatunterricht erhalten sollte, der nicht die
öffentliche Schule besuchte, vergeblich untersagte auch das Kon-
sistorium die Erteilung von Privatunterricht an die Knaben; es
war unmöglich, alle Knaben in die Lateinschule zu pressen, zumal
das Schullokal höchstens 60 Kinder faßte. Kantor Vogt ging am
1. September 1788 nach Glogau, sein Nachfolger Scholz verließ
schon nach Jahresfrist seinen Posten. Ihm folgte Hoffmann, der
aber das Organistenamt nicht erhielt, da man für die deutsche
Schule eine neue Lehrkraft brauchte. Organist wurde Winkler,
welchem die Erlaubnis erteilt wurde, außer den Mädchen solche
Knaben aufzunehmen, welche das Buchstabieren lernten. Am
4. November 1794 berichtete Senior Carstädt, daß die Klasse des
Rektors 6, die des Konrektors 8 Schüler zähle, von der des