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Konrad Klose, Geschichte der Stadt Lüben, Verlag Kühn Lüben, 1924, S. 332/333
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Kantors fehlen Angaben. Vermutlich hatte Hoffmann eine
größere Anzahl Kinder gesammelt. Übrigens war das Aus-
hebungssystem wieder eingeführt. Man war stillschweigend zur
alten Weise zurückgekehrt, da es schlechterdings undurchführbar
war, sämtliche Knaben der Lateinschule zuzuweisen. Die Eltern
erklärten, sie würden lieber die Kinder ganz von der Schule weg-
nehmen, als daß sie sie in die Stadtschule schickten. Dort ver-
lernten sie alles, es herrschte auch keine Zucht, die Lehrer würden
verhöhnt u. dergl. Daß letzteres den Tatsachen entsprach, ist wohl
kaum zu bezweifeln, wr doch Konrektor Fesser seit einigen
Jahren erblindet. Allmählich riß wieder eine grenzenlose Willkür
ein; die Eltern schickten die Kinder bald zu diesem bald zu jenem
Lehrer. Um etwas Wandel zu schaffen, wurde Konrektor Fesser
mit einem Ruhegehalt von 60 rtl. am 1. Januar 1797 pensioniert.
Seine Stelle wurde vorübergehend von dem Kandidaten Schuster
verwaltet; der Magistrat wollte sie aufheben, und das Konsi-
storium stimmte trotz einiger Bedenken am 16. Oktober 1799 zu.
Inzwischen war im Schulbesuch dadurch eine gewisse Ordnung
geschaffen worden, daß auf Verfügung des Rats vom 16. Oktober
1798 Winkler die Elementarklasse übernahm, während die fort-
geschrittneren Knaben dem Kantor bezw. Rektor überwiesen wur-
den. Der Privatunterricht, den man lange verboten, wurde frei-
gegeben, nur ward dem Rektor untersagt, Kinder, die nicht richtig
lesen und schreiben konnten, in die Stadtschule aufzunehmen.
Ein von Pastor Havelland verfaßter Lektionsplan vereinfachte
den Betrieb. Der Unterricht wurde vormittags und nachmittags
in je 3 Stunden, Mittwoch und Sonnabend in je 4 Stunden am
Vormittag erteilt, sodaß jede Klasse 32 Stunden Unterricht erhielt,
davon entfielen auf Latein 4, Religion 6, Deutsch incl. Schreiben
10, Erdkunde, Geschichte, Naturgeschichte je 2, Rechnen 4, Singen
2 Stunden. Den Vormittagsunterricht erteilte der Rektor, den
Nachmittagsunterricht der Kantor.
Ein Hindernis für die Entwicklung der Schule war die
Person des Rektors Pitthius. Er war untüchtig, bei der Bürger-
schaft unbeliebt und von ihr stetig angefeindet, wozu freilich seine
Amtsführung Anlaß bot. So erklärten die Repräsentanten, sie
würden ihren Verpflichtungen nachkommen, "wenn der Herr
Rektor auch die Lehrstunden mit pflichtmäßigerer Accuratesse,
als bisher geschehen, abwarten wollte, wohin ganz besonders
das aller guten Ordnung entgegenlaufende Verfahren gehöre,
daß sich dieselben öfters in der Schule von dero Demoiselle
Tochter vertreten lassen". Pitthius starb am 2. September 1803.
Sein Nachfolger wurde Schuster; an die Stelle des Kantors
Hoffmann trat Kubsch; die beiden neuen Lehrer erhielten eine
erhebliche Einkommensaufbesserung durch die ihnen zugewiesenen
Bezüge des Konrektorats. Sie waren augenscheinlich tüchtige
Lehrer und bestrebt, die Schule in die Höhe zu bringen, aber die
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Kriegsjahre lähmten die Arbeit und hemmten den Erfolg. -
Die alte Trivialschule war so gut wie ganz geschwunden, was
übrig geblieben war, war eine niedere Bürgerschule, die sich je
länger je mehr der Volksschule näherte und von ihr aufgesogen
wurde. Drum sei zunächst ein Bild von der Entwicklung des
Volksschulwesens bis zum Beginn des XIX. Jahrhunderts gezeich-
net. Deutsche Schulhalter hat es wohl auch in Lüben seit Ein-
führung der Reformation gegeben. Der erste, dessen Name be-
kannt ist, ist Tobias Peucer 1585750). Im XVII. Jahrhundert
finden sie sich zahlreich, sogar eine Schulhalterin, die Tochter des
ehemaligen Rektors Matthias Theridius, wird erwähnt751). Wer
irgendwie über die elementarsten Schulkenntnisse verfügte, sam-
melte Kinder zum Unterricht. Später kam mehr Ordnung in das
Schulwesen. Die beiden Organisten von Lüben und Altstadt
wurden wohl regelmäßig zum Schulehalten herangezogen, daneben
fugierten Handwerker, die notdürftig Kinder zu drillen verstan-
den. Das Kirchenvisitationsprotokoll von 1654 nennt eine deutsche
Schule in der inneren, zwei in der Vorstadt; das von 1674 er-
wähnt drei im Stadtinnern und drei unter dem fürstlichen Amte.
Später waren wohl nicht mehr als drei vorhanden. So blieb der
Zustand bis in die preußische Zeit.
Kaum war der Siebenjährige Krieg beendet, so wurde das
General-Landschul-Reglement vom 12. August 1763 erlassen und
damit das Volksschulwesen auf eine solide Grundlage gestellt.
Wenn freilich vieles auf dem Papier blieb, so lag es daran, daß
Friedrich der Große die Schullast den Kommunen aufbürdete und
für Schulzwecke wenig Mittel anwendete. Das Reglement war
in erster Linie für die Schulen des platten Landes bestimmt, aber
es war natürlich, daß die kleineren Städte seine Grundgedanken
und technischen Bestimmungen übernahmen. Der Superintendent
Albinus berichtete im Kirchenvisitationsprotokoll vom 23. Juni
1764, daß die beiden deutschen Schulhalter "begierig seien, sich
nach dem allerhöchsten Königlichen Schulreglement allergehorsamst
zu richten", und bemerkte, daß beide fähig seien, die Kinder im
Christentum, der deutschen Sprache, im Lesen, Schreiben und
Rechnen zu unterrichten. Für ihre Tätigkeit als Lehrer erhielten
die beiden Organisten von den Abc-Schützen je "2 gröschel", von
den Lesekindern je 2 Kreuzer, von den Schreibe- und Rechenkin-
dern 1 sgr. Dafür mußten sie aber auch das Schullokal beschaffen.
Bei der Menge der Kinder war das keine geringe Aufgabe. Für
den Vorschlag des Senior Brun, das Schulgeld durch eine nach
Klassen abgestufte Schulsteuer zu ersetzen, war die Zeit noch nicht
reif. -
Die Frequenz der Schulen war wechselnd. Der Schulkatalog
des Organist Vogel wies 1783 51 Knaben und 47 Mädchen auf;

750 Taufregister.
751Gestorben 21.9.1634 an der Pest.