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Konrad Klose, Geschichte der Stadt Lüben, Verlag Kühn Lüben, 1924, S. 376/377
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Meister mehr als innehaben durfte. Die Innung war also
geschlossen. Die Bänke befanden sich zu gleichen Teilen in der
Liegnitzer und Tiefen Straße, und zwar je 7 rechts und links.
Die dem Markte zunächst gelegenen galten als die besten und
waren darum höher bewertet als die übrigen. An den Markt-
tagen war freier Fleischmarkt, an dem das Feilhalten von Fleisch
auch andern Fleischern gestattet war. Im übrigen gewährte das
Meilenrecht den städtischen Fleischern den alleinigen Fleischverkauf
für alle Dörfer innerhalb der Meile. - Von den Fleischbänken
war ein Jahreszins von je einem Groschen dem Erbvogt zu ent-
richten. Dafür hatte dieser die Verpflichtung, die Bänke in
ihrem Oberbau bauständig zu erhalten, während die Unterhaltung
des Unterbaus den Inhabern oblag. Nach dem Übergang der
Erbvogtei an die Stadt, übernahm diese sämtliche Rechte und
Pflichten. Die Verreichung der Bänke blieb das Recht des Rats793).
Am Mittwoch nach Fronleichnam (26. Juni) 1443 erging ein
Ratsbescheid, daß nur den Fleischern das Recht zustehe, Schöpsen-
seiten zu hauen und zu verkaufen; andere Bürger seien nur berech-
tigt, solche lediglich zum eigenen Gebrauch und zwar geteilt zu
verwenden, "darumb das vns die genanten vnsere Handwerks-
meister mit all ihren Companen kläglichen geklaget haben, das sie
von etlichen vnser Mitbürger in solchen Sachen hartlichen ge-
dränget worden, die Schöpsenseiten also machen vnd braten lassen
vnd ganz verkaufen". Wer künftig diesen Mißbrauch übte, sollte
zur Strafe an die Stadt eine Mark und den Fleischern 1 Pfund
Wachs geben. Am Sonntage vor St. Laurentii (8. August) 1445
wurde von den Herzögen Johann und Heinrich der freie Markt
für geschlagenes und geschlachtetes Fleisch widerruflich aufgehoben,
wofür die Fleischer jährlich 14 Mark Zins an den Landesherrn zu
zahlen hatten. Bei Wiedereinrichtung des freien Marktes sollte
der Zins wegfallen. Unter der Glogauer Pfandherrschaft, beson-
ders der Herzogin Katharina, erlitten die Fleischer starken
Schaden. Der freie Fleischmarkt wurde wiederhergestellt; bald
klagten die Fleischer, daß allgemeine Verarmung bei ihnen ein-
getreten sei. Aber erst unter der Liegnitzer Regierung wurde
ihnen Hilfe. Das Privileg der Herzöge Friedrich und Georg vom
Sonntage nach Bartholomäi (26. August) 1498 hob den freien
Fleischmarkt wieder auf und traf eingehende Bestimmungen über
die Organisation der Zunft, Handwerksbräuche, Lehrlings- und
Gesellenwesen usw. Am Sonnabend sollten die Fleischer unter
den Lauben feilhalten, an den andern Tagen unter den Bänken;

loci des III: Glogauer Departements Wohlau, betr. Privilegien der
Stadt, Kirche und Innungen in Lüben 1795, und Stadtarchiv Lüben
Akta betr. Fleischerzunft 1622-1714.
793 Durch Ratsbescheid vom 10.1.1622 wurde bestimmt, daß bei
Brandschaden der Inhaber Holz und Schmiedearbeiten zu bezahlen hatte,
während der Arbeitslohn von der Stadt bezahlt wurde.
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4 Fleischer sollten zusammen ein Rind schlachten und von Sonn-
abend bis Montag feilhalten; 6 Bänke mußten mit Fleisch zur
vollen Notdurft der Stadt bestellt werden, und der Rat hatte
darauf zu achten, daß gutes Fleisch gehalten werde. Den Bürgern
war verboten, geschlachtetes Fleisch über die Straße zu verkaufen.
Weitere Nachrichten sind erst aus der Mitte des XVII. Jahr-
hunderts überliefert. Der Kampf mit den "Störern" hat begon-
nen. Eine Verordnung Herzog Christians vom 3. August 1667
erneuerte für die Weichbildstädte die Fleischerzunftprivilegien und
bestimmte, daß die Herrschaften, welche berechtigt wären, inner-
halb der Meile Fleischer zu halten, ihr Recht binnen sechs Wochen
darzutun und ihre Fleischer anzuweisen hätten, lediglich am Orte
ihr Fleisch abzusetzen. Alle Störer und Pfuscher zumal in Orten,
die kein Schlachtrecht hätten, seien abzuschaffen; Viehhändler hät-
ten kein Recht, das auf den Dörfern gekaufte Vieh außerhalb der
Viehmärkte in der Stadt zu verkaufen. Die strengen Bestimmun-
gen hatten keine nachhaltige Wirkung. Am 7. September 1673
mußte den Amtsuntertanen untersagt werden, fremde Ware ein-
zuführen; am 8. September 1673 erging ein fürstliches Dekret
gegen einen Pfuscher aus Gläsersdorf, der allwöchentlich vom
"Kleppel-Kretscham"794) aus Fleisch nach Lüben schaffe, Herrschaf-
ten und Dorfgerichte sollten ihn gegebenenfalls in Haft nehmen
und seine Ware konfiszieren, den Käufern sei das Fleisch "mit
Bescheidenheit und ohne Gewalt" zu nehmen. Auf eine neue Be-
schwerde der Fleischerzunft erklärte der Landeshauptmann Graf
Nostiz am 16. Dezember 1680, daß nach den früher erlassenen
Bestimmungen gegen die Pfuscher auf den Dörfern verfahren
würde, und gewährte den Lübener Fleischern das Recht, fremde
Ware innerhalb der Meile zu konfiszieren. Aber auch von andrer
Seite erwuchs den Fleischern unliebsame Konkurrenz, einmal
durch die Hausschlachtungen in den Wintermonaten795), bei denen
die gesetzliche Frist oft überschritten wurde, und dann durch die
Gastwirte, welche an den Jahrmärkten gekochtes Fleisch verkauften
und damit den Fleischern "das Brot vorm Maule wegschnitten"796).
Um aller Beeinträchtigung des Handwerks ein für allemal ein
Ende zu machen, wandten sich die Fleischer unmittelbar an den
Kaiser und erwirkten bei ihm die Bestätigung sämtlicher Zunft-
privilegien am 18. Januar 1686. Allerdings wurde ihnen gleich-
zeitig eingeschärft, allezeit die Stadt mit gutem Fleische zu ver-

794 Der Kretscham befand sich am Ausgange von Oberau gegen
Gläsersdorf und gehörte politisch zu Böckey, also zum Glogauer Fürsten-
tum, und unterstand nicht der Polizeigewalt des Liegnitzer Herzogs.
795 Sie wurden am 14.10.1706 vom Landeshauptmann auf die
Zeit von Michaelis bis Georgi festgesetzt.
796 Der Streit spielte 1677/78, die Fleischer beriefen sich auf das
Privileg von 1443, die Gastwirte auf das Freihandelspatent vom 10.8.
1655 und auf die in andern Städten bestehende Gepflogenheit. Der
Ausgang ist unbekannt.