| - 410 - Stadt verblieb. Sie hatte tüchtige Brauer heranzuziehen und
 dafür zu sorgen, daß Malz und Bier von guter Beschaffenheit
 blieben. Die der Brauerei dienenden Gebäude unterstanden einem
 Inspektor, der aus den Reihen der Schöppen und Geschworenen
 entnommen wurde. Durch unvermutete Revisionen hatte er die
 Stückzahl der Fässer und die Sauberkeit der Keller zu kontrol-
 lieren, damit nicht "Ungeziefer, Kröten, Spinnen u. dergl. sich
 sammeln und unter das Bier gemischt werden".
 Viel Not hatte die Stadt mit der Abwehr fremden Bieres in
 den dem Brauurbar unterworfenen Dörfern. Im Stadtkeller
 durfte auf Rechnung der Stadt Breslauer, Goldberger und Lau-
 baner Bier in beschränktem Umfange geschenkt werden, und an
 den Jahrmärkten war der Ausschank freigegeben, im übrigen aber
 war in der Stadt und den Weichbilddörfern nur der Ausschank
 des Lübener Biers gestattet. Immer wieder wurde jedoch versucht,
 fremdes Bier einzuschmuggeln. Besonders das Liegnitzer Bier
 war beliebt. Schließlich reklamierte Liegnitz die Dörfer Ditters-
 bach, Petschkendorf und Großkrichen für seinen Urbar. Darüber
 erhob sich ein langwieriger Streit841), der sich fast durch 10 Jahre
 hinzog und endlich von Georg Rudolph am 27. August 1609 durch
 einen schiedsgerichtlichen Vergleich beendet wurde842). Danach
 hatten die Kretschmer der drei Dörfer Lübener und Liegnitzer
 Bier, aber kein andres zu führen; jedenfalls jedoch mußte Ditters-
 bach 95, Großkrichen 104, Petschkendorf 101 Achtel Lübener Bier
 entnehmen. Der Lübener Rat hatte dafür zu sorgen, daß in
 Lüben "ein tauglich und gut Bier gebraut werde", und daß gleiche
 Fässer gemacht würden. Beide Teile verpflichteten sich, die Schöps-
 einfuhr zu verhindern, und schlossen hierüber am 27. März 1610
 einen Vertrag.
 Über die unberechtigte Schöpseinfuhr hatte sich Lüben eben-
 falls beschwert und am 28. Februar 1609 den fürstlichen Bescheid
 erhalten842), daß zwar dem Landmann das gering gebraute Lübe-
 ner Bier nicht aufgedrungen werden könnte, daß aber die Schöps-
 einfuhr nicht geduldet werden würde. Am 12. Juni 1609 verfügte
 der Liegnitzer Hauptmann Wenzel von Zedlitz, daß dem Guhlauer
 Müller, der sich unterstehe, Schöps einzuführen, sein Vorrat kon-
 fisziert werden sollte.
 Trotz aller Gegenmaßregeln war die Einfuhr fremden Bieres
 nicht abzuwehren. Das war kein Wunder, denn der städtische
 Brauurbar beschränkte sich nicht auf die unter der Meile gelegenen
 Orte, sondern erstreckte sich auf sämtliche Dörfer des Weichbildes,
 reichte also bis Barschau, Jauschwitz, Talbendorf, Gugelwitz usw.
 und umfaßte demnach 24 Dörfer mit 31 Kretschams. In den ent-
 fernten Orten eine Kontrolle zu üben, war kaum möglich. Daher
 
 841 Stadtarchiv Liegnitz, Missiven XII und XIII.
 842 Staatsarchiv Rep. 28 III 19 a 68 ff. und O. A. Lüben VIII.
 | - 411 - wurde von den Herzögen Ludwig und Christian am 31. Oktober
 1653 ein Braurezeß errichtet843), durch den Braunau, Pilgrams-
 dorf und Großrinnersdorf vom städtischen Bierverlag befreit wur-
 den; Muckendorf wurde zur Hälfte eximiert.
 Nachdem so die Wünsche der Herrschaften einigermaßen be-
 friedigt waren, erließ Herzog Christian am 14. Juli 1665 ein
 scharfes Pönalmandat gegen alle Beeinträchtigung des städtischen
 Brauurbars844). Die Stadt hatte nachgewiesen, daß in allen
 Dörfern ein schwunghafter Handel mit fremdem Biere getrieben
 würde, und daß Herrschaften und Geistliche bei Hochzeiten, Taufen
 u. dergl. den Untertanen und Dorfleuten ihr nur für den Haus-
 trunk gebrautes Bier verkauften oder dem Kretschmer zum Aus-
 schank übergäben. Das fürstliche Mandat setzte für jede Über-
 tretung der geltenden Bestimmungen eine Strafe von 100 Dukaten
 fest; im Wiederholungsfalle sollte Verlust des Haustrunk-Rechts
 eintreten. Der Lübener Magistrat erhielt die Befugnis, ver-
 dächtige Orte zu revidieren und fremdes Bier zu konfiszieren,
 wobei das Ortsgericht Hilfe zu leisten hatte.
 Aber auch dies Mandat hatte nicht den gewünschten Erfolg.
 Eine anderweitige Regelung der ganzen Sache wurde erforderlich,
 zumal das widerrechtliche Bierschenken nicht bloß die Stadt, son-
 dern auch die fiskalische Biersteuer schädigte. Die Neuordnung
 sollte sich auf das ganze Fürstentum erstrecken und wurde am
 20. März 1685 einer Brauurbar-Kommission übertragen, zu der
 ein Oberamtsrat, ein Kammerrat, der Oberfiskal für Nieder-
 schlesien, ein Buchhaltereirat, der jeweilige Biergefälleeinnehmer
 und der Oberamtskanzler als Vorsitzender gehörten. Die Sache
 wollte nur langsam in Fluß kommen, so daß der Fiskal dem
 Lübener Rate 1690 riet, er möge durch einen Zuschuß von 20 bis
 30 rtl. die Angelegenheit fördern. Erst am 12. Januar 1705 trat
 die Kommission in Lüben zusammen, um die weitschichtigen Ver-
 handlungen mit den Vertretern der Stadt und den Herrschaften
 zu führen. Da der Brauurbar durch den Meilenzwang ersetzt
 werden sollte, war in den Jahren 1694-1704 eine Meilenmessung
 erfolgt. Mehrere Herrschaften protestierten dagegen, daß ihre
 Dörfer unter der Meile liegen sollten. Endlich kam man doch
 zum Abschluß, und am 14. Mai 1706 wurde die Neuordnung
 publiziert. Herzogswaldau, Dittersbach, Gugelwitz, Koslitz,
 Talbendorf, Barschau, Kleinrinnersdorf, Petschkendorf wurden
 
 843 O. A. Lüben VIII und Stadtarchiv Akten betr. Brauurbar Vol. I.
 Der Rezeß wurde publiziert am 8.1.1654. Auf Grund einer Entschei-
 dung Georg Rudolphs vom 10.4.1624, welche 1653 bestätigt wurde,
 hatte die Muckendorfer Herrschaft freien Brauurbar und Kretschamver-
 lag mit der Bedingung erhalten, Achtel um Achtel wechselnd Lübener
 und Liegnitzer Bier zu schenken. Dies Recht wurde ihr nach Erlegung
 von 300 fl am 1.12.1707 durch die kaiserliche Regierung bestätigt.
 844 Das Folgende nach den Akten betr. Brauurbar und Ausschro-
 tungsgerechtigkeit im städtischen Archiv.
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