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Konrad Klose, Geschichte der Stadt Lüben, Verlag Kühn Lüben, 1924, S. 418/419
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Über den Umfang der Handelsfreiheit entstand 1805 ein
Prozeß der Bürgerschaft gegen die Kaufmannschaft850). Da in
Lüben keine eigentliche Kaufmannsgilde vorhanden war, fehlte es
an Bestimmungen darüber, welche Befähigung von dem, der kauf-
männische Geschäfte treiben wollte, gefordert werden müsse. Die
Bürgerschaft behauptete, daß jeder Bürger, auch jeder Handwerker
ohne weitere Qualifikation zum Handelsbetrieb berechtigt sei,
während die Glogauer Kammer sich auf den Standpunkt stellte,
daß der Betrieb des Handels niemandem zustehe, der nicht durch
Erlernung der Kaufmannschaft oder durch ein Realprivileg oder
durch eine besondere Konzession der Kammer dazu qualifiziert
sei. In diesem Sinne entschied die Justizdeputation der Glogauer
Kammer am 21. Januar 1805 in erster Instanz. Vor der zweiten
Instanz, der Breslauer Kammer, berief sich die Bürgerschaft auf
das Freihandelsmandat von 1655, durch welches der Handel voll-
ständig freigegeben worden sei. Das Gericht erkannte jedoch darin
lediglich ein landesherrliches Mandat, um die damaligen, für
Handel und Gewerbe nachteiligen Mißbräuche abzustellen. Es
richtete sich gegen unbefugte Anmaßungen der Gewerke, welche ein-
zelne Handelszweige zu monopolisieren strebten, während die
Landesverwaltung wollte, daß jeder Handelsmann - der fremde
innerhalb der Jahrmärkte, der einheimische auch außerhalb der-
selben - handeln und wandeln möge. Uneingeschränkte Handels-
freiheit habe das Mandat nicht stipulieren wollen; davon konnte
unter der Herrschaft des Zunftzwanges keine Rede sein. Der
Ausdruck "freier Handel" besage, daß die vorhandenen Kaufleute
und Reichkrämer gegen die Niederlassung anderer keinen Wider-
spruch erheben konnten.
Die Bürgerschaft behauptete, seit 1740 freien Handel gehabt
zu haben. Demgegenüber hatte bereits der Vorderrichter eine
aktenmäßige Darstellung des Lübener Handelsbetriebes gegeben,
die ein ganz anderes Bild ergab. Am 11. März 1743 berichtete
der Magistrat an den Wohlauer Steuerrat, daß die Krämer,
welche sich nach und nach in der Stadt eingefunden hätten, kein
Recht zum Handel hätten, und daß es zur Erhaltung der Ordnung
nötig sei, ihnen die Entrichtung eines Kanons aufzuerlegen. Um
die 23 Krämer nicht brotlos zu machen, wurden sie widerruflich
gegen Erlegung einer bestimmten Abgabe geduldet. Darauf
gingen sie widerspruchslos ein. Späterhin wurde ihnen auf
Beschwerde der Posamentierer der Handel mit Posamenten unter-
sagt, weil sie keine Kaufmannschaft erlernt hätten. Als 1746 ein
gewisser Preuß eine Handelskonzession nachsuchte, wurde ihm be-
deutet, daß neue Krämer nicht mehr angesetzt würden, sondern

850 Staatsarchiv Rep. 28 O. A. Lüben I Acta der Kammerjustiz-
deputation der Kriegs- und Domänenkammer in Breslau betr. Prozeß
der Bürgerschaft in Lüben gegen die Kaufmannsgilde um die Freiheit
des Handelsbetriebes.
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daß nach dem Ableben der vorhandenen Krämer nur noch gelernte
Kaufleute zum Handel zugelassen werden würden. Folgerichtig
wies die Kammer alle Beschwerden der Krämer gegen die Posa-
mentierer ab, auch als sie sich - erstmalig 1749 - auf das
Mandat von 1655 beriefen, und der Magistrat war damit einver-
standen, Bürger, welche anfingen Kaufmannswaren zu führen,
in Strafe zu nehmen. Der Viktualienhandel ward gegen einen
Hökerzins freigegeben. Bei einer allgemeinen Erhebung über
die in den Städten befindlichen Handelsbetriebe im Jahre 1790
erklärte der Magistrat ausdrücklich, daß in Lüben das Recht zum
Handeln nur den gelernten Kaufleuten, den Inhaber der 6 kram-
berechtigten Ratsbuden und den mit spezieller Kammerkonzession
versehenen Krämern zustehe. Das war genau der Standpunkt
der Glogauer Kammer. Auf ihn stellte sich auch das Urteil der
Breslauer Justizdeputation vom 30. November 1805. Fünf Jahre
später brachten die Stein-Hardenbergischen Reformen auch das
heißersehnte Gut der Handelsfreiheit.
Anfang der dreißiger Jahre851) zählte man in der Stadt
14 Kaufleute mit Spezerei-, 4 mit Schnittwaren, 11 Krämer und
9 Viktualienhändler; fünfzehn Jahre später wurden bereits 32
Kaufleute und ebensoviel Krämer gezählt.
In neuerer Zeit begann sich auch die Industrie in Lüben
heimisch zu machen, wenn man von der Tuchmacherei absieht. Die
Triebelsche Sattelfabrik beschäftigte 1886 noch 14 Arbeiter, welche
1625 Sattelgestelle im Werte von 14 250 Mark fertigstellten.
Heute stellt die oben (Kap. XI) erwähnte Pianomechanikfabrik
Langer & Co. mit etwa 500 Arbeitern das größte industrielle
Unternehmen unserer Stadt dar.

851 Knie & Melcher 1832 und Knie 1845.