Der Schlosspark Groß Rinnersdorf
in der Zeitschrift "Die Gartenkunst" 9/1901
Groß Rinnersdorf














Ansicht, die Friedrich von der Asseburg als Schlossbesitzer nennt


Der Schlosspark zu Gross-Rinnersdorf in Schlesien

Aus "Die Gartenkunst", 1901, Heft 9, S. 178-180
Von W. Balke, Obergärtner, Gross-Rinnersdorf


Es ist eine nicht abzuleugnende Tatsache, dass in neuerer Zeit die Gartenkunst auf dem Lande nicht gleichen Schritt gehalten hat mit den oft grossartigen Leistungen vieler deutschen Städte. Wir haben oft dort, wo vor wenigen Jahren noch alte Mauern, Gräben und Wälle die Städte umrahmten, heute ein ganz anderes Bild, so dass Auge und Herz erfreut wird durch schöne, freundlich angelegte Gärten, wo alt und jung gern weilt und Freude, Erholung und Belehrung findet. Sehr mit Recht ist manche Stadt stolz auf ihre gärtnerischen Anlagen. Grosse Summen werden jährlich aufgewendet zur Instandhaltung und zur Erweiterung derselben, denn eine Stadt mit freundlichen Anlagen wird immer den Vorzug erhalten vor einer solchen, die dergleichen nicht aufzuweisen hat. Ganz anders steht es nun heute mit den Herrschaftsgärtnereien auf dem Lande. Wenn ja wohl auch noch einige alte Standesherrschaften vorhanden sind, deren Namen in Gärtner- und Gartenliebhaberkreisen einen guten Klang behalten haben, so ist es im allgemeinen doch recht auffällig, dass frühere Generationen oft viel mehr Sinn für vornehme Ausgestaltung des Stammsitzes ihrer Familien hatten, als es heutzutage der Fall ist...
Was für einen trostlosen und schwermütigen Eindruck macht doch solch ein Landsitz! Wie ganz anders dagegen ist der Eindruck und wie heimelt es uns an, wenn wir auf eine Besitzung kommen, wo man auf den ersten Blick sieht, dass das, was die Alten uns vermacht, nicht nur geachtet und erhalten, sondern auch gepflegt, verbessert und erweitert wird. Gott sei Dank, dass es heute auch noch solche Landsitze gibt, wo mit Lust und Liebe an der Verschönerung gearbeitet wird.
Ich möchte von einer solchen Besitzung heute berichten, die, als sie vor sechs Jahren in die Hände seines jetzigen Besitzers gelangte, nicht gerade herrschaftlich genannt zu werden verdiente, die aber durch Verständnis und Hingebung, sowie durch zielbewusstes stufenweises Vorgehen und durch den ausgeprägten Ordnungs- und Schönheitssinn seines Besitzers jetzt zu einem wirklich freundlichen und vornehmen Herrschaftssitz umgestaltet worden ist.
In dem Regierungsbezirk Liegnitz, an der Bahn zwischen Liegnitz und Glogau, liegt in der Nähe der freundlichen Garnisonstadt Lüben das Landgut Gross-Rinnersdorf, dem Grafen Friedrich von der Asseburg gehörend. Steigt man auf dem neuen, nett und freundlich angelegten Bahnhof aus und geht in westlicher Richtung durch das langgestreckte, nicht besonders schöne schlesische Dorf, so kommt man direkt auf den grossen sauberen Wirtschaftshof mit seinem gut in Putz und Anstrich gehaltenen Gebäuden. Eine aus roten Ziegelsteinen neu aufgeführte zierliche Mauer trennt den Wirtschaftshof vom Park. Tritt man von hier aus durch das hohe eiserne Einfahrtstor, welches mit dem Wappen des Besitzers verziert ist, in den Park und geht zunächst gerade aus, so sieht man bald zur rechten Hand das im Renaissance-Stil erbaute und von Professor Haupt (Hannover) von Grund aus renovierte Schloss. Es ist zweistöckig gebaut und macht mit seinen Balkons und Mansarden sowie mit seinen mit Stuccatur reich geschmückten Giebeln einen freundlichen, vornehmen Eindruck, der dadurch noch erhöht wird, dass die Wände mit verschiedenen Schlinggewächsen bekleidet sind; besonders gewähren die japanischen Kletterrosen in ihrem überreichen Blütenschmuck einen recht malerischen Anblick.
Ehe wir nun die Besichtigung des Parkes beginnen, sei noch erwähnt, dass die natürliche Lage sowie das Vorhandensein einer Anzahl alter Bäume und Sträucher von hohem Werte waren und bei der Umgestaltung des Parkes sehr dazu beigetragen haben, dass derselbe bald wieder vollständig aussah. Andererseits erschwerten wieder alte Mauern und Fundamente, Gräben und sumpfige Stellen, sowie sehr viele schmale Wege in allen möglichen Linien und besonders der schwere Letteboden die Umarbeitung ungemein.
Das Schloss, welches mit der Hauptfront nach Osten zu liegt, wird umrahmt von einem mehr oder weniger breitem Rasenstreifen, der mit Buchsbaum eingefasst ist. Rosenhochstämme, verbunden durch Festons von grossblumigen Clematis-Sorten, Cobaea scandens und Caiophora lateritia begleiten die Vorderfront des Schlosses, während auf der anderen Seite ausser einigen freistehenden Ziersträuchern ein ovales Teppichbeet passend angebracht ist. Vor dem Schlosse, zwischen Auffahrt und Mauer, liegt ein rechteckiger Rasenplatz, auf welchem im Hintergrunde alte Linden stehen. In der Ecke an der Mauer und wo sonst nicht durch die Linden das Anpflanzen verhindert war, sind Strauchpartien angebracht, um die Mauer möglichst zu verdecken. In der Mitte des Rasenplatzes liegt ein grosser achteckiger Stern, der im Frühling mit Hyazinthen, im Sommer aber mit hohen Blattgewächsen bepflanzt ist.
Zu beiden Seiten längs des breiten, festen Kiesweges beim Einfahrtstor sind im Rasen ½ m breite Rabatten angelegt. Eingefasst sind dieselben abwechselnd mit Pyrethrum und Lobelien und bepflanzt mit Celosien, Begonien, Pelargonium, Heliotropium und anderen blühenden Pflanzen. In der Mitte der Rabatten sind Festons gezogen und berankt mit Pilogyne suavis, Bryonia alba, Mina lobata, Cardiospermum Halicacabum und anderen zierlichen Schlingpflanzen.
Gehen wir diesen Weg weiter, so sehen wir, dass auf der Westseite des Schlosses ein grosser freier Platz angelegt ist, von wo aus sich die Wege nach verschiedenen Richtungen abzweigen. Auch ein Hauptsitzplatz ist hier im Schatten einer alten sehr schönen Fichte angebracht. Oft wird beim Anlegen der Gärten der Fehler gemacht, dass in der Nähe des Hauses nicht genug Platz gelassen wird zur freien ungezwungenen Bewegung. Dem ist hier vorgebeugt und können sich namentlich die Kinder nach Herzenslust hier austummeln, ohne bei jedem Schritt Gefahr laufen, Rasen oder Blumen zu zertreten. Im übrigen wirkt der Platz im Anschluss an die Hauptauffahrt sehr angenehm. Dieser Platz nun sowie auch der an der Südwest-Ecke des Schlosses gelegene Balkon bildeten die Hauptstandpunkte bei der Umarbeitung des Parkes. Von hier aus wurden einige möglichst freie, weite Blicke in den Park erstrebt. Wenden wir nun zunächst unsern Blick von diesem Balkon aus nach Südost, so sehen wir eine weite Rasenfläche, an welche sich ein Teich anschliesst, in dessen Fluten im Sommer einige alte Weiden anmutsvoll ihre hängenden Zweige spiegeln, während im Winter die glatte Eisfläche ihre grosse Anziehungskraft auf die Jugend nicht verfehlt. Vorn in dieser Rasenfläche ist ein grosses, aus ganz niedrig bleibenden Pflanzen gearbeitetes modernes Teppichbeet angebracht. Rechts und links von diesem präsentieren sich zwei stattliche Magnolien. Richten wir den Blick von dem Balkon aus südwestlich, so ist durch Entfernung von Baum- und Strauchpartien ein weiter freier Blick in den Park geschaffen; im Hintergrunde sind hier, an ältere Gehölzgruppen sich anlehnend, pontische Azaleen sowie Azalea mollis und Rhododendron hybridum massenweise unregelmässig angepflanzt, die in der Blütezeit eine geradezu wundervolle Wirkung hervorrufen und der Firma K. J. Schaum (Boskoop), von der sie bezogen worden sind, alle Ehre machen. Zwischen diesen beiden Durchblicken, südlich vom Schlosse, ist ein Spielplatz für Kinder hergerichtet. Früher eine düstere Fichtengruppe, wurde dieselbe so ausgeholzt, dass die Aussenbäume mit ihren bis auf die Erde hängenden Zweigen stehen blieben. Durch Herstellung von niedrigen unbeweglichen Tischen und Bänken, durch Anfahren einiger Sandhaufen für die Kleinsten, sowie durch Anlage eines Beetes an einer lichteren Stelle für die grösseren Kinder, welches sie selbst bepflanzen, ausserdem durch Anbringen von Hängematten, Schaukel etc. ist hier für die Kinder ein Plätzchen geschaffen worden, das keines mehr entbehren möchte. Gegen Winde und Sonne geschützt, in der Nähe des Hauses und doch von niemand gesehen, haben sie ungeniert ihr Reich für sich, eine Fülle von Freude und Lust bietet ihnen dieser Platz. Auch wir selbst werden für manche Mühe belohnt, wenn wir dann sehen, dass Menschenkinder sich freuen und glücklich sind, und schon spielend kann so Kindern Liebe zur Natur und zu den Pflanzen, sowie Interesse an Gartenbau und Gartenkunst beigebracht werden.
Wenden wir uns nun zurück und gehen über den grossen Platz in entgegengesetzter Richtung durch eine grössere Strauchpartie von Flieder und Jasmin, so erblicken wir bald den Marstall, welcher durch seine hübsche Bauart und dadurch, dass er mit wildem Wein üppig berankt ist, recht vorteilhaft aussieht. Ein anderer Weg führt von dem grossen Platz in westlicher Richtung vorbei an einigen hübschen freistehenden Exemplaren von Platanus orientalis, Liriodendron Tulipifera, Catalpa syringifolia und Abies pectinata nach einer künstlichen Steingrotte. Dieselbe ist bepflanzt mit Alpenpflanzen und verschiedenen Succulenten und bietet dem Auge eine angenehme Abwechslung. Vor dieser Grotte, nach Süden zu, ist ein Lawn-Tennis-Platz angelegt. Die Spielfelder sind eingefasst mit Ziegelsteinen, welche in Zement gesetzt sind. Der Platz ist befestigt durch Aufschüttung von klein geschlagenen Ziegelstücken sowie einer ganz schwachen Lehmschicht; dann gerammt und mit feingesiebtem Kies bestreut ist derselbe von unbegrenzter Haltbarkeit und zu jeder Zeit, selbst bald nach Regenwetter zu benutzen. Ein hierzu gehörender Sitzplatz ist so eingerichtet, dass im Rücken Deckung durch eine Steingrotte vorhanden ist. Ein Seitenweg führt durch die Steingrotte in einen schattigen Akazien- und Buchenhain.
Doch schlagen wir nun die Hauptrichtung des Parkes ein und verfolgen vom Schlosse aus den Hauptweg, der in südwestlicher Richtung in langgestreckten Kurven angelegt ist. Wir sehen hier bald einzeln, bald truppweise eine ganze Anzahl verschiedenster bekannter und auch seltenerer Gehölze. Wir nennen davon: Quercus pedunculata, Q. pectinata, Q. fastigiata, Fagus silvatica, Aesculus Pavia, Cotinus coccigea, Pinus Strobus, Abies canadensis und A. Nordmanniana.
Von dem Hauptweg zweigt sich nach rechts ein Weg ab, der, an einigen truppweise angepflanzten Lärchen und Fichten vorbei, in eine alte Lindenallee führt. Etwas weiterhin führt ein Weg links ab durch eine Gehölzpartie von Birken und Erlen nach Rhododendron-Anpflanzung und von hier aus um einen kleineren Teich herum zuletzt wieder in den Hauptweg. Rechts vom Hauptwege haben wir eine weite Rasenfläche, auf welcher einige Exemplare der im Herbst sich prachtvoll färbenden Acer rubrum L. stehen. Wir überschreiten nun eine Brücke und gelangen bald nach einer kleinen, mit Flieder bepflanzten Anhöhe. Von hier aus verbindet rechts ein mit Erlen bestandener Weg diesen Teil des Parkes mit dem schon früher erwähnten Buchenhain. Westlich von dieser Erlenallee haben wir eine Fernsicht über weithin sich ausdehnende Wiesen. Links von der kleinen Anhöhe verbindet eine lange prachtvolle Birkenallee den Park mit dem sogenannten Birkenwäldchen, einer mit gepflegten Wegen versehenen, gern aufgesuchten bewaldeten Anhöhe, welche gewissermassen als eine Erweiterung des Parkes angesehen werden kann. Hier sowohl wie im Park sind an verschiedenen Punkten einladende Ruheplätze angebracht. Von diesem Birkenwäldchen führt ein gut gehaltener Weg weiter über Wiesen und Felder bis in einen grossen Wald. Dieser Wald mit seinen romantischen Bergen und tiefen Schluchten, seinen mannigfaltigen Laub- und Nadelhölzern bietet dem Naturfreund eine Fülle des Interessanten und Sehenswerten. Man hat hier von einem hohen Berge aus eine freie, unendlich weite Fernsicht über bewaldete Berge und Täler, Wiesen und Felder bis weit über das in einem Tale sich hinziehende Dorf und über das benachbarte Landstädtchen Raudten hinweg; es ist dies eine Aussicht, wie sie schöner kaum gedacht werden kann.