Familie Friedrich und der Gasthof "Zum Gerichtskretscham"
Petschkendorf Krs. Lüben, 1885 bis 1945
Gemeinde Petschkendorf














Im Jahr 1885 erwarb der Fleischermeister Ernst Friedrich (1850-1907) mit seiner Ehefrau Emilie geb. Ziegert (1849-1901) das Haus Nr. 19 in Petschkendorf und schuf daraus den Gasthof "Zum Gerichtskretscham" mit angeschlossener Fleischerei und kleiner Landwirtschaft.

Ernst Friedrich verstarb viel zu früh im Jahr 1907 und folgte so seiner Ehefrau, die schon 1901 einem Herzschlag erlegen war.

Sohn Fritz Friedrich (1881-1948) übernahm als 26jähriger frisch gebackener Fleischermeister den Betrieb. Rechts ist eine der ältesten Aufnahmen von dem Gasthaus und dem Saal zu sehen (eine zweite ist auf der Hauptseite über Petschkendorf abgebildet). Leider besitzt die Familie diese Fotos nicht selbst.

1910 heiratete Fritz Friedrich Anna geb. Stantke (1886-1952) aus Mühlrädlitz. Die beiden sind meine Großeltern mütterlicherseits. Sie hatten 4 Kinder: Margarete verw. John, verh. Pietsch (1910 - 1985), über ihre Nachfahren mehr auf einer Extraseite! Ernst Friedrich, als 11jähriger tödlich verunglückt (1912-1923), Gertrud verh. Sawall (1913-1998), Dora verh. Kosa (1920-2007).

Es folgen der Lehrbrief des Fleischergesellen Fritz Friedrich vom 11. Mai 1898 und die Bestätigung durch den Vorstand der Fleischer-Innung Lüben, unterschrieben von August John, Carl ... und Julius Weidner.




Die Ansichtskarte rechts zeigt den Gasthof
"Zum Gerichtskretscham" im Jahr 1912
Gasthof zum Gerichtskretscham Fritz Friedrich


Abschnitt der Konzessionsurkunde vom 18. Dezember 1907
für den Betrieb einer Gastwirtschaft. Weiter unten sein Meisterbrief.

Fritz und Anna Friedrich geb. Stantke

Anna mit den Kindern Ernst, Margarete und Gertrud.

Die Töchter Margarete, Dora und Gertrud um 1928.

Die Friedrich-Mädels vor dem Elternhaus in Petschkendorf

Margarete und Gertrud Friedrich bei der Heuernte

Fritz Friedrich führte nach dem Tod des Vaters die begonnenen bzw. geplanten Baumaßnahmen fort und zu Ende. Es handelte sich dabei um den eingeschossigen Anbau für das sogenannte Post- bzw. Bankzimmer und das Trauzimmer, den für die damalige Zeit recht großen Saal und den Einbau eines modernen Kühlhauses hinter dem Fleischerladen. Es gab auch Gästezimmer, und so wurden, den "modernen Zeiten" geschuldet, die Pferdeställe für die Gäste zur Hälfte in Garagen für die Gäste umgebaut.

Fast vier Jahrzehnte konnte er mit seiner Frau und der für die damalige Zeit selbstverständlichen Mithilfe der Kinder auf dem Besitz tätig sein. Es gab immer enorm viel Arbeit, jedoch war er zupackend, äußerst lebensfroh und erfreute sich größter Beliebtheit. Es war also immer was los auf dem Anwesen der Familie Friedrich.
Gasthof und Fleischerei Fritz Friedrich, öffentliche Fernsprechstelle

Gasthof und Fleischerei Fritz Friedrich, öffentliche Fernsprechstelle


Die Landwirtschaft gab Fritz Friedrich bald auf und widmete sich ausschließlich dem Gasthof, der Fleischerei, der Post- und Bankfiliale und dem Standesamt. Er war Feuerwehrhauptmann und Vorsitzender des Ortsvereins des Kyffhäuserbundes. Ein aktiver, geselliger und angesehener Petschkendorfer!

Durch den schönen Saal gab es natürlich viele Veranstaltungen: Vereinsfeste, Tanzvergnügen und private Feiern. Auch kam in regelmäßigen Abständen ein Wanderkino vorbei, so dass die Petschkendorfer auch in dieser Beziehung auf der Höhe der Zeit waren. Für die Tanzveranstaltungen holte sich Fritz Friedrich die Musiker von den Militärkapelle der Lübener Reiter. Diese waren, genauso wie Fritz Friedrich, recht feierfreudig, was hin und wieder zu gewissen Problemen mit dem Kapellmeister führte. ("Herr Friedrich sie sollen mir meine Musiker nicht immer so betrunken machen, die fallen mir ja am nächsten Tag vom Pferd").

Mit dem "Dritten Reich" hatte Fritz Friedrich augenscheinlich nichts am Hut. Von den vielen neuen Ämtern, mit denen all und jedes dem politischen Diktat der NSDAP unterworfen wurde, wollte er keines annehmen. Er zog sich immer mehr zurück.

1945 war er nur noch Gastwirt. Das letzte Weihnachten in der Heimat begingen wir 1944 mit seinen Kindern und Kindeskindern Natürlich ohne die Schwiegersöhne, die waren alle Soldaten. Ich war damals 6 Jahre alt und völlig begeistert, Weihnachten mit meinen Geschwistern und meinen Vettern bei den Großeltern zu verbringen.

Auf die Flucht ging er mit seiner Frau und der jüngsten Tochter Dora. Sie war Gutskanzleigehilfin im Mitteldominium bei Gutsbesitzer Werner Margull und Rentmeister Georg Scholz in Petschkendorf. Ihr Mann war zum Zeitpunkt der Flucht schon in Tschermissenowo gefallen. Sie konnten sich mit ihrem Kutschwagen an das Fuhrwerk eines Bauern anhängen, da selbst der alte Schimmel zum Kriegsdienst eingezogen war. Sie sind dann in Etzdorf bei Eisenberg in Thüringen gelandet.

Wolfgang Pietsch, (1938-2018)
Fritz Friedrich (1881-1948)

Mein Großvater Fritz Friedrich (1881-1948)

Die Freiwillige Feuerwehr Petschkendorf um 1930, links vorn Feuerwehrkommandant Fritz Friedrich

Mit welcher Gewissenhaftigkeit und Akribie Fritz Friedrich seine Geschäfte führte, beweist nicht zuletzt sein Rechnungsbuch, das er bis zum bitteren Ende 1945 führte. Noch im Januar 1945 vermerkte er die Einnahmen und überwies am 3. Januar 1945 dem Finanzamt Steuern in Höhe von 20 RM 20 RPf.

Am 12.6.1945 bestätigte ihm ein Major der US-Army, dass seine "ständige Adresse Petschkendorf" durch die "jetzige Adresse Blankenhain im Kreis Zwickau/Sa." abgelöst wird.

Ein halbes Jahr später, am 3.1.1946, erhält er einen Pass der russischen Kommandantur für seinen Wohnort Etzdorf Krs. Stadtroda.

Über die Lübener Familie Pietsch mehr auf einer Extraseite!