Feldpostbriefe 1940-1942 von Hans Langner an seine Schwester
Freiwilliger Arbeitsdienst in Lüben 1932














Unter den Feldpostbriefen, die mir Katarzyna Konieczna aus Lubin zur Veröffentlichung überlassen hat, befanden sich auch einige von Hans Langner, dem Bruder von Elisabeth Siems geb. Langner. Alle wesentlichen Anmerkungen zu den Briefen habe ich auf der Seite mit den Briefen von Erich Siems gemacht. Hier beschränke ich mich auf die Wiedergabe. Heidi

Ers. Battr. 213
Feldpost-Briefstempel

Stempel: Strassburg - Els. - Neudorf
6.3.1942

Liesbeth Siems
Lüben i. Schles.
Schützenstr. 4b
Straßburg, den 7.3.1942



Mein liebes Schwesterchen!
Habe Deine liebe Karte mit bestem Dank und
großer Freude erhalten. Ich freue mich, daß es Dir
und der lieben Großmuttel noch sehr gut geht, dasselbe
ich von mir schreiben kann. Wir haben hier ein sehr schönes
Wetter, es ist bald als ob es Frühling ist. Nur schade,
daß man jetzt keinen Urlaub hat, da könnte man
an den Rhein gehen. Mein liebes Schwesterchen, zunächst
möchte ich dir zu deinem heutigen Geburtstag die herzlichsten
Glückwünsche übermitteln, ich hoffe, daß Du auch weiterhin
gesund und munter bleibst, und daß der Krieg bald ausgeht,
daß Dein Mändel* bald wieder bei Dir zu Hause ist. Was
macht denn Lüben immer noch, was gibt es denn Neues in
Lüben? Was machen denn Deine Schwiegereltern immer noch,
hat denn Erich wieder einmal geschrieben, ist er noch gesund,
und wo steckt er denn jetzt? Mein liebes Schwesterchen,
wir haben hier ein paar sehr schlechte Tage jetzt. Ich habe
seit ein paar Tagen einen sehr großen Hunger. Wir bekommen
jetzt weiter kein Brot mehr. Wir bekommen pro Mann nur
50 g. Brot, wir haben wohl den Kunsthonig, aber kein Brot. Ich
habe jetzt nach Hause geschrieben, daß sie mir Marken oder Kuchen
schicken sollen. Ich habe bis jetzt schon immer gesehen, wie
ich rumkomme, aber jetzt geht es einfach nicht mehr. Na, ich
hoffe ja, daß wir bald wieder mehr Brot bekommen.
Sonst gefällt es mir bei den Soldaten sehr gut, den Humor
habe ich nie verloren, sondern im Gegenteil ich habe
noch mehr davon bekommen. Nun möchte ich für heute














schließen in der Hoffnung, daß Du auch bald wieder einmal
an mich denkst.
Die herzlichsten Grüße und Küsse
von Deinem Bruder Hans

Viele Grüße an meine liebe Großmuttel



* Mändel - schlesisches Kosewort für Ehemann

Straßburg den 13.5.1942

Meine liebe Schwester und Großmuttel!
Bin nun wieder sehr gut in Straßburg gelandet,
bin noch gesund und munter, dasselbe ich von Euch meine [Lieben]
hoffe. Als ich in die Kaserne kam, wurde ich von meinen
Kameraden ganz groß in Empfang genommen,
das erste, was sie mir zu erzählen hatten, war,
daß ich am 14. also morgen meine Fahrt wieder
fortsetzen muß, und zwar geht es nach Afrika.
Ihr könnt euch garnicht die Freude und die Begeisterung
von mir vorstellen, wenn wir auch jetzt erst noch
einmal richtig geschliffen werden, das macht doch
einem Schneider garnichts aus, die Hauptsache ist
raus an die Front. Nun mein liebes Schwesterchen und
Großmuttel, seid bitte so gut und schreibt mir
nicht eher wieder, bis ich euch meine neue Adresse
geschrieben habe, denn es hat doch keinen Zweck.
Ihr bekommt den Brief sonst wieder zurück.
Nu, mein liebes Schwesterchen, habe deinen lieben Brief
mit den Zigaretten in Empfang genommen, habe
nochmals vielen Dank dafür. Nun möchte ich
schließen mit der Hoffnung, daß Ihr gesund und
munter bleibt.

[Am linken Rand:]
Nun seid vielmals gegrüßt und geküßt
von Eurem Hans
Die Bilder kann ich euch leider nicht mehr machen lassen, denn die Zeit ist zu kurz. Nochmals viele Grüße an Alle Hausbewohner.
Feldpost
Strassburg
14.5.1942

Abs. Kan. Hans Langner
Nachr. Ers. Battr. 213
Straßburg Neudorf Elsaß
Art. Kaserne Süd

Frau
Liesbeth Siems
Lüben i. Schles.
Schützenstr. 4b
[Ohne Datum. Aus dem Text geht jedoch hervor, dass
der Brief vermutlich am 14.5.1942 geschrieben wurde.]


Mein liebes Schwesterchen
und Großmuttel!

Möchte euch nun auch schnell wieder einmal
ein paar liebe Zeilen von hier senden. Hätte
Euch bald nicht mehr von hier schreiben können,
sollte nämlich heute morgen rüber nach Afrika
kommen, da ich aber leider überzählig war, mußte
ich leider wieder noch hier bleiben, glaube aber in
den nächsten Tagen nach drüben zu reisen. Es war
nämlich ganz gediegen hier, habe bis heut vom
Arzt Bettruhe gehabt, nämlich immer noch wegen
Ausschlag und heut als ich wieder zum Facharzt
ging, schrieb er mich wieder gesund. Als ich dann wieder
in die Unterkunft zurück kam, sollte ich sofort mit
einem Transport, der gerade nach drüben ging, mit-
gehen, war aber leider wieder überzählig. Na, ich
hoffe ja bei dem nächsten Transport dafür gleich der






erste zu sein, und endlich nach dem lang ersehnten
Afrika* zu kommen. Lange genug wäre ich wohl
schon hier, und warte immer vergebens auf die
Stunde nach drüben zu kommen. Nun denke
ich, daß ich nicht mehr zu lange warten brauche, denn
es gehen ja jetzt fast jeden Tag Transporte nach drüben.
Nun mein liebes Schwesterchen und Großmuttel,
wie geht es euch denn gesundheitlich noch? Ich hoffe,
gut. Mir geht es ...
Was macht denn Erich, hoffe doch, daß
er noch gesundheitlich auf der Höhe ist, hoffe...
einmal von ihm ein paar Zeilen zu bekommen.
Nun möchte ich schließen mit der Hoffnung, daß
ich demnächst von drüben schreiben kann.

Seid nun vielmals
gegrüßt und geküßt
von Euerm

Hans
Grüße an alle Hausbewohner
Auch nochmals einen recht schönen
Gruß an meine liebe Großmuttel.




Straßburg, Afrika, Italien - für ihn war der Krieg scheinbar ein großartiger Urlaub! Das wird auch deutlich an der Zeichnung im folgenden Brief. Eine mit dem Hakenkreuz verzierte Palme...
Dem Lübener Kleinstadtjungen gehörte plötzlich die weite Welt! Man könnte es als einfach nur lächerlich abtun, wenn man dahinter nicht die Manipulation einer ganzen Generation erkennen würde. Sie waren reif gemacht worden für diesen Krieg und wollten endlich an ihm teilhaben. Wer darin umkam, konnte das nicht mehr bestreiten.
Feldpost
22.6.1942

Frau
Liesbeth Siems
Lüben i. Schles.
Schützenstr. 4b

Abs. Soldat Hans Langner
Feldpost Nr. 45500
St. den 20.6.1942

Mein liebes Schwesterchen und Großmuttel!
Möchte nun euch auch wieder einmal ein paar
herzliche Grüße aus dem schönen Italien senden.
Mir geht es gesundheitlich noch sehr gut, das-
selbe ich auch von euch meine Lieben auch
immer noch hoffe. Haben hier ein nicht
allzu schönes Wetter, man weiß es nicht, ob
es regnen wird oder nicht, der Himmel ist
ganz dunkel, man denkt immer, es müßte
jeden Augenblick regnen. Ich sitze augenblicklich
hier in der Wachstube, und schiebe Wache, heute
macht es ja gerade Spaß, weil es gerade nicht
so warm ist, denn der Wind geht auch etwas.
Nun mein liebes Schwesterchen! Was macht denn
Erich immer noch? Hoffentlich geht es ihm auch
gesundheitlich noch recht gut, wie ist es denn,
wird er nicht auch bald einmal auf Urlaub
kommen? Zeit wäre es bestimmt bald einmal,
denn der hat sich den Urlaub bestimmt einmal
verdient. Ich werde Erich auch gleich einmal
schreiben, denn der wird sich ja bestimmt
auch so freuen wie ich, wenn er einmal Post
erhält. Nun was macht denn mein liebes Großmuttel
immer noch? Hoffentlich geht es ihr
gesundheitlich auch noch recht gut. Nun möchte
ich langsam schließen, denn ich weiß nicht
mehr, was ich schreiben soll.

Seid nun vielmals
gegrüßt und geküßt
von Hans

Viele Grüße
an alle Hausbewohner.
Wahrscheinlich ist auch Hans Langner nicht aus dem Krieg zurückgekehrt. Sein Name taucht in Lübener Quellen nie wieder auf. Vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge werden mehrere gefallene und vermisste Wehrmachtsangehörige mit Namen Hans Langner genannt. Keiner ist eindeutig als Bruder von Elisabeth geb. Langner zu identifizieren. Stellvertretend hier eine Seite über einen unbekannten Hans Langner. Es waren einfache junge Männer, in der Abgeschiedenheit einer schlesischen Kleinstadt aufgewachsen, unter den Nazis auf den Krieg vorbereitet und darin umkamen. An sie und ihr Schicksal soll hier erinnert werden, auch wenn sie durch ihren Kriegsdienst für das NS-System nicht zu den Unschuldigen gerechnet werden können. Sie haben mit dem Tod gebüßt, dass sie Befehlen folgten.