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|    | Die hier gezeigten Feldpostbriefe aus der Zeit zwischen 1939 und 1942 wurden  auf einem Dachboden in der Sybiraków-Straße in Lubin  gefunden. Dort war vor dem Krieg die Windmühlenstr. 3, wo Elisabeth Siems geb. Langner zuletzt wohnte. An sie sind alle diese Briefe gerichtet. Als sie die Briefe erhielt, wohnte sie noch Schützenstr. 4b. Schon diese wenigen Tatsachen führen uns die persönlichen und die historischen Ereignisse dieser Zeit vor Augen. Katarzyna Jakubiak geb. Konieczna aus Lubin bekam die Briefe von ihren Eltern und sandte mir die Abbildungen zur Veröffentlichung. Unser gemeinsamer Wunsch ist es, dass wir Nachkommen der Familien finden und mehr über das Schicksal aller Genannten erfahren. Die erste Postkarte, die Elisabeth irgendwann im Jahr 1943 in ein Bündel Post einschnürte, war diese Postkarte vom September 1939. 
 Sie ist noch an Fräulein Liesel Langner gerichtet und zeigt auf der Vorderseite ein Liebespaar. Er in Uniform. Daneben der Satz "Bald komme ich wieder!"
 
 Wichtige Teile des Textes fehlen. Aber jemand sendet "einen letzten Gruß aus Weißenfels... habe auf dich gewartet, aber vergebens."  Der "Jemand" kannte Elisabeths Anschrift nicht und sandte die Karte in die "Siedlungsstr. ?". Obwohl das falsch war, kam die Karte an und Elisabeth hob sie zusammen mit den Feldpostbriefen ihres Mannes Erich Siems und ihres Bruders Hans Langner auf.
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|       | Um die Lesbarkeit zu verbessern, habe ich einige Satzzeichen ergänzt, manche Schreibfehler behutsam
 korrigiert, Abkürzungen ausformuliert und
 im Zweifelsfall eine Entscheidung getroffen. H. T.
 
 
 den 1.3.1940
 
 Lieber Peter!
 Deine lieben Briefe habe ich mit
 dem größten Dank erhalten und wie
 du aus meinem anderen Briefe ersehen
 hast, habe ich nun auch die beiden Päckchen
 glücklich erhalten, das letzte war etwas
 zerschlagen, sonst war alles meist in Ordnung,
 nur die Zigarren im Beutel waren et-
 was lädiert. Ich hätte zu große Lust zu
 Euren Geburtstagen zu kommen, denn bei
 der Feier möchte ich gern dabei sein. Sie
 wird ja nicht sehr groß werden. Leider
 wird mit meinem Kommen nichts wer-
 den, aber vielleicht bin ich zu meinem
 Geburtstag bei Dir und dann feiern wir
 Deinen noch einmal. Bist du ein-
 verstanden? Ob Deine Mutter für mich
 
 
 
 
 
 
 
 viel übrig hat, weiß ich ja auch
 nicht, denn die Zigaretten hat mir ja
 Vater mitgeschickt. Wenn ich wieder nach
 Hause komme, werde ich mit ihnen
 noch einmal in Ruhe sprechen. Vielleicht
 sind sie unterdessen anderer Meinung
 geworden. Oder bei mir ist auch der Gedulds-
 faden gerissen. Die Tabletten kannst du
 ruhig behalten, denn ich glaube nicht,
 daß ich sie werde brauchen können und
 wenn schon, da kann ich mir hier auch
 welche geben lassen. Ein angenehmes
 Gefühl ist es gerade nicht, wenn man
 krank ist und man macht trotzdem
 seinen Dienst weiter. Ich hätte mich
 auch noch krank gemeldet, so war aber
 der Sonntag dazwischen, wo ich meine
 Hoffnung aufgebaut habe. Da konnte
 ich mich richtig schonen und es ist
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 auch vorüber gegangen. Unkraut
 verdirbt eben nicht! An das einsam sein
 haben wir uns schon langsam gewöhnt.
 Am meisten schaudert es uns Sonnabend
 und Sonntag weil wir da vollkom-
 men auf uns angewiesen sind. Nun
 habe ich bei einem Brief von dir ein-
 mal gelesen, daß du dich verschrieben
 hast, denn dein Name ist doch jetzt anders.
 Zuerst habe ich immer gedacht, mir könnte
 es einmal passieren. Es ist ja schon län-
 ger her, fällt mir aber erst jetzt ein.
 Sei aber bitte nicht gleich böse darüber.
 Sonst geht es mir gut, was ich auch von
 dir hoffe. Sei herzlich gegrüßt und geküßt
 von Deinem
 Erich
 Bis zum nächsten Urlaub!
 Erich Siems erwähnt in nebenstehendem Brief, dassElisabeth als Absender eines ihrer Briefe "den falschen
 Namen" verwendet hat. Vermutlich hat sie versehentlich
 noch einmal ihren Geburtsnamen Langner geschrieben.
 Das kann als Beweis gewertet werden, dass die Hochzeit
 noch nicht lange zurückliegt und dass dieser Brief
 trotz der Anrede mit "Peter" an Elisabeth gerichtet
 ist, um damit vor den übrigen Wehrmachts-
 soldaten seine Gefühle zu verbergen. Die große
 Nähe und Vertrautheit, die aus dem Brief
 sprechen, lassen keinen anderen Schluss zu.
 Bruder Hans Langner gratulierte seiner SchwesterElisabeth am 7.3.1942 zum "heutigen
 Geburtstag". Dass Erich Siems in diesem Brief am
 1.3.1940 sein Bedauern darüber ausdrückt, dass
 er nicht zum Geburtstag kommen kann, ist
 ebenfalls ein Hinweis darauf, dass dieser Brief an
 seine Frau Elisabeth gerichtet ist.
 |  
 
|           | 
 Feldpost 9.3.1940
 
 Frau Elisabeth Siems
 Lüben in Schlesien
 Schützenstr. 4b
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 Liebe Mutti!
 Deinen lieben Brief habe ich heute
 mit dem größten Dank erhalten und
 mich auch riesig darüber gefreut. Habe
 auch von Gertrud ein Päckchen mit
 Zigaretten, einer kleinen Wurst
 Bonbon, Abgerührte und ein kleines
 Fläschchen Kirschwein erhalten. Daß ich
 mich darüber gefreut habe, kannst Du
 Dir ja vorstellen. Von Richard habe
 ich bis jetzt noch nichts gehört, hoffe
 aber immer auch bald ein Lebens-
 zeichen von ihm zu erhalten. So
 warm ist es natürlich noch nicht,
 daß ich die Badehose schon gebrauchen
 könnte, es wird aber so lang-
 sam, dann will ich mich in die
 Sonne legen und braun werden wie
 ein Neger. Wenn ich werde in Ur-
 laub kommen, wirst du mich wohl
 nicht mehr wieder erkennen.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 Vielleicht kannst du mir ei-
 nen kleinen schwarzen Kamm
 und ein bißchen Schuhkrem mit-
 schicken, da wir hier die Sachen
 so schlecht bekommen, gleich braucht
 es noch nicht zu sein, denn vor-
 läufig geht es noch eine Zeit. Nun
 bin ich ganz platt, daß sich Martel
 das Bein gebrochen hat. Manchmal
 fällt man so unglücklich, daß
 gleich das Schlimmste passiert. Ich
 bedaure sie aufrichtig und wünsche
 ihr eine gute Besserung.
 Wie kommst du dir denn in der großen
 Wohnung so allein vor? Ist es nicht
 ein bißchen einsam? Du mußt dich
 eben damit abfinden. Wenn ich
 werde dann für immer zu Hause
 sein, werden wir uns schon Ab-
 wechslung machen und wenn
 wir jeden Tag sollten uns un-
 nötige Arbeit machen. Erst wird
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 das Versäumte einmal gründ-
 lich nachgeholt, denn ich glaube bei
 unserem jetzigen Leben haben wir
 allerhand versäumt. Vielleicht klappt
 es noch einmal mit meinem Urlaub.
 Wenn nichts dazwischen kommt, rech-
 ne ich mit Mitte April bis Ende.
 Dann werden wir es uns erst ein-
 mal gemütlich machen! Meinst Du
 nicht auch? Von dem Kinostück "Das
 Kind der Wüste" habe ich schon viel
 gehört und möchte es doch gern selbst
 einmal sehen. Bei uns ist es aber
 zu umständlich und dann weiß
 man nicht, was immer gespielt
 wird. Da fährt man eben so ins
 Blaue hinein, da kommt es auch
 vor, daß man das Stück schon ge-
 sehen hat. Natürlich muß man
 dann auch vorlieb nehmen. Aber
 Ostern bin ich wieder im Urlaub. Da
 werden wir uns das Leben
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 so gemütlich wie möglich
 machen. Sonst geht es mir gut, was
 ich auch von Dir hoffe. Hat sich Groß-
 mutter in Liegnitz gut erholt?
 Hoffentlich hat es ihr auch gefallen.
 Nun sei herzlich gegrüßte und geküßt
 von Deinem Erich
 Viele Grüße an Großmutter und Eltern.
 Auf ein baldiges Wiedersehen!
 
 
 
 
 
 
 In einigen Briefen redet Erich seine junge Frau mit "Mutti" an!'
 Der Inhalt beweist schnell, dass es kein Brief an seine Mutter ist.
 Offenbar hat auch die Anrede "Peter" zu Irritationen geführt.
 Noch schlimmer als ein Liebesbrief an eine Frau war offensichtlich
 unter den Wehrmachtsangehörigen die Vermutung, Erich schriebe
 Liebesbriefe an einen Mann. So entschied sich Erich für die
 schreckliche Anrede "Mutti". Was für ein Männlichkeitswahn!
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|  |  
Belgien den 12.5.1940
 Mein geliebter Peter!
 Nun habe ich Zeit Dir auch ein paar Zeilen zu
 schreiben. Wie Du siehst, ist dazu noch dies ein Feiertag und zwar
 geschieht das Schreiben auf einer Treppe, mit etwas gutem
 Willen geht auch das. Mir geht es tadellos, was ich auch
 von Euch hoffe. Wegen mir brauchst Du Dir keine Gedanken
 zu machen, denn es ist alles halb so schlimm wie Ihr
 vielleicht denkt. Du brauchst mir vorläufig nichts zu schreiben
 und zu schicken, da es doch nur unnötig Platz wegnimmt.
 Sei herzlich gegrüßt von Deinem Erich
 Viele Grüße an Alle.
 
 
 
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 |  | Frankreich den 3.6.1940 
 
 
 Lieber Peter
 Möchte Dir schnell ein paar Zeilen
 schreiben. In kurzer Zeit schicke ich 126 RM
 nach Hause. Davon sind 70 RM für Dich
 und die anderen 56 RM mußt Du nach
 Liegnitz schicken und zwar an die
 Adresse: Fritz Fellmann Groß Beckern über
 Liegnitz. Solltest Du an einem Sonntag
 gleich nach Erhalt des Geldes nach Liegnitz
 fahren, so könntest Du auch das Geld
 persönlich abgeben. Onkel Fritz würde
 gern mit Dir hinfahren. Nun möchte
 ich Dir noch mitteilen, daß ich am 1.6.
 zum Obergefreiten befördert wurde. Es
 ist ja nicht viel, aber der Mensch freut
 sich. Mit dem Geld ging es nicht anders,
 da zu wenig Postanweisungen vor-
 handen sind. Gib mir bald Bescheid, wenn
 das mit dem Geld in Ordnung ist. Nun
 sei herzlich gegrüßte und geküßt von Deinem
 Erich
 
 Viele Grüße an alle.
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 |       | Feldpost Stempel: Groß Born 10.3.1941
 Lager Westfalenhof
 
 Frau
 Elisabeth Siems
 Lüben i. Schlesien
 Schützenstr. 4b
 
 Absender:
 Unteroffizier Erich Siems
 Feldpostnummer 07859
 
 
 
 
 
 
 O. U. den 9.3.1941
 [O. U. = Ohne feste Unterkunft!]
 
 Meine geliebte Mutti!
 Deinen lieben Brief habe ich heute mit dem größ-
 ten Dank erhalten und mich sehr darüber gefreut. Ich
 freue mich, daß Du nun Dein Kostüm fertig hast und
 vor allen Dingen, daß es Dir auch gefällt. Was
 die Prüfungen belangt, so geht es schon noch, denn Du
 mußt auch die Umstände berücksichtigen, nun sieh
 nur zu, daß Du das Kleid noch gemacht bekommst,
 damit Du für den Sommer auch noch etwas hast. Ich
 denke, für einige Zeit bist Du nun versorgt. Wenn
 die Uhrmacher keine Zeit haben, so kannst du sie eben
 nicht machen lassen. Vielleicht geht es doch einmal
 in Liegnitz, so schlimm ist es doch damit nicht, denn
 sie muß nur gründlich gereinigt werden. Mit der Klei-
 derkette ist es ja auch komisch, wie kommt sie denn
 in den Hutbeutel? Wenn ich sollte zu Margot ihrer
 Konfirmation gerade zu Hause sein, wäre es ja fabel-
 haft. Ich habe nur die eine Befürchtung, daß dann
 eventuell aus unserer Reise nichts werden wird!
 Hoffentlich bist Du mir deshalb nicht böse, denn ich
 habe auch nicht früher daran gedacht.
 Daß Du auf den letzten Monat fast 7 RM mehr
 bekommen hast, wundert mich ja sehr. Bei den nächsten
 gibst Du mir immer wieder Bescheid. Wenn Du mir noch
 einmal etwas schickst, so lasse die Apfelsinen ruhig
 draußen und esse sie selbst, denn ich bin doch nicht
 
 
 
 
 
 
 so toll darauf. Nun habe ich auch vom Alfred
 das Päckchen erhalten, da kann man doch einmal
 sehen, wie verschieden sie gehen. Ich hoffe, daß Du noch
 gesund bist, was ich auch von mir sagen kann. Sei
 recht herzlich gegrüßte und geküßt von Deinem
 Erich und [unleserlicher Kosename]
 
 
 
 
 
 Eben bekomme ich noch einen Brief von Dir,
 so kann ich ihn noch gleich beantworten. Nun bin ich
 ja froh, daß meine Uhr wieder in Ordnung ist.
 Auch ich würde mich freuen, wenn ich zu Deinem
 Geburtstag bei Dir sein könnte. Leider ist es aber
 nun nicht so die Möglichkeit, denn in 3 Tagen ist
 ist es ja soweit. Ich wünsche Dir von Herzen alles Gute.
 Wenn nun Ernst wieder zur Großmutter kommt, so scheint
 ja alles in Ordnung zu sein. Ich möchte Dich sehr bitten,
 kümmere Dich um nichts. Wenn Du Dir Mühe gibt, so
 so kannst Du schon einigermaßen vernünftig schreiben,
 genauso ist es mit den Fehlern.
 Auf ein baldiges Wiedersehen.
 |  
 
 |  | Im Felde, den 22.6.1941 
 Liebe Mutti!
 Nun habe ich in den letzten 3 Tagen eine ganze Menge Post von Dir erhalten, wofür ich Dir auch auf das Herzlichste danke. Wenn Du mir auch manchesmal Un-
 recht getan hast, so nehme ich es Dir nicht einmal
 übel, denn Du hast ja auch Deinen Ärger. Wenn ich Dich
 bitten möchte, so schicke mir doch in Abständen einmal
 ein paar Zigaretten, denn hier bekommt man doch keine.
 Sonst darfst Du mir nicht böse sein, wenn Du von
 mir sehr wenig Post erhältst. Sonst geht es mir sehr gut,
 was ich auch von Dir hoffe.
 Sei recht herzlich gegrüßte und geküßt von
 
 Deinem Erich
 
 Viele Grüße an Alle.
 |  
 
 |  | Im Felde, den 29.6.1941 
 Liebe Mutti!
 Deinen Brief nebst dem Zeitungsausschnitt
 vom 20.6. habe ich mit dem größten Dank erhalten.
 Gewiß habe ich auch die Zeitungen erhalten, ich
 denke, daß es nicht so wichtig ist, um Dir auch
 das mitzuteilen, denn meistens denke ich nicht
 mehr daran.
 Bei Euch scheint sich ja manches ereignet
 zu haben! Eine neue Werkhalle und die ganzen
 Auszeichnungen, da kann man ja stolz darauf
 sein. Ich gönne es auch jedem, denn verdient hat
 es sich beinah jeder. Schmidt Paul krank - tu von
 mir die herzlichsten Glückwünsche ausrichten.
 Post bekomme ich auch sehr wenig von
 Dir, aber wie ich hörte, soll für Euch Postsperre
 sein, was für mich nicht gerade sehr angenehm
 ist, denn ich möchte vor allen Dingen recht viel
 Zigaretten. Hoffentlich kommen sie auch bald?
 Möchte jetzt aufhören, denn sonst regnet mir
 der ganze Brief noch voll. Sonst geht es mir
 gut, was ich auch von Dir hoffe. Die herzlichsten
 Grüße und Küsse sendet Dir
 Dein Erich
 Viele Grüße an Alle.
 
 
 
 [Links am Rand:]
 
 Was hier für Straßen sind,
 kannst Du Dir nicht vorstellen.
 Dazu ein Staub wie in Afrika.
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 |    | Rußland, den 23. Juli 1941 
 Liebe Mutti!
 Deinen lieben Brief mit den Zigaretten
 habe ich heute mit dem größten Dank erhalten.
 Es war auch wieder höchste Zeit, denn gestern
 Abend habe ich die letzte geraucht. Von Alfred und
 Franz habe ich auch welche bekommen. Ich staune
 überhaupt, wo Franz immer die vielen her-
 nimmt. Denn manchmal kommen in der Woche
 gleich 2 Päckchen an. Was ist nun aus dem
 Photo geworden? Bei Gelegenheit könntest Du
 auch einmal die Schachtel Nivea Creme
 schicken, ebenso einige Kuverts, denn sonst
 kann ich Dir nicht mehr schreiben. Und das
 möchtest Du doch bestimmt auch nicht. Die
 Steuerkarte von mir wirst Du ja in der Zwi-
 schenzeit an die Standortgebührnisstelle Hirsch-
 berg i. Rsgb. geschickt haben? Denn bis jetzt
 habe ich darüber noch keine Nachricht von Dir!
 Wie notwendig ich eine Uhr gebrauche, kannst
 Du Dir gar nicht vorstellen. Nach Möglichkeit
 lasse doch meine machen, damit ich wenigstens
 dann eine habe.
 Heute habe ich wieder einmal so richtige
 Sehnsucht nach Dir, denn wie schön wäre es,
 ich wäre jetzt bei dir und du würdest mich
 bemuttern und verwöhnen. Die Zeit kommt
 
 aber auch einmal, dann haben wir
 aber recht viel nachzuholen! Sonst geht es mir
 noch sehr gut, was ich auch von Dir hoffe.
 Die herzlichsten Grüße und Küsse sendet Dir
 Dein Erich
 Viele Grüße an Alle
 
 
 
 
 
 Der Krieg verhindert, dass sich zwischen den beiden eine wirkliche Liebesbeziehung und Ehe entwickeln kann. Immer mehr wird Elisabeth für Erich tatsächlich zum Mutterersatz. Ein einziges Mal erwähnt er kurz seine Sehnsucht. Meist teilt er Elisabeth seine Wünsche und Bitten für Postsendungen mit. Was für eine verlorene Generation!
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 |    | 
 Erichs Handschrift in diesem Brief unterscheidet sich sehr von der der oben abgebildeten Briefe. Zwei Jahre schrecklichster Kriegserlebnisse haben Erich Siems verändert. Er bittet in jedem
 Brief um Zigaretten und träumt davon, dass ihn seine junge Frau "bemuttert und verwöhnt". Was für ein Leben...
 
 
 
 
 
 
 Rußland, den 24.1.1942
 
 Liebe Mutti!
 Du wirst Dich schon lange gewundert
 haben, daß Du von mir in der letzten Zeit kei-
 ne Post mehr erhalten hast. Umstände und
 Zeit waren so knapp, daß es mir unmöglich
 war, auch nur eine Zeile zu schreiben.
 Gesundheitlich geht es mir noch sehr
 gut, was ich auch von Dir hoffe.
 Die Kälte war ja die erste Zeit auch ein bis-
 chen sehr streng, denn um die 40 ° haben wir
 manchen Tag gehabt. Jetzt haben wir uns aber
 schon ganz gut daran gewöhnt.
 Seit dem 31.12. habe ich von Dir auch
 keine Post mehr erhalten. Bis jetzt warte ich
 
 
 
 
 immer noch auf das Weihnachts-
 päckchen, aber einmal muß es ja auch an-
 kommen!
 Hast Du denn den Brief erhalten, wo-
 rin ich Dir mitteilte, daß ich am 15.11.
 verwundet worden bin? Ebenso, daß ich
 am 23.12. das E.K. II. Klasse erhalten habe,
 mit der Verwundung war es nicht sehr schlimm.
 Fleischwunde am linken Unterschenkel und
 einen Kratzer über dem linken Auge, hat
 gar nicht lange gedauert, bis es geheilt war.
 Nun liebe Mutti will ich schließen
 in der Hoffnung, daß wir uns gesund
 bald wiedersehen. Die herzlichsten Grüße
 und Küsse sendet Dir
 Dein Erich
 
 Viele Grüße an Alle.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 |  
 
 |    | 
 
 
 
 
 
 
 Rußland, den 20. Juli 1942
 
 Nr. 80
 
 Liebe Mutti!
 In einem herrlichen Lager will ich Dir auch
 schnell einige Zeilen schreiben. Gesundheitlich geht
 es mir noch sehr gut und hoffe, daß es auch
 bei Dir der Fall ist. Am 1.9.42 bin ich zwei
 Jahre Uffz. (Unteroffizier). Dann wirst Du
 ungefähr ... RM (Reichsmark)
 mehr Gehalt bekommen. Es kann auch
 die Möglichkeit bestehen, daß es noch ein
 bisschen dauert, gib mir doch bitte darüber
 Bescheid. Es kann die Möglichkeit bestehen,
 daß Du nach Erhalt dieses Briefes etwas
 länger warten mußt, damit Du Dich nicht
 gleich wunderst und Dir Sorgen machst.
 Nun möchte ich Dir noch mitteilen, daß
 ich am 18. Juli 1942 das E. K. 1. Klasse
 erhalten habe. Die Urkunde lege ich mit
 
 
 
 
 
 bei. Was machen denn meine Bilder?
 Im letzten Brief habe ich eine Marke für
 ein 1000 g-Päckchen mit hineingelegt.
 Jeden Monat bekommen wir eine. Wenn
 ich könnte eine Abgerührte (Rührkuchen) bekommen,
 wäre ich Dir sehr dankbar. Die herzlich-
 sten Grüße und Küsse sendet Dir
 Dein Erich und Vati
 
 Viele Grüße an alle.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 |  
 | Man braucht nicht viel Fantasie um sich vorzustellen, warum die Feldpostbriefe von Erich Siems eines Tages endeten und warum die Briefe im Januar 1945 in Lüben zurückblieben. Jahrzehnte später erlauben Katarzyna Jakubiak geb. Konieczna und ihre Eltern die Veröffentlichung der Briefe und das Erinnern an ihre Verfasser und die Empfängerin! Dank an sie! 
 Ich habe versucht, mehr über das Schicksal von Erich Siems und Elisabeth Langner in Erfahrung zu bringen. Erste Recherchequelle war die Website des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V.. Dabei musste ich feststellen, dass zwei Erich Siems gefallen sind, die als Verfasser der Feldpostbriefe in Frage kommen:  |  
 | Nachname: Siems I Vorname: Erich
 Dienstgrad: [Feldwebel]
 Geburtsdatum: 3.5.1914
 Geburtsort: [Lüben]
 Todes-/Vermisstendatum: 1.1.1945
 Todes-/Vermisstenort: Frisches Haff u. Nehrung
 | Nachname: Siems IIVorname: Erich
 Dienstgrad: Gefreiter
 Geburtsdatum: 6.1.1912
 Geburtsort: Lüben
 Todes-/Vermisstendatum: 2.12.1942
 Todes-/Vermisstenort: Feldlaz. 290 Now-Gorki
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| Die ausführliche Beratung und Quellenunterstützung von Stefan Nowack, Geschäftsführer des Vereins zur Bergung Gefallener in Osteuropa e. V. trug zur Klärung bei. Es ist kein Zweifel mehr möglich, dass Erich Siems I der Verfasser der Feldpostbriefe ist. Begründungen:
 
Erich Siems will Elisabeths Geburtstag (7.3.) mit ihr "nachfeiern". Es ist unwahrscheinlich, dass er dies erst neun Monate später tun will. Wahrscheinlicher ist, dass er im Mai bei ihr sein will. Siems II fällt als Gefreiter. Erich Siems schreibt am 3.6.1940, dass er zum Obergefreiten befördert worden sei. Laut Vermisstenbildliste des DRK, über die der  VBGO e.V. verfügt, ist Siems I als Feldwebel vermisst. In dieser Vermisstenbildliste wird zwar kein Foto gezeigt, jedoch der Geburtsort Lüben i. Schles. genannt. Warum dies auf den Seiten des Volksbunds fehlt, ist unbekannt.Das entscheidende Wissen besitzt Stefan Nowack jedoch über die Feldpostnummer 07859, die mehrfach auf Siems Briefkuverts genannt wird. Stefan Nowack schreibt: Die FPN gehörte zum Grenadier-Regiment 232. Dieses Regiment wurde ab 23.11.1940 auf dem Truppenübungsplatz Groß Born aufgestellt, den Erich Siems in seinem Brief vom 10.03.1941 erwähnt. Das Gren. Rgt. 232 gehörte zur 102. Infanterie Division. Diese Inf. Div. war 1941-1943 in Mittelrussland (Rshew, Orel und Gomel) eingesetzt. 1944 im Raum Pripjet, Brest-Litowsk, Bug, Narew und 1945 in Ostpreußen, wo Siems I seit März 1945 bei Braunsberg vermisst ist. Die Feldpostnummer auf Siems Brief, die dazugehörige Einheit und der Eintrag in den Vermisstenbildlisten des DRK zu dieser Einheit stimmen überein.
 Für die intensiven Recherchen über Erich Siems danke ich Stefan Nowack sehr herzlich. Seine Hinweise haben mich überzeugt, auch wenn einige Fragen ungeklärt bleiben. Auf einem Foto in der Lübener Heimatzeitung von 1957 ist ein Erich Siems abgebildet. Dort erfahren wir, dass er von Beruf Maler war und 1932 am Freiwilligen Arbeitsdienst teilgenommen hat. War er Erich Siems II? In einer Adressliste in einem Lübener Heimatblatt von 1959 wurde angegeben, dass Elisabeth Siems geb. Langner in Mönchröden lebte und Alfred Siems in Chemnitz! Als Vorkriegsadresse wurde für beide die Windmühlenstr. 3 in Lüben angegeben! Wer war Alfred Siems? Erichs Vater? Oder sein Bruder? Ob Elisabeth jemals Kinder hatte? Gibt es Nachfahren, die ihr Schicksal kennen? Einen neuen Ansatz bietet Horst Klemz, dessen Großvater Paul Kühn aus der Bahnhofstr. 30 zusammen mit Alfred Siems in russischer Kriegsgefangenschaft war. Paul Kühn verstarb in Gefangenschaft, Alfred Siems kam nach Chemnitz! Horst Klemz will versuchen, mehr über diese Zeit im Leben seines Großvaters und über Alfred Siems zu erfahren. Wir drücken ihm die Daumen! 
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| Abschließend möchte ich die Ergebnisse meiner Recherchen, die nun dem anderen Erich Siems (II) aus Lüben zuzuordnen sind, hier wiedergeben:
Demnach ist er, der am 6.1.1912 in Lüben geboren wurde, am 2.12.1942 in Russland gefallen. Er hat seine letzte Ruhestätte auf dem Soldatenfriedhof in Korpowo gefunden. (Lage in Russland)
Auf einer russischsprachigen Website fand ich eine ausführliche Dokumentation über die Bergung der sterblichen Überreste der Gefallenen beider Seiten auf dem riesigen Schlachtfeld des Kessels von Demjansk, über die einfachen Gräber für die Toten der sowjetischen Armee und den würdig gestalteten Deutschen Soldatenfriedhof (youtube-Video mit Ton), der vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge errichtet wurde. 
 
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