Alfred Neumann (1872-1954)
Dr. med. Rudolf Opitz (1897-1973)














Alfred Neumann (1872-1954)

Am 21. Oktober 1952 feierte Konditormeister Alfred Neumann in Lüneburg seinen 80. Geburtstag. Ein alter Lübener Freund, der ihn nach eben überstandener Operation und siebenwöchigem Krankenhausaufenthalt besuchte, begrüßte ihn mit den Worten: "Du siehst halt immer noch wie Hindenburg aus!" Und so ist es auch. Das vierkantige Gesicht des Konditormeisters, die ergrauten Stehhaare und der weitgeschwungene Schnurrbart mögen der äußere Anlaß zu diesem Scherznamen gewesen sein. Daher wurde auch seine Konditorei scherzweise "Café Hindenburg" genannt.

Alfred Neumann entstammt einer fleißigen, angesehenen Tuchmacherfamilie aus Goldberg. In Breslau erlernte unser Landsmann das Konditorhandwerk. Nach beendeter Lehrzeit schnürte Alfred Neumann sein Ränzel und wanderte in 14 Wochen durch den Sudetengau und Bayern nach der Schweiz, um in St. Gallen, Bern und Flawil seine Kenntnisse zu erweitern. Dann führte ihn sein Wanderweg nach Aachen, Lübeck und Hamburg, bis er 1903 in Lüben die ehemalige Pech'sche Konditorei am Ring käuflich erwarb. Am Hubertustage des gleichen Jahres, als die blauen Bredow-Dragoner gerade zur Schnitzeljagd ausritten, vermählte er sich mit der Tochter Marie des Bäckermeisters August Kirchner von der Tiefen Straße.

Alfred Neumann (1872-1954)

Zur Zeit der Übernahme bestand der Betrieb nur aus dem Laden und einem Zimmer. Im Laufe der Jahre wurden die Einrichtungen der Konditoreiwerkstätte auf den modernsten Stand gebracht. In rastloser Arbeit, unterstützt von seiner geschäftstüchtigen Frau, konnte Alfred Neumann seinen Betrieb immer mehr vergrößern, und so entstanden bald durch Umbauten drei große freundliche Gasträume. Der Ausbruch des letzten Krieges verhinderte die Durchführung des Planes, eine weitere Vergrößerung durch Verlegung des Ladenraumes nach dem Grundstück Steinauer Straße 2 vorzunehmen.

Die Konditorei Neumann am Ring in Lüben gehörte zu den bestbesuchten Gaststätten der Stadt. Vielen Schlesiern aus der weiteren Umgebung war die Konditorei das Ziel sonntäglicher Autofahrten. Zahlreiche Reisende, die mit ihren Wagen wöchentlich den Raum zwischen den Nachbarstädten aufsuchten, trafen sich am Montagmorgen im "Café Hindenburg". Handwerksmeister, Ärzte, Kaufleute, Beamte und Angehörige der Lübener Garnison fügten sich am großen eichenen Stammtisch zu einer Gemeinschaft zusammen, wie man sie nur in einer Kleinstadt antreffen kann. Der Sonnabend stand im Zeichen der Bauernschaft. Unaufhörlich stolperten dann die Würfel über den Stammtisch und suchten nach einem "Opfer" für eine Runde Wünschelburger oder Gottesberger Pilsner.

Bei seinen Gästen war Alfred Neumann sehr beliebt, immer war er zu Scherz und Humor aufgelegt. Mancher Verein hielt hier seine Versammlungen ab. - Uneingeschränkt wurden die Backwaren seiner Konditorei gelobt und haltbare Torten und Weihnachtsgebäck gingen jedes Jahr bis ins Ausland. Alfred Neumann war treues Mitglied der Lübener Schützengilde und des Riesengebirgsvereins. Unser Landsmann hatte auf seiner Flucht mit den Seinen harte Wege zu beschreiten. Er lebt mit seinen beiden Töchtern Margarete Randt und Helene Pernak und deren Familien zusammen in Lüneburg. Im Jahre 1951 verstarb ihm seine Frau, bald hätten sie das Fest der Goldenen Hochzeit feiern können. Von seiner körperlichen Frische hat der Achtzigjährige nur wenig eingebüßt; auch er hofft auf eine Heimkehr in die Lindenstadt Lüben.

Fritz Pernak, 1952

Werbeaufdruck auf einer Postkarte

Conditorei Alfred Neumann Lüben. Mit Dank an Tomasz Mastalski!

Conditorei Alfred Neumann Lüben. Mit Dank an Tomasz Mastalski!


Dank der akribischen Recherchen von Werner Merz und Ehefrau können hier weitere Informationen und Dokumente aus dem Leben von Alfred Neumann und seiner Familie angefügt werden! Herzlichen Dank für die freundliche Mitwirkung!

Geschäftsanzeige von Alfred Neumann im Lübener Heimatkalender 1942, S. 167

Hier an der Ecke von Steinauer und Liegnitzer Straße lag das berühmte Café von Alfred Neumann, das wegen dessen Ähnlichkeit mit Generalfeldmarschall und späterem Reichskanzler Paul von Hindenburg auch "Hindenburg-Café" genannt wurde!

Und dies eine Aufnahme aus dem Jahr 1925! Am Eingang links steht vermutlich Marie Neumann, die geschäftstüchtige Ehefrau. Alfred Neumann hatte große Pläne zur Erweiterung des Cafés. So war geplant, die Räume des Hut-Geschäfts von Hermann Opitz in sein Café einzubeziehen, um mehr Gäste aufnehmen zu können. Der Krieg machte seine Pläne zunichte.
In Lüneburg fand er mit seinen beiden Töchtern Margarete Randt und Helene Pernak eine letzte Bleibe.

Diese Fotos der Familien Neumann und Randt stammen aus dem Nachlass von Willy Kirchner und seiner Frau Johanna und wurden von deren Tochter Charlotte bis zu ihrem Tode im März 2019 aufbewahrt. Marie Neumann war die Schwester von Willy Kirchner.

Auf der Rückseite dieses Fotos steht geschrieben:
Aufnahme von 1950.
Christa, Wolfgang und Uli. Zum Andenken an eure Schwester und Schwägerin, Lüneburg, den 26.1.1953


Die auf dem Foto abgebildeten Kinder Christa, Wolfgang und Hans-Ulrich waren die Kinder von Margarete Randt, also die Enkel von Alfred und Marie Neumann. Auch über ihre Mutter fand ich einen aufschlussreichen Artikel im Lübener Heimatblatt 2/1974, den ich hier unwesentlich gekürzt wiedergebe:

Margarethe Randt

Die Nachricht vom so plötzlichen Hinscheiden unserer Heimatfreundin Margarete Randt geb. Neumann hat die große Zahl der Freunde, aber auch alle die, die sie kannten, erschüttert. Unser Beileid gilt den drei Kindern mit ihren Familien, an denen sie sehr hing: die Enkelkinder waren ihre besondere Freude. Unsere "Neumann Grete", wie sie eigentlich doch noch immer von den Lübenern, besonders von ihren Schulkameradinnen, genannt wurde, ist nicht mehr. Wir haben mit ihr einen aufrechten, treuen Schlesier, ein Lübener Kind verloren.

Margarete Randt wurde am 20. Mai 1908 als zweite Tochter des Konditormeisters Alfred Neumann und seiner Frau Marie geb. Kirchner geboren. Sie wuchs mit ihrer Schwester Helene treu umsorgt auf und besuchte in Lüben die Höhere Töchterschule, verlebte ihre Jugendzeit auch in Lüben. Sie war ein fröhlicher Mensch, der schon in jungen Jahren dem Leben das Gute abzugewinnen wusste, ihre Natürlichkeit schuf ihr auch in späteren Jahren überall Freunde. Der Musik war sie zugetan, auch wenn sie nicht viel vom langweiligen Klavierüben hielt. Sie spielte nach Gehör fast jedes Stück, und so wissen wir noch, dass sie als Schülerin die verschiedenen Musikstücke, die einmal zuvor die Kapelle des Reiter-Regiments auf dem Marktplatz als Ständchen gebracht hatte, daheim im Lokal am Klavier nachspielte. Als unser Kantor Kornetzky einmal zu einer Trauung nicht pünktlich erschien, das Brautpaar aber schon anwesend war, setzte sie sich an die Orgel und spielte, so rettete sie die Situation.

Margarethe Neumann heiratete am 2. Januar 1929 den Lehrer Willy Randt aus Liegnitz und zog mit ihm dorthin in die Wallstraße l in ihr eigenes Heim. Der Weg führte sie sehr oft nach Lüben, so dass sie mit ihrer Geburtsstadt eng verbunden blieb. Der Krieg zwang auch sie, die Heimat zu verlassen. Sie fand zuerst mit den Eltern in Thüringen ein Unterkommen, bis die gesamte Familie einschließlich Schwester Helene mit Familie in Lüneburg ansässig wurde. Ihr Ehemann wurde Leiter der größten Sonderschule Hessens in Wiesbaden, die nach seinem Entwurf gebaut worden war. Am 8. Oktober 1965 verlor Grete Randt ihren Ehemann.

In landsmannschaftlicher Hinsicht hatte sich Ldsm. Randt in Wiesbaden sofort sehr aktiv eingeschaltet und er gründete die Heimatgruppe Liegnitz mit Lübener Tisch. Er wußte durch seine Führung der Gruppe Leben zu geben, und hier stand ihm Grete treu zur Seite. Es war beiden ein Herzensbedürfnis, der Heimat zu gedenken und sich für sie einzusetzen. Nach dem Tode des Ehemannes führte Margarete Randt eine Zeitlang die Gruppe. Seit Jahren war sie in der Sing- und Trachtengruppe Wiesbaden aktiv tätig und nahm an den großen Auslandstreffen teil. Ihr Haus stand Besuchern immer offen. Es war ein Treffpunkt von Schlesiern.

Nach einer schweren Operation verschlechterte sich ihre Gesundheit. Sie verlebte das Weihnachtsfest 1973 noch bei ihrer Tochter Christa in Limburg*. Weitere Operationen halfen nicht, sie schlief ruhig ein. Ein erfülltes Leben liegt hinter ihr. Unsere Grete Randt war stets hoffnungsvoll, mutig, bescheiden und wollte nie mit ihren Leistungen erwähnt werden. Viele gute Freunde gedenken ihrer mit Wehmut und Dankbarkeit. Erika Hoffmann-Rehmie

* Im Telefonbuch ist unter der gleichen Adresse ein Herr namens Randt eingetragen. Vielleicht finden die Enkel der Margarete Randt diese Seite und vervollständigen das Andenken an ihre Vorfahren.