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Konrad Klose, Geschichte der Stadt Lüben, Verlag Kühn Lüben, 1924, S. 120/121
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gotsch ging von Lüben über Raudten nach Köben vor, wo er in der
Nacht vom 10. zum 11. Oktober die Oder überschritt, um das
schwedisch-sächsische Korps bei Steinau im Rücken zu fassen. Graf
Thurn, der Befehlshaber des Korps, hatte das Kavallerieregiment
von Gersdorff auf der Straße nach Lüben wohl bis Zedlitz-
Schwarzau vorgeschoben, das Kavallerieregiment von Stössel
gegen Köben. Als er die Gefahr der Umzingelung erkannte, warf
er alle verfügbaren Truppen bei Bautke Schaffgotsch entgegen.
Sie wurden aber von der feindlichen Übermacht aufgerollt und in
wilder Flucht nach Steinau zurückgetrieben. Inzwischen war
Wallenstein in Eilmärschen herangekommen. Am 10. Oktober
war sein Hauptquartier in Groß-Krichen444). Am folgenden
Tage brach er mit seinem Heere früh um 4 Uhr auf und rückte
in Schlachtordnung gegen Steinau vor445). Das Gersdorffsche
Regiment wurde nach leichtem Gefecht zurückgeworfen. Auf dem
Sandberge bei Tauer ließ Wallenstein 70 Geschütze auffahren
und gegen die Steinauer Schanzen richten. Graf Thurn konnte
sich mit seinem geschlagenen Korps, das durch den fluchtartigen
Rückzug überdies stark dezimiert war, nicht halten und kapitu-
lierte. Dieser Sieg brachte Schlesien wieder in die Hände des
Kaisers. Gallas übernahm den Oberbefehl, Melchior Hatzfeld
und Rudolph Colloredo wurden ihm zur Unterstützung beigegeben.
Lüben behielt den Winter über kaiserliche Besatzung, vielleicht
vom Regiment Gallas, zu dem wohl auch die Kompagnie des
Hauptmanns Konrad Tempelmann gehörte, dessen Anwesenheit
in der Stadt bezeugt ist446).
Am 25. Februar 1634 wurde Wallenstein ermordet. Sein
Tod und die Verhaftung Schaffgotsch's wirkten lähmend auf die
Kriegsoperationen der Kaiserlichen, während die Verbündeten
durch ihre Uneinigkeit an entscheidenden Schlägen gehindert wur-
den. So entwickelte sich in Schlesien ein Kleinkrieg, der ohne
Entscheidung fortgeführt wurde und sich vornehmlich um Breslau
drehte, das die Kaiserlichen erobern wollten. Am 30. März zog
Colloredo die Regimenter Trost und Hardeck nebst 100 Wins'schen
Reitern bei Lüben zusammen, um Hatzfelds Marsch gegen Oels
zu unterstützen, das die Schweden durch Handstreich genommen

444 Täglichsbeck a. a. O. Am 10.10.33 erläßt Wallenstein von
Gr. Krichen aus einen Lagerbefehl an Clam Gallas.
445 Lübener Taufregister: Am 12.10. wird in Lüben ein Soldaten-
kind getauft, dessen Vater dem Dietrichsteinschen Regiment angehörte,
"als die Kayserl. Wallensteinische Armee vorbeimarschieret".
446 Am 4.2.34 wird "ein Reuter aus Mähren" von des Oberst
Gallas Leibkompagnie begraben. Am 19.4.34 wird ein Soldatenkind
aus der Kompagnie des Hauptmanns Konrad Tempelmann getauft.
Auch die Umgegend von Lüben war stark mit Militär belegt. - Am
1. Januar 1634 erstickte das Töchterlein des Schneiders Hans Guschke
in Kniegnitz "bei starker Kriegseinquartierung im Bettlein".
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hatten447). Im April erschien ein schwedisches Heer unter Banner
in Schlesien, wurde aber von Arnim, der auf seine Verbündeten
eifersüchtig war, am weiteren Vorrücken gehindert. So war
Lüben unversehens wieder zwischen die feindlichen Linien geraten.
Arnim stand mit den Sachsen bei Glogau, Colloredo mit den
Kaiserlichen in Liegnitz, einzelne vorgeschobene Abteilungen der
Kaiserlichen hielten Lüben besetzt448). In Scharen flüchteten die
Bewohner der Nachbardörfer nach Lüben, um sich einigermaßen
gegen die Ausschreitungen der Soldateska zu schützen449). Der
Zusammenstoß der feindlichen Heere erfolgte indes in größerer
Ferne. Arnim schlug die Kaiserlichen am 13. Mai bei Liegnitz;
letztere behaupteten aber die Stadt. Die Sachsen waren nach
ihren Siege gegen Breslau gezogen und wandten sich von dort
gegen die Steinauer Schanzen. Die dortige kaiserliche Besatzung
wich dem übermächtigen Gegner aus, erlitt jedoch durch eine von
Arnim nachgeschickte Abteilung empfindliche Verluste. Auch bei
Lüben fand ein Gefecht statt450). Die fünf Soldaten des Collo-
redischen Regiments, "so durch einbruch und plünderungen des
kursächsischen Volcks ihr Leben aufgeben müssen" und am 5., 6.
und 7. August begraben wurden, sind wohl bei dem Rückzuge der
kaiserlichen Besatzung vor dem eindringenden Feinde gefallen.
Auch viele Lübener Bürger sollen dabei ums Leben gekommen
sein oder schwere Verletzungen erhalten haben451). Daß es bei
diesem Sturm sehr heiß hergegangen ist, ist sicher. Nach späteren
Berichten wurde am 3. August das Rathaus und das Zechhaus
von den sächsischen Truppen erbrochen und geplündert; nicht bloß
die Kassen wurden ausgeraubt, sondern auch das städtische Archiv
wurde völlig verwüstet452). Auch die Plünderung der Rüstkammer
und die Beraubung der Bäcker- und Fleischerlade dürfte bei dieser
Gelegenheit erfolgt sein453). Erwähnt sei noch, daß am 10. Juli

447 Z. G. XXXV Seite 281.
448 Am 8. Mai läßt Peter Öttinger, Leibkutscher Ihrer Exzellenz
Herrn Obristen Colloredo, in Lüben sein Kind taufen. Ebenso fanden
am 10.5.1634, 30.6.1634 Soldatentaufen statt; am 6.7.1634 wird
Korporal Wilhelm von Venloh aus Amsterdam als Taufvater genannt.
449 Am 29.6. läßt Hans Riesig, "ein Bawersmann zu Schönborn",
sein Kind in Lüben taufen, das in der Liegnitzschen Heide geboren wor-
den war, "dahin sie der Kriegsgefahr halber gewichen".
450 Vielleicht erfolgte das Gefecht zwischen der abziehenden kaiser-
lichen Besatzung und den hereinbrechenden Sachsen.
451 Angabe des Organist Heinrich im Lübener Stadtblatt 9.12.1886.
Im Totenregister wird erwähnt, daß der Malzmüller Jochen Scholz, der
am 16.8. begraben wurde, seinen Verletzungen erlegen sei.
452 Staatsarchiv Rep. 28 O. A. Lüben betr. Kirchliche Angelegen-
heiten, Bericht des Rats vom 31.3.1716, der den Ueberfall fälschlich
schwedischen Truppen zuschreibt. Die Holzaxt, mit der die Rathaustür
erbrochen wurde, wurde bis zum Brande von 1757 im Ratszimmer
aufbewahrt.
453 Organist Heinrich a. a. O. verlegt dies Faktum ins Jahr 1635.
In diesem Jahre blieb jedoch Lüben von feindlichem Ueberfall verschont.