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Konrad Klose, Geschichte der Stadt Lüben, Verlag Kühn Lüben, 1924, S. 124/125
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werden würde, wenn die Stadt nicht sofort Zahlung leistete. Für
den Fall, daß die Exekution notwendig sei, würde jedem Dragoner
pro Tag 6 sgr., dem Kommandanten 1/2 rtl. zu zahlen sein. Obwohl
die Liegnitzer Räte alsbald berichteten, daß die Summe bereits
gezahlt sei, meldete der Lübener Rat am 31. Mai, daß eben ein
Korporal mit 9 Mann eingetroffen sei, um die angedrohte Exeku-
tion zu vollziehen: "Wie nun uns armen leuten, die ohne dieß
mit der wöchentlichen contribution ohnangesehen dieselbe mäßig,
ohne incarcerirung der Leute nicht fortkommen können, bey
solchem stecken allerhand nicht wenig Bekümmertes fürfallet, auch
soviel wir uns erinnern, dergleichen frachtgelder von uns längst
gut gemacht, also haben wir die exequenten unterdessen in geduld
sich zu verhalten angemahnt vnd vor vnser Vorstadt im Kretschame
so lange gelassen, bis wir von Ew. Fürstl. Gnaden die gewisse
resolution, was wir uns hierinnen zu verhalten, erlangen möch-
ten". Die Erledigung der Sache zog sich durch Berichte und
Gegenberichte in die Länge. Inzwischen befahl Oberst Schönkirch
dem Korporal, das Kommando sollte sich nichts abbrechen lassen.
Infolgedessen wollten sich die Dragoner an den 6 sgr. nicht mehr
genügen lassen, sondern "alles volle genüge haben". Endlich
wurde jedoch die Exekution eingestellt. Nun erhob Schönkirch
Anspruch auf Erstattung der entstandenen Kosten. Der Lübener
Korporal "ließ sich dahin vermerken, das, weil der Obriste im
Auffbruch begriffen wehre vnd seynen sammlungs Platz zu Frey-
stadt haben sollte, Er seinen march veil dieser Ursach willen leicht
von Guhr aus auf die Steinaw richten, nachmals daselbsten über
die Oder gehen vnd alsdann sich im Lübnischen angegebener
maßen bezahlt machen würde". Erklärlicherweise weigerte sich der
Rat, die Kosten einer zu Unrecht verfügten Exekution zu tragen;
sie wurden wohl anderweitig gedeckt. Der drohende Sturm hatte
sich schnell und ohne zu schaden gelegt. - Als ein Zeichen zuneh-
mender Verrohung der Sitten müssen die beiden Mordtaten an-
gesehen werden, die im Sommer innerhalb der Bürgerschaft ge-
schahen. In Oberau ermordete am 10. Juni der Lübener Tuch-
macher Lorenz Löser seinen Zunftgenossen David Schütze, und am
10. August brachte der Schlosser Christoph Seifert seinen Nachbarn,
den Töpfer Balthasar Manigel, ums Leben.
Noch standen der Stadt schwerste Jahre bevor. Schon
im Winter 1638/39 merkte man, daß Schlesien wieder Kriegs-
schauplatz werden würde. Um den drohenden Einbruch Banners
abzuwehren, hatte der Kaiser eine größere Anzahl Regimenter
nach Schlesien verlegt, die in Niederschlesien Winterquartier be-
zogen. Anfang Februar fanden im westlichen Teile des Lübener
Kreises größere Truppenbewegungen statt461). Zwischen Lüben

461 Das folgende nach Akten aus dem Staatsarchiv Rep. 28 VII 1c.
Bericht des Lübener Rats vom 6.2.1639, Falckenhayns vom 6.2.1639.
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und Polkwitz lagerten 7 Regimenter, in Oberau und Kleinkrichen
das Lambische, in Gläsersdorf das Coloredische, in Seebnitz und
Kotzenau das Regiment Graf Rettberg und so fort; die ganze
Gegend bis Spröttchen hin lag voll Soldaten. Der Lübener
Hauptmann Georg Friedrich von Falkenhayn auf Brauchitschdorf
begab sich nach dem Hauptquartier in Oberau und berichtete von
dort, alles sei voll Truppen, und weil die Dorfleute nichts mehr
hätten, die Soldaten aber sich übel hielten, begännen die Bewohner
zu fliehen. Sie wären so erschöpft, daß er nicht mehr wüßte,
"wo forthin Quartier zu geben". Etwas Proviant habe er von
der Stadt aus mitgenommen, indes wären die Soldaten "der
Pferde begierig und fingen auch an, das Rindvieh mitzu-
nehmen". Dabei meldete der Bürgermeister von Polkwitz, daß
6-7 weitere Regimenter im Anmarsch begriffen seien, "wo etwa
solche ihren Kopf hinausstecken würden, wäre ihme verborgen".
Am 6. Februar sollte der Aufbruch der Truppen erfolgen; 3 Regi-
menter hatten Rendezvous in Kaltwasser und Marschrichtung nach
Liegnitz, 2 andere sammelten sich bei Mallmitz und rückten nach
Parchwitz ab. So war man die unliebsamen Gäste wieder los,
aber zum Verlassen des Fürstentums waren sie nicht zu bewegen.
Herzog Georg Rudolph wandte sich am 7. Februar an den Ober-
landeshauptmann Georg Wenzel von Münsterberg mit beweg-
licher Klage über den Zustand seines Fürstentums: "In den
letzten Tagen ist fast das ganze der Winterquartiere halben assig-
nierte Volck durch unser Fürstenthum auf allen Seiten gegangen,
auch zuweilen stille gelegen, wie nicht weniger die aus dem
Glatzischen zurückverwiesenen Völcker über 8 Tage darinnen ge-
rastet und noch rasten; danebst denn noch heute dato sich der
Zustandt vorhelt, vnd ist vnsern armen Unterthanen allenthalben
großer Schaden geschehen, dergestalt, daß wir wol nicht sehen, wie
bey so gestelten Sachen dieselben weiteres werden folgen können".
Der Herzog bat, daß man die betreffenden Regimenter zum Ver-
lassen des Fürstentums bewegen und die Proviantzufuhr so regeln
möchte, daß die Soldaten nicht zu Gewalttätigkeiten getrieben
würden.
Die Regimenter zogen wohl weiter, aber die kaiserliche Be-
satzung blieb und die Verpflegungskosten wurden allgemach
drückend; Lüben hatte eine Kompagnie zu versorgen462). Zum
Unheil reizte aber die Schwäche der kaiserlichen Truppen in
Schlesien den Feind zum Einbruch in das wieder zu Kräften
gekommene Land. Vom Süden drangen die Streifscharen Ban-
ners ein, vom Norden der Reitergeneral Dewitz, der sich in
Beuthen a. O. einen Stützpunkt schuf und von hier aus seine ver-
wegenen Scharen das Land durchstreifen ließ. Am 25. September

462 Rep. 28 VII 1c. Beschwerden der fürstlichen Räte in Liegnitz
vom 7.5.1639.