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Konrad Klose, Geschichte der Stadt Lüben, Verlag Kühn Lüben, 1924, S. 186/187
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Auf dem Markte stand das im gotischen Stil erbaute steinerne
Rathaus. Es umfaßte drei verschiedene Gebäude. Das eigentliche
Rathaus enthielt im Erdgeschoß, wo einst die Salzkammern lagen,
Branntweinschankstuben, im ersten Stockwerk die Ratszimmer, im
zweiten die Rüstkammer, darüber die Turmuhr mit einem eisernen
Werk und den außen hängenden Glocken. Außen war auch das
fürstlich-liegnitzsche und das kleinere Stadtwappen in Stein ge-
hauen zu sehen. An das Rathaus schloß sich ein langer Anbau,
in dessen Erdgeschoß sich früher die Brot- und Schuhbänke befan-
den, die aber bereits unter fürstlicher Regierung eingegangen
waren und nur noch als Gerechtigkeit existierten. Seitdem war
hier nur noch das städtische Archiv in zwei Gewölben vorhanden.
Der erste Stock enthielt einen großen Saal für die Versammlungen
der Bürgerschaft und eine Schöppenstube, die aber dem Accisamt
eingeräumt worden war. Um das Dach lief eine hölzerne Galerie,
auf der an Jahrmärkten und sonstigen Freudenfesten die Kunst-
pfeifer musizierten. In dem dritten am Rathause befindlichen Ge-
bäude war die Stadtwage untergebracht, darüber lag die Schöp-
penstube, darunter der Ratskeller. An der Rathaustreppe befand
sich ein steinerner Röhrkasten, der - wie die anderen 5 Röhr-
tröge - sein Wasser aus der städtischen Wasserleitung erhielt.
Die 3 städtischen Brunnen lagen - wie noch in neuerer Zeit -
auf den Hilgewiesen bei Altstadt; von ihnen führten zwei Röhren-
leitungen das Wasser in die Stadt.
Der Ring war noch von den alten Lauben umgeben. Der
Besitzer des Grünen Baums, Samuel Stahn, hatte um 1733 ihn
massiv über vier Pfeilern gewölbt. Die innere Stadt zählte 161,
die unter dem Rate stehenden Vorstädte 74 Häuser, die Liegnitzer
und Steinauer
Amtsvorstädte 140 Häuser, sodaß im ganzen 375
Wohnhäuser vorhanden waren570). Die meisten waren von Holz
mit Lehmfachwerk, nur wenige massiv gebaut. Wenig schön waren
die hölzernen Dachrinnen, die über die halbe Straße hinausragten
und in Wahrheit den Fußgänger vom Regen in die Traufe
brachten.
Ein Rundgang durch die Stadt führt uns zu dem städtischen
Brau- und Malzhause an der Stadtmauer hinter der Mälzergasse.
Es brannte 1732 ab und wurde 1734 neu erbaut. Ihm gegenüber

570 So nach den Katasterakten und den Inventarakten. Der Ring
zählte 33 jetzt 31, die Niederglogauer Str. 23 jetzt 21, die Oberglogauer
Straße
26 jetzt 19, die Judengasse 12 jetzt 13 Häuser (Schloßstraße 11
und 12 wurden jedenfalls erst nach Abbruch des Judenturmes erbaut),
die Steinauer Straße in der inneren Stadt damals 18 jetzt 14, die
Liegnitzer Straße 13 jetzt 11, die Tiefe Straße 15 jetzt 14, die Mälzer-
gasse
7 jetzt 5, die Kirchgasse 6, die Schulgasse 6 Häuser. Dazu 5 Rats-
bauden am Rathause. Uebrigens zählte Lüben 1816 nur 342 Wohn-
häuser, 1861 erst 357. - Lucae berichtet in seinen Denkwürdigkeiten Tl. II
1244 ff. von 1689, daß die meisten Häuser hölzern seien. Auch in den
Katasterakten von 1723 werden an den Getreide- und Gewandlauben
am Ringe steinerne Häuser besonders aufgeführt.
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lag das ebenfalls 1732 errichtete Stockhaus571), in dem der Scharf-
richter wohnte. Außerdem enthielt es sechs Gefängniszellen, ein
Zimmer zum Verhör und eins "zum bürgerlichen Arrest".
Rühmend konnte hervorgehoben werden, daß die Zellen geräumig
und hell seien und Öfen besitzen, "daß also die gemeine Klage über
die üblen Gefängnisse, die bereits eine Strafe vor die Delinquen-
ten sind, hier nicht statthat". Übrigens war aber auch ein gewölb-
ter Keller zur Vornahme der Tortur vorhanden. Zwischen der
Liegnitzer und Tiefen Straße - wohl im Zuge der jetzigen Wall-
straße - zwischen Privathäusern lagen die Fleischbänke, ein hölzer-
nes baufälliges Gebäude. Unfern davon an der Stadtmauer
befand sich der Stadtstall. - Ging man durch das Glogauer Tor
nach der Vorstadt, so hatte man zur rechten Hand an den Stadt-
wall anstoßend den städtischen Bauhof mit einem Spritzenhause,
ein zweites lag am Ringe, ein drittes in der inneren Stadt am
Glogauer Tor. Weiter hinaus gelangte man zum Schießhaus.
Es war aus Ziegelfachwerk erbaut und gehörte zur Hälfte der
Stadt, zur Hälfte der Schützenbrüderschaft. Daneben befand sich
ein Lustplatz mit Vogelstange. Hinter dem Schießhause lag die
städtische Ziegelei, zu der ein Wohnhaus für den Ziegelstreicher,
eine Ziegelscheune und ein Ziegelofen gehörte. Zwischen der
Hospitalmühle und der Sperlingsmühle wurde in späterer Zeit
eine Schneidemühle angelegt. Vor dem Glogauer Tor befand sich
ein städtischer Kretscham, der für 35 rtl. verpachtet war. Vor dem
Liegnitzer Tor wurde auf Beschluß der Dreidingskommission vom
21. Januar 1615 zwischen den nach Liegnitz und Breslau führen-
den Straßen ein Kretscham angelegt, damit Fremde, die abends
oder früh vor dem Tore ankämen, Gelegenheit zum Herbergen
hätten.
Die Stadtpolizei wurde im Auftrage des Rats von dem
Stadtwachtmeister wahrgenommen, der ein Dienstgebäude in der
Mälzergasse bewohnte. Ihm lag es ob, die Bürgerjüngsten,
nachdem sie sich im Scheibenschießen geübt hatten, im Gewehr zu
exerzieren und sie möglichst soweit zu bringen, daß sie erforder-
lichenfalls "nicht jemand anders, sondern einem geübten Bürger
ähnlich sehen möchten". Außerdem war dem Stadtwachtmeister
die städtische Rüstkammer im Rathause unterstellt. Sie enthielt
allerdings nur traurige Überreste ehemaliger Herrlichkeit, nämlich
6 kurze Gewehre, 2 Hellebarden, 4 alte Kürasse, ein altes Schwert,
das bei der Vereidigung der Ratsbedienten gebraucht wurde, ein
paar alte Degen, 18 Stück Doppelhaken und 17 alte Flinten.
Als Kuriositäten wurden im Sitzungszimmer des Rats Hirsch-
fänger und Flinte des früheren Jägers Fritsche aufbewahrt, der
einst in der Stadtheide einen Tiroler ermordet hatte, und eine
zerbrochene Axt, mit der einst ein sächsischer Soldat die Rathaus-
türen erbrochen hatte. Sache des Stadtwachtmeisters war es

571 Bahnhofstraße 2.