Zum Gesamtüberblick Zur vorigen Seite Zur nächsten Seite Zur letzten Seite (Inhalts- und Abbildungsverzeichnis)
Konrad Klose, Geschichte der Stadt Lüben, Verlag Kühn Lüben, 1924, S. 320/321
- 320 -

dem Donat und einem Kompendium; es begannen die Übungen
im lateinischen Sprechen und Schreiben; privatim wurde Dekli-
nation und Konjugation, Formenlehre und Syntax befestigt. In
der vom Konrektor geleiteten II. Klasse wurden Etymologie und
Syntax weitergeführt, Stilübungen im Anschluß an das Compen-
dium Gorlicense - eine von Görlitzer Philologen überarbeitete
Nomenklatur - und die Sententiae morales ex Salomono
Syracide und die Fabeln Äsops. In der I. Klasse, welcher der
Rektor vorstand, wurde der Latein-Unterricht namentlich in Lek-
türe, Stil und Rhetorik erweitert und Ovid, Terenz und Ciceros
Briefe gelesen; neu aufgenommen wurde in den Lehrstoff das
Griechische im Anschluß an die Grammatik Melanchthons. Die
beiden oberen Klassen erhielten auch Rechenunterricht nach dem
Rechenbuch des Johann Seckerwitz, das 1557 in dritter Auflage
erschienen war. Zu berücksichtigen ist, daß alle vier Klassen in
einem Schulzimmer gleichzeitig unterrichtet wurden. Im allge-
meinen besuchten die Schüler etwa bis zum sechzehnten Lebens-
jahre die Schule und gingen dann, falls sie akademische Bildung
erstrebten, zumeist nach Breslau an das Elisabethan, um dort ihre
Vorbereitung für die Universität abzuschließen737).
Die Leistungen der Schule hingen sehr von den jeweiligen
Lehrern, besonders vom Rektor ab. Rektor Gottfried Purrmann,
welcher 1647 die Leitung übernahm, ließ es sich angelegen sein,
die Schule in die Höhe zu bringen. Davon geben die Programme
für die in den Jahren 1659-62 gehaltenen Schulaktus738) Kennt-
nis. Ihr Inhalt sei kurz skizziert. Am 6. Juni 1659 wurde ein
Actum Declamatorium de Re Scholastica gehalten. Den deutschen
Prolog über Schulzweck, Schulfreude und Schulwissen sprach
Johann Lichtner aus Fraustadt. Lateinisch sprach über die
Etymologie des Wortes Schola Friedrich Kölichen (Lüben), über
das Alter der Schule Christian Profe (Lüben), über die große Zahl
der Schulen Johann Hayn (Fraustadt), über die Pflicht der Obrig-
keit zur Erhaltung der Schule Michael Kirchhof (Lüben), über den
Dienst der Eltern David Pauli (Lüben), über das Verdienst der
Lehrer Michael Purrmann (Lüben), über die Pflicht der Schüler
Christoph Krusche (Lüben); den deutschen Dank an das Auditorium
übermittelte Bernhard Nitzschmann (Lüben). - Dem Schulaktus
am 15. Juli 1660 war das Thema gegeben: "Artium organicarum
Heptazodien"; Johann Heimann (Fraustadt) sprach im allgemeinen
über die freien Künste, Michael Purrmann über Grammatik,
David Pauli über Rethorik, Michael Kirchhof über Poetik, Frie-
drich Kölichen über Logik, Christian Profe schloß mit dem Aus-
druck des Dankes mit einer Ansprache über Mnemonik. - Am
20. Juni 1661 wurde über das Studium der Sprachen deklamiert:

737 Daher der lebhafte Briefwechsel Lübener Lehrer und Schüler mit
Johann Gebhardt am Elisabethan. cf. Stadtbibliothek Breslau Hss. R. 255.
738 Stadtbibliothek Breslau F. 2. 592/5. Programme.
- 321 -

Christian Profe über Deutsch, Friedrich Kölichen über Hebräisch,
Michael Kirchhof über Griechisch, Michael Purrmann über Latein;
außerdem wurden deutsche Gedichte vorgetragen: "Über die Ge-
walt der Winde", "Über die Kometen", "Über die ungewöhnlichen
Donner", "Über die Überschwemmungen". 1662 waren die vier
Fakultäten Gegenstand der Reden; die beiden Abiturienten
Christian Profe und Friedrich Kölichen verbreiteten sich teils in
freier, teils in gebundener lateinischer Rede über die Philosophie,
Theologie, Jurisprudenz und Medizin. Von Rektor Purrmann
stammt wohl auch der Schematismus lectionum739) vom 14.4.1761,
ein Pensenverteilungsplan mit methodischen Bemerkungen über
den Lateinunterricht. -
Mochte der innere Betrieb der Schule sich auf der Höhe be-
finden, wie dies von den Visitatoren bei der Kirchenvisitation
vom 20. November 1654 bezeugt wurde, so machten sich doch je
länger je mehr zwei Umstände geltend, welche den Bestand der
Schule gefährdeten, der Mangel an Schülern, denn die Bevölke-
rung war im Dreißigjährigen Kriege dezimiert worden, und die
dürftige Besoldung der Lehrer, die schon dazu geführt hatte,
daß man sich zeitweilig mit drei Lehrkräften begnügte und von
1646-1659 das Kantorat mit dem Konrektorat vereinigte. Der
vorerwähnte Visitationsbericht meldet von der Schule folgendes:
"Die lateinische Schule haben wir auch ziemlich wohl mit ihren
Praeceptoribus, deren anitzo 3 sind: Rektor Gottfried Purr-
mann, Cantor Gottfried Simmerlin et Auditor Johann Scholz
Lubeniensis, welche von den Geistlichen sowohl als dem Rath und
gemeine Bürgerschaft de meliori rekommandieret worden, bestellt
gefunden, die Lectiones und methodum informandi anders nicht
als selbst probieren können. Indem sie aber über ihre geringen
Salaria sich fast hoch beschwereten und angegeben, des Rectoris
zwar auf jährlich 40 rtl. Geld, 8 Scheffel Korn und 8 Klaftern
Holtz neben einem sogen. Weishaupts Legato 10 rtl., welches aber
lange in Rest blieben, kein Accidens als von Begräbnissen ins-
gemein 5 sgr., mit Leichenpredigt doppelt, Cantoris in allem von
Kirche und Schule zusammmen jährlich 37 rtl. 18 sgr. und 4 Klaf-
tern Holz, und vom gemeinen funere 11 sgr., vom doppelten
doppelt, Auditoris jährlich in allem 17 1/2 rtl. und 4 Klaftern
Holz, vom einfachen Begräbnis 4 sgr. 6 pf., dazu allen dreien im
Neujahr und Gregoritag zu gleichen Teilen 2 Umgänge; bäten
conclusive um des mangelnden Conrectoris Besoldung 24 rtl.,
weil sie doch dessen Labores übertragen müssen. Dagegen ent-
schuldigt E. R. und Gemeine solches mit der Unmöglichkeit, weilen
die Reditus scholastici (Zinseinkünfte der Schule) gar sehr
auf wüsten Häusern und Gärten verloren gingen, wollten
auch lieber einen Conrektorem annahmen, da sie zu dessen

739 Stadtarchiv Breslau, Ortsakten Lüben.