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Konrad Klose, Geschichte der Stadt Lüben, Verlag Kühn Lüben, 1924, S. 344/345
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nur durch einen Gewaltstreich gelöst werden konnte. Man hatte
die zweiten Knaben- und Mädchenklassen wieder zu gemischten
Klassen gemacht, sodaß von 1841 ab die Schule neben den beiden
ersten Knaben- und Mädchenklassen 4 gemischte Klassen und
außerdem eine Armenschule zählte. Letztere erhielt wöchentlich
21 Stunden Unterricht der abwechselnd von den Lehrern der
III. und IV. gemischten Klasse erteilt wurde. Nachmittags erhielt
sie keinen Unterricht. Nach einigen Jahren erforderte die wach-
sende Kinderzahl eine neue Vermehrung der Lehrkräfte und
Klassen. Die IV. gemischte Klasse zählte 1844: 165, 1846: 159
Kinder. Infolgedessen nötigte die Regierung am 21. Februar
1847 den Magistrat zur Anstellung eines neuen Lehrers. Gewählt
wurde Laube, der am 1. Oktober 1847 antrat und die fünfte
Elementarklasse übernahm. Die Schule zeigte nun nach Organi-
sation und Klassenfrequenz folgendes Bild: Armenschule: 49
Kinder, V. Gem. Klasse (Laube): 86, IV. Gem. Klasse (Koschel):
76, III. Gem. Klasse (Schädel)765): 87, II. Gem. Klasse (Klär): 86,
I. Gem. Klasse (Reiche): 68, I. Mädchenklasse (Knittel): 48,
I. Knabenklasse (Dausel): 39, zusammen 539 Kinder. Aber bald
nach Beginn des Schuljahres erfolgte eine Änderung. Je länger
je mehr hatte sich der Mangel einer Anstalt geltend gemacht,
welche die Söhne der Beamten, Offiziere, bemittelten Bürger usw.
für das Gymnasium vorbereitete. In der I. Knabenklasse wurden
wohl die Anfangsgründe des Latein gelehrt, aber das reichte nicht
aus. Infolgedessen hatte der Kandidat Reiche vor seinem Über-
tritt in den städtischen Schuldienst eine Privatschule unterhalten,
die von dem Kandidaten Freund fortgesetzt wurde. Um der
Konkurrenz zu begegnen, löste die Stadt die I. Gem. Klasse auf
und bildete zwei Knabenklassen unter Dausel und Reiche; letzterer
erhielt den Konrektortitel. Für beide Klassen wurde neben Latein
der obligatorische Unterricht im Französischen eingeführt. In-
folgedessen ging die Privatschule ein. Die Armenschule wurde
kassiert, und ihre und die Mädchen der I. Gem. Klasse vorerst
unter die anderen Klassen verteilt, bis später der Einheitlichkeit
wegen eine zweite Mädchenklasse gebildet wurde. Drei Jahre
später war die Schülerzahl auf 666 gestiegen; die IV. Gem. Klasse
zählte über 200 Kinder und mußte geteilt werden, es bestanden
also seit 1851 zwei IV. Klassen als Parallelklassen. So blieb die
Verfassung der Schule bis zur Reorganisation.
Für die wachsende Klassen- und Kinderzahl reichten die
Räume des Schulhauses längst nicht mehr aus, da es ja nur sechs
Schulzimmer enthielt. Die neugebildeten Klassen mußten in
Mietsräumen untergebracht werden. Da das Archidiakonat seit
1831 unbesetzt blieb, wurde das Pfarrhaus für Schulzwecke in
Anspruch genommen; die IV. Gem. Klasse erhielt von 1841 ab

765 Schädel starb am 17. April 1848; sein Nachfolger wurde Günther.
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dort ihr Schullokal und der Klassenlehrer seine Dienstwohnung.
Zehn Jahre später wollte die Stadt das Gebäude erwerben, um
es als Schulhaus auszubauen. Das Kirchenkollegium erklärte
sich hierzu bereit, und die Liegnitzer Regierung stimmte am
31. März 1851 ebenfalls zu, aber das Konsistorium widersprach,
da es das Archidiakonat wieder besetzen wollte. Im Jahre 1853
mußte das Pfarrhaus geräumt werden; die Stadt mietete 1853
im ersten Stock des dem Tuchmacher Ismer in der Judengasse
gehörigen Hauses ein Schulzimmer und 1854 ein weiteres im
Tischler-Erdmann-Haus an der Ecke der Mälzergasse und des
Kirchplatzes. So war man wieder bei den ungeeigneten Schul-
lokalen angelangt.
Für die innere Ausstattung der Schule geschah manches,
wenn auch nicht viel. Wie dürftig es am Anfange des Jahrhun-
derts damit bestellt war, beweist das Inventarverzeichnis der
Bürgerschule von 1813, welches an Schulutensilien einige Schul-
bücher, ein Mikroskop, ein Tellurium und ein Winkelmaß auf-
weist. Am 8. April 1843 beschlossen die Stadtverordneten die
Anschaffung einer Schulbibliothek; eine Lehrerbibliothek galt
ihnen noch 1858 als überflüssig. Einen Fortschritt bedeutete die
Einführung des fakultativen Turnunterrichts, welche 1845 von
der Schuldeputation genehmigt wurde. Am 9. Juli 1845, nach-
mittags 4 Uhr, wurde die "Turnanstalt" feierlich eröffnet, wozu
die Schuldeputation Eltern, Freunde und Gönner eingeladen
hatte. An hundert Kinder zogen, wie das Stadtblatt berichtet,
geleitet vom Bürgermeister, den beiden evangelischen Geistlichen,
dem katholischen Pfarrer, mehreren Lehrern und von den um die
Sache verdienten Herren Rechtsanwalt Kretschy und Wegebau-
meister Schäffer u. a. zum Turnplatz; voran das Trompeterkorps
der 4. Kürassiere. Auf dem Turnplatze sangen die Kinder ein
Turnlied, Burkmann hielt eine angemessene Rede, Bürgermeister
Krause eine Ansprache, die mit einem Hoch auf den König schloß,
und Koschel ließ einige Freiübungen vornehmen. Die Turn-
freunde suchten die Sache weiter auszubauen und beantragten im
folgenden Jahre die Anstellung eines Turnlehrers, Beschaffung
von Geräten u. dergl. Die Stadtverordneten begnügten sich indes
damit, den Schießhausplatz als Turnplatz zu bewilligen und dort
Geräte aufzustellen. Unter dem Lehrer Laube geriet das Turnen
nach und nach in Verfall, und 1850 schlief es ganz ein. Erst später
lebte es wieder auf.
In der Mitte der fünfziger Jahre erkannte man allgemein
an, daß das Schulwesen einer gründlichen Reform bedürfe. Die
Überfüllung der Klassen, der Mangel an geeigneten Räumen, die
Fehler im organischen Aufbau des ganzen Systems, die unhalt-
bare gymnasiale Einrichtung der beiden Knabenklassen: alles
drängte auf eine gründliche Umgestaltung der Schulverwaltung.
Am 21. Juli 1856 faßten die Stadtverordneten den diesbezüg-