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Konrad Klose, Geschichte der Stadt Lüben, Verlag Kühn Lüben, 1924, S. 478/479
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gemeinden, abirren zu sehen, wollte er an die Stelle der Volkskirche
die Missionskirche setzen und bemühte sich deshalb, hin und her
kleine Brennpunkte geistlichen Lebens zu schaffen. Um einer
Versündigung beim Genuß des hl. Mahles zu entgehen, emp-
fahl er seinen Anhängern Enthaltsamkeit (S. 91). Luther und
die Seinen sahen in ihm nicht mit Unrecht (S. 79, 89f.) den
Feind jeden äußeren Kirchentums. Sie bekämpften bald aufs
heftigste den "Stenkfeld", der mit Schwarmgeistern und Wieder-
täufern
im Bunde stehe. 1529 entschloß sich Friedrich II. zur
Trennung von seinem Ratgeber. Dieser schied, um seinem
Fürsten das Verhältnis zum König Ferdinand zu erleichtern,
wurde in Straßburg zunächst freundlich aufgenommen und begab
sich 1534 nach Schwaben, wo er, als Ketzer verfolgt, ein Leben
der Verbannung führte. Dort wirkte der adlige Evangelist
bewußt selbständig gegenüber Luther in der Stille für eine
schriftgemäße Reformation nach seinem Sinn, allen Streitigkeiten
der Theologen abhold, stets die Überparteilichkeit biblischen
Christentums betonend. Im Glöcknerhause zu Ulm verschied er
fröhlich und getrost am 10. Dezember 1561 (vergl. Karl Ecke,
"Schwenckfeldt, Luther und der Gedanke einer apostolischen
Reformation", Berlin 1911). - Seine Anhänger überstanden
besonders in Schlesien unter vielen Entbehrungen (vergl. Hinke,
"ein nachreformatorisches Zeitbild aus Lüben", Kalender des
"Lübener Stadtblattes" 1912, S. 89) die Zeit der lutherischen
Orthodoxie, empfingen neue Nahrung durch den Pietismus und
wanderten nach Nordamerika aus, wo sie bis heute für das Ver-
ständnis ihres großen Lehrers arbeiten. - (Siehe Bild.)

Benjamin Schmolck, geb. am 21. Dezember 1672
als Sohn des Pastors Schmolck zu Brauchitschdorf bei Lüben,
früh zum Dichten angeregt auf dem Gymnasium zu Lauban. Auf
der Universität Leipzig vermochte ihn nur der Einfluß seines
Vaters daran zu hindern, daß er das damals von kalter Ortho-
doxie bestimmte Studium der Theologie mit dem der Medizin
und Naturwissenschaften vertauschte. Da sich der junge Dichter
bald einen Ruf als Prediger erworben hatte, bot man ihm am
12. Dezember 1702 die Stelle eines Diakonus an der Friedens-
kirche zu Schweidnitz an. Hier waltete er in vorbildlicher Treue
seines schweren Amtes, begütigend und besonnen im aufreibenden
Kleinkriege mit der jesuitisch-kaiserlichen Gegenreformation, auf-
recht unter schweren Schicksalsschlägen in seiner Familie. Zahl-
reiche Sammlungen geistlicher Lieder machten seinen Namen
berühmt. Er wurde der fruchtbarste evangelische Kirchenlieder-
dichter Schlesiens, den seine Zeitgenossen neben Paul Gerhard
zu stellen wagten. Der Vorwurf, den er einmal selbst seiner
Poesie macht: "Wenn die Bäume oft gerüttelt werden, so lassen
sie auch unreife Früchte fallen" erscheint zwar bei seinen mehr als
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Bild in der Kirche zu Brauchitschdorf