Der Braunauer Gasthof "Zur goldenen Grenzbirke"
Gemeinde Braunau














Gasthof "Zur goldenen Grenzbirke"

An der großen Straße Lüben-Kotzenau, bis Seebnitz die Reichsstraße 117, lag etwa 1 km vor dem Dorf Braunau waldumrauscht der Gasthof "Zur goldenen Grenzbirke". Hierher konnte man in den Jahren 1908, 1927, 1934 und 1938 gerade zu Pfingsten eine Menge von Fußgängern, Pferdewagen und später Kraftwagen des Weges ziehen sehen, die alle als Ziel die "Birke" hatten. Es waren Angehörige der großen Sippe Ernst, die hierher kamen, um im Kreise ihrer Sippenmitglieder ein paar Stunden froh zusammen zu verleben. Was aber zog sie nun alle gerade hierher?

Gasthof 'Zur goldenen Grenzbirke' bei Braunau um 1900

Gasthof zur Birke

Der Gasthof "Zur Birke" war ein einfacher Landgasthof, einsam gelegen, aber umgeben von den wunderbaren, tiefen Wäldern der Niederschlesischen Heide. So klein und unbedeutend er erschien, so hatte er doch schon ein kleines Stück Weltgeschichte mit erlebt, davon kündet dem Ortskundigen der "Napoleonsweg". Er begann gegenüber der "Birke" und stellte die Verbindung zum Dorfe Spröttchen her. Eigentlich war er ein Stück der Straße, die von Lübenwalde nach Haynau führt und an der Ostseite des Gasthofs die Reichsstraße 117 kreuzt. In den letzten Jahrzehnten vor 1945 war er auf der Nordseite der Reichsstraße nur als toter Weg erkenntlich, während er eben südlich davon zum Dorfe Spröttchen führte. Julius Ernst, geb. 3. 7. 1852 im Gasthof "Zur Birke", erzählte, wie der Weg zu seinem Namen kam:

"In einer finsteren Winternacht, es soll in der Nacht vom 12. zum 13. Dezember 1814 gewesen sein, hat ein hoher französischer Offizier im Gasthof zur Birke Auskunft und Weisung für den Weg nach Haynau gefordert. Im Geleit dieses Offiziers ist Kaiser Napoleon gewesen. Ein Junge aus der Birke hat mit einer Stallaterne den Offizier ein weites Stück Weg - einige Stunden lang - befehlsgemäß bis auf die jetzige Reichsstraße 117 gewiesen. Er erhielt dafür von dem Offizier eine Geldmünze." So weit Julius Ernst. Von einer anderen Seite wird dazu noch berichtet, daß der Kaiser und sein Gefolge in der "Birke" die Stiefel gewechselt und ein Frühstück eingenommen hätten. Der Kaiser hätte nichts gesprochen, sein Gefolge auch nur wenig und das auch nur in halblautem Tone. Weiter hätte der Offizier, der dem Jungen die Münze gab, diesen darauf aufmerksam gemacht, daß der, dessen Gesicht auf der Münze geprägt sei, im Schlitten sitze.

Natürlich war weder diese geschichtliche Begebenheit noch die schöne Lage des Gasthofs der einzige Grund, die Sippentage Ernst gerade dort zu begehen: Die Ursache lag darin, daß der Stammvater des jetzigen Geschlechtes der Ernst, Joh. Karl Friedrich Ernst, im Jahre 1847 den Gasthof "Zur Birke" erwarb und ihn mit seiner Frau Ernestine Wilhelmine, geborene Pega, bis etwa 1885 bewirtschaftete. Hier wurden außer dem Ältesten seine sechs Söhne und eine Tochter geboren, die also in der "Birke" aufwuchsen und die eigentlichen Träger des heutigen Geschlechtes Ernst sind. In der Mehrzahl in Lüben oder in der Nähe ansässig geworden, sind sie mit der Stadt selbst und ihrer nächsten oder weiteren Umgebung eng verwachsen und durch ihre Nachkommen wieder mit achtbaren Familien verwandt und verschwägert, die alle ein starkes Zusammenhörigkeitsgefühl in sich trugen und gern zu den Treffen der "Ernste", deren erstes 1908 stattfand, in der "Birke" erschienen. Selbstverständlich fanden sich auch die Sippenangehörigen ein, die in Glogau, Liegnitz und Trebnitz ansässig waren.

Schon 1908, wie auch an den späteren Sippentagen, war es die größte Freude für die jüngeren Generationen, den Erzählungen der Alten zu lauschen, die so interessant von ihrer Kindheit hier in der "Birke" zu berichten wußten. "Die Jungen mußten schon zeitig mithelfen. So war z. B. die Pflege der brennenden Kienspäne zur Abendzeit in der Gaststube die Arbeit der Birkenwirtjungen. Ebenso hatten sie den Transport der gefesselten Kälber zu übernehmen, die sie in einer Streuschwinge auf einer Radwer (Brettkarren) auf der alten Straße, die damals noch unbefestigt war, nach Lüben zu den dortigen Fleischern bringen mußten, da von denen keiner ein Pferd besaß. Bis zur ‚Birke' wurden die gekauften Kälber auf der Schulter getragen, und dann besorgten eben die Jungen den weiteren Transport."

Anzeige im Liegnitzer Tageblatt 1939

Auch von fröhlichen Ferientagen erzählten Angehörige der nächsten Generation, die zu Besuch bei den Großeltern als Enkelkinder geweilt hatten. Da waren manchmal Schweinezüchter mit ihren Wagen voll Ferkeln auf der Fahrt von Rawitsch her gekommen und hatten in der "Birke" übernachtet, was dann als fröhliches Ereignis gewertet wurde. Diese und andere Erzählungen entrollten ein Bild aus der Vergangenheit der "Birke", das immer wieder fesselte.

An einen meiner letzten Besuche in der "Birke" habe ich eine Erinnerung ganz anderer Art. Ich beobachtete, daß Hornissen irgendwie in der Nähe der "Birke" zu sein schienen und fragte den damaligen Wirt, Karl Schreiber, danach. Er erzählte mir, daß ich mit meinen Beobachtungen recht hatte, daß aber Hornissen schon seit Jahren ein Nest oben in einer kleinen Kammer des Wohnhauses hätten, wo die Fahnenstange aus dem Fenster heraussah. Auf meine besorgte Frage, ob da nicht Menschen oder mindestens die Pferde, die in den Ställen auf der anderen Seite der Straße, gegenüber von dem Gasthof, standen gestochen würden, behauptete Herr Schreiber, daß die Hornissen noch nie einen Menschen oder ein Tier aus der "Birke" belästigt hätten. So konnte ich mich meines Aufenthaltes in der "Birke" wieder ohne Besorgnis erfreuen.

Es war immer schön in der "Birke", und unsere Sippentage waren es ebenfalls. Die Zeiten sind vorbei, und es bleiben nur die Erinnerungen, die uns mit einer gewissen Wehmut alte Bilder von der "Birke" betrachten lassen.

Gertrud Ernst in LHB 1/1960
Geschäftsanzeige vom Birken-Wirt Paul Umlauf aus dem Jahr 1928 im Führer durch die Lübener Landschaft, herausgegeben von der Ortsgruppe Lüben des Riesengebirgsvereins. Von ihm übernahm Karl Schreiber den Gasthof.