Kotzenauer Wappen
Erinnerungen an die Kotzenauer Schützengilde
Kotzenau














1. Erinnerungen von Rudolf Bieske

In unserem Heidestädtchen gab es viele Vereine. Turn-Vereine, Gesang-Vereine, Frauen-Vereine, aber der bedeutendste mit Tradition war der "Schützen-Verein", die Schützengilde. Alljährlich wurde von ihm ein "Königs-Schießen" veranstaltet. Schon Tage vor Pfingsten begann die Spannung mit der Frage: Wer wird wohl in diesem Jahr den besten Treffer auf der "Königs-Scheibe" erreichen und die "große Königskette" umgehängt bekommen? Und wer werden der "1. Ritter" und der "2. Ritter" sein? Der Schützen-Verein hatte einen ganz besonderen Protektor, einen Sponsor, wie man heute sagt. Es war der Burggraf zu Dohna.

Am Pfingstsonntag-Abend fand die Proklamation des Königs mit seinen zwei Rittern statt. Dem König wurde vom Schützen-Major Zickenberg die große schwere Königskette umgelegt, und er bekam den Königsorden als persönliche Anerkennung. Die große Kette konnte er nun ein Jahr lang tragen, bis der "neue König" bekannt war. Damit der Schützenkönig nicht die ganze Last der Feierlichkeit finanzieren mußte, bekam er vom Burggrafen zu Dohna als Beihilfen ein zentnerschweres Schwein aus dem Stall des Dominiums (mehr als 200 Schweine waren dort vorhanden), zweihundert Mark für Getränke und Bedienung und zwei Klafter Holz aus dem Forst.

Als mein Vater im Jahre 1927 seinen "Königs-Schuß" in die Mitte der Scheibe setzte, da war dies für uns Kinder - Gretel, Hans und Rudi Bieske - eine dolle Sache, denn wir waren jetzt "Königskinder". Sicher ist auch unsere Mutter stolz darauf gewesen, aber als sie dann an die bevorstehenden Verpflichtungen dachte, da lief ihr doch ein Schauer über den Rücken. Ganz anders war es bei den "Schützenbrüdern", denn einen Schützenkönig Bieske hatten sie noch nicht in ihrer Mitte feiern können.

Vielleicht kann ich Ihnen allen, meine lieben Landsleute aus Kotzenau und Umgebung, eine kleine Freude und einen Einblick geben, wenn ich Bilder von damals beifüge. Der Schützenkönig mit der "Königskette", die er nur ein Jahr und bei besonderen Anlässen tragen durfte. Dann der "Königs-Orden", den der Schützenkönig behielt, und schließlich eine Medaille "200jähriges Jubiläum vom 18.5.1924", auf der Rückseite der Kopf des "Grafen und Burggrafen zu Dohna".

Rudolf Bieske in LHB 4/1996

Justin Bieske, Kotzenauer Schützenkönig 1927

Justin Bieske, Kotzenauer Schützenkönig 1927

Rudolf Bieske (* 1917) war einer der Söhne des Kotzenauer Zahnarztes Justin Bieske (1885-1966) und seiner Ehefrau Elfriede geb. Hübner (1889-1977), einer Tochter des Großkotzenauer Kantors und Lehrers Georg Hübner. Sein Bruder war Johannes Bieske (1915-2011), seine Schwester Margarete geb. Bieske (1913-1958). Daniel Franke verdanken wir eine Erinnerungsseite an seine Kotzenauer Vorfahren ebenso wie die Wiedergabe der Festschrift zum 200-jährigen Jubiläum der Schützengilde Kotzenau im Jahr 1924.


Königsorden der Kotzenauer Schützenkönige 18.5.1924 - 200 Jahre Schützengilde Kotzenau 18.5.1924 - 200 Jahre Schützengilde Kotzenau
Links der Königsorden der Kotzenauer Schützenkönige. Daneben der Orden aus Anlass des 200jährigen Jubiläum der Schützengilde zu Kotzenau. Die Vorderseite zeigt das Bild des Schirmherrn der Gilde, des Grafen und Burggrafen Willy zu Dohna, Klein-Kotzenau. Die Rückseite nennt das Datum 18.5.1924.

Erinnerung an das 200jährige Jubiläumsschießen am 18. Mai 1924

Zur Erinnerung an das 200jährige Jubiläumsschießen am 18. Mai 1924

Jennifer Bernard erkannte auf dem Bild ihren Urgroßvater Gustav Bernard (Nr. 14), der irgendwann sogar einmal selbst der Schützenkönig war!
Gottfried Andrusch erkannte in Nr. 30 seinen Vater Hermann Andrusch (* 1871), damals Obergärtner in der Gräflichen Gärtnerei in Kotzenau. Außerdem erkennt er in Nr. 29 Zahnarzt Justin Bieske und in Nr. 56 Oberförster Bruns. Wer weitere Personen auf dem Bild erkennt und mitteilen will, kann von mir eine größere Abbildung erhalten! Heidi T.


2. Erinnerungen von Paul Scheibke

Der älteste Kotzenauer Verein war wohl die Schützengilde. Für die Jugend war es ein ganz besonderes Vergnügen, wenn die Schützengilde am 2. Pfingstfeiertags zu ihrem Königsschießen nach dem "Schießhause" ausmarschierte.

Vor dem Hause des Schützenhauptmanns Brendel (Schuhmachermeister, Ring 11) wurde angetreten. Die Schützen, bekleidet mit ihren dunkelgrünen Waffenröcken mit schwarzem Kragen und Aufschlägen, schwarzen Hosen, Zylinder - linke Krempe nach oben - geschmückt mit einem dunkelgrünen Federbusch, waren bewaffnet mit einem ziemlich langen Hirschfänger und ihrem Gewehr (Vorderlader), in dessen Mündung ein Blumenstrauß steckte. Der Schützenhauptmann Brendel hatte einen weißen Federbusch. Epauletten und Degen, die gleiche Ausstattung trug Leutnant Talke (Besitzer eines kleinen Ladens in der Bauergasse), nur der Federbusch war halb weiß, halb grün.

Dann ging es los! Vornweg die Hüttenkapelle, vor ihr Polizist Tschierschke. Der bisherige Schützenkönig wurde abgeholt, und dann marschierte alles nach dem "Schießhause". Auf dem einzigen dort vorhandenen 100-Meter-Stande entwickelte sich bald ein lebhafter Kampf um die neue Königswürde. Wir Jungen waren natürlich beim "Zieler" in der "Anzeigerdeckung", einem kleinen Häuschen, das seitwärts von der Scheibe stand. Der "Zieler" zeigte den Schuß auf der Scheibe an.

War es aber eine 12 (der beste Schuß), dann rannte der Zieler um die Scheibe herum und wir Jungen mit ihm. Im Schießhausgarten waren inzwischen die zahlreich aufgestellten Paschtische umlagert und so mancher Pfefferkuchen wurde gewonnen. Der Einsatz betrug 1 Pfennig (!), und so manches Mal wurden die Taschen förmlich umgedreht, wenn der Paschtischinhaber rief: "Schimmel und Liese sind noch zu besetzen!" Das war eine nie zu vergessende Freude!

Mein Großvater Traugott Scheibke war sechsmal hintereinander Pfingstkönig. Mit der Königswürde war ein Preis von 20 Mark der Schützengilde und 10 Klaftern Scheitholz des Grafen zu Dohna verbunden. Ich besitze noch den Hirschfänger meines Großvaters mit der Aufschrift auf der Klinge "T. Scheibke 1842" und eine Königsmedaille mit der eingravierten Widmung "Kotzenau 1859".

Paul Scheibke in LHB 7/1954

Auszug zum Kotzenauer Schützenfest 1925

Auszug zum Kotzenauer Schützenfest 1925, fotografiert von Lehrer Thiele

3. Erinnerungen von Günther Hoffmann

Am 1. Feiertag begann das Fest mit Wecken und anschließendem Konzert auf dem Marktplatz, ausgeführt von unserer Hüttenkapelle unter Leitung von Herrn Pfitzner. Viele Häuser hatten Birkenschmuck angelegt. Am frühen Nachmittag versammelten sich die Mitglieder der Gilde in ihren Uniformen vor dem Hause des Majors. Dieses Amt bekleidete damals Fleischermeister Gasde (zuvor Lederhändler Zickenberg). Nachdem die Kameraden exakt angetreten waren, wurde die Fahne unter den Klängen des Präsentiermarsches abgeholt. Nun schwang sich Herr Gasde auf sein Pferd und nach dem Kommando: "Rechts um, Schützen marsch!" setzte er sich an die Spitze seiner Abteilung.

Gleich hinter der Fahne trug Herr Kade, mit federngeschmückter Kopfbedeckung, die Königsschießscheibe. Als Polizeischutz fungierten Hauptwachtmeister Schiller oder Kalow. Erste Station des Zuges war der Rathausplatz. Dort angekommen, formierten sich die Schützen zur Linie und unter dem Kommando: "Zum Abholen der Ehrengäste, Augen rechts!" kamen die Herren im Gehrock mit Zylinder unter den erneuten Klängen des Präsentiermarsches würdig die Rathaustreppe herab, um sich in die Formation einzureihen. Zwei der Ehrengäste sind mir noch in Erinnerung: Bürgermeister Menz und Konrektor Fellmann.

Eine andere Ansicht vom Schützenhaus als bisher bekannt! Kein Vergleich zum bekannten Restaurant Schützenhaus
von Alfred Skirde! Ich vermute, dass dies die Kegelbahn des Schützenhauses ist. Wer weiß es genau?

Nun marschierte die Gilde mit Musik, von vielen Bürgern begleitet, dem Schützenhausgarten zu. Dort angekommen, nahmen die Aktiven in der Kolonnade Platz. Für die übrigen Gäste waren unter den schattenspendenden Bäumen Tische gedeckt. Inzwischen hatte sich die Kapelle auf dem Podium eingerichtet und erfreute die vielen Besucher mit Unterhaltungsmusik. Bald herrschte auf dem Schützenhausgelände ein reges Treiben.

Wer Hunger verspürte, konnte sich an den Fleischer-Ständen an köstlicher warmer Knoblauch- oder polnischer Wurst gütlich tun. Auch fehlte der obligatorische Pasch-Stand nicht. Beim Einsatz von fünf Pfennigen konnte man glücklicher Gewinner werden, falls man auf das richtige Feld gesetzt hatte; war es nun "Schimmel", "Bauer", "Liese", "Finke", "Rose" oder "Storch". Natürlich war auch die Kegelbahn geöffnet und erfreute sich reichen Zuspruchs.

In all das Treiben mischte sich das Knallen der Schüsse, denn jetzt wurde um die Königswürde gerungen. Wessen Schuß dem kleinen roten Herzen auf der Scheibe am nächsten kam, der wurde am 2. Feiertag zum König ausgerufen. Wir jungen Burschen promenierten nach einiger Zeit ein wenig durch den Garten und zogen mit den Mädchen gleich, die natürlich auch aus den umliegenden Dörfern gekommen waren. "Errötend folgten wir ihren Spuren", bis wir sie schließlich mit mehr oder weniger Erfolg ansprachen. Beim anschließenden Tanz im großen Schützenhaussaal konnten wir unsere Eroberungen noch etwas ausbauen.

Königsfrühstück der Schützengilde Kotzenau, Pfingsten 1933. Schützenkönig Schuhmachermeister Fedor Sauer

"Königsfrühstück" der Schützengilde Kotzenau, Pfingsten 1933. Neuer Schützenkönig war Schuhmachermeister Fedor Sauer!

Am Abend des zweitens Pfingstfeiertages wurden dann der Schützenkönig und seine beiden Ritter (zweit- und drittbester Schütze) vor dem Eingang zum Schießstand proklamiert; mit einem dreifachen "Horrido!" Als Zeichen seiner Würde bekam der Schützenkönig vom Major die kostbare Kette umgehängt, die er ein volles Jahr in seinem Besitz behielt.

Nach diesen Formalitäten begann der feucht-fröhliche Einmarsch, denn manche Kameraden hatten ganz schön "geladen". Auch die Mitglieder der Kapelle waren in der Regel nicht nüchtern. Aber der Marsch "Waidmannsheil" klappte in jeder Situation stets einwandfrei! Nun bekamen der König, sowie seine beiden Ritter, das Ehrengeleit bis vor ihre Behausungen. Nach einigen Dankesworten der Betreffenden wurden die Kameraden jeweils zu einem Umtrunk in ein Lokal eingeladen. Danach löste sich der Zug so langsam auf und die Schaulustigen verliefen sich. Damit klang das alljährliche Pfingstschießen aus, was mit Recht als Volksfest bezeichnet wurde. Am 3. Feiertag musste der neue König im Schützenhaus für seine "Untertanen" ein Essen geben.

Günther Hoffmann, LHB 4/1983

'Kameradschaftsabend' der Kotzenauer Schützengilde am 1. Februar 1936.

"Kameradschaftsabend" der Kotzenauer Schützengilde am 1. Februar 1936. Wer erkennt jemanden?