Familie Walter Pilgramsdorf
Gemeinde Pilgramsdorf














Herbert Norff, Enkel von Anna und Hermann Walter, setzt hiermit seinen Vorfahren aus dem untergegangenen Pilgramsdorf im Kreis Lüben ein Denkmal. Gleichzeitig erfahren wir Interessantes über das kleine Dorf.
Herzlichen Dank ihm, seiner Cousine und seinem Cousin, dass sie uns einen Blick in die Vergangenheit ermöglichen!

Was für eine schöne Familie! Sieben Kinder haben Anna und Hermann Walter in Pilgramsdorf zwischen 1906 und 1925 in die Welt gesetzt und fürsorglich aufgezogen. Hier feiert die Familie im Jahr 1930 die Silberhochzeit der Eltern. Hinten von links: Erna, Herbert, Margret, Annemarie, sitzend vorn von links: Else, Anna, Hans, Hermann und Friedel.

Vielleicht erkennen Sie schon ohne Hilfe die Walters, die für dieses Foto kurz die Plätze gewechselt haben!
Else, Herbert, Friedel, Margret, Erna, Hans, Anna, Hermann und Annemarie.

Annas Bruder Emil Paul (Nr. 13) war mit seiner Familie aus Kreba (Kreis Görlitz) zur Silberhochzeit gekommen.
1 eine Nichte von Anna Walter aus der Paul-Familie aus Kreba, Name unbekannt. 2 Selma Paul, Schwester von Anna Walter geb. Paul aus Kreba, 3 Else Walter, 4 Herbert Walter, 5 Friedel Walter, 6 Marie Paul, Schwester von Anna Walter, 7 Margret Walter, 8 Annemarie Walter, 9 Erna Walter, 10 Anna Walter geb. Paul, 11 Hans Walter, 12 Hermann Walter, 13 Emil Paul, Bruder von Anna Walter, 14 Elfriede Paul, Tochter von Emil, Nichte von Anna und Cousine der Walter-Kinder.

Irgendwann am Tag der Silberhochzeit beschlossen die Gäste, einen Spaziergang zum Pilgramsdorfer Kriegerdenkmal zu machen. Von links: Hans Walter, Erna Walter, Herbert Walter, Margret Walter und eine Cousine der Walter-Kinder. Sie ist die Tochter von Emil Paul, der ganz rechts steht. Er ist der Bruder von Anna Walter geb. Paul, der Mutter dieser Kinder.

Ob die Gäste einfach das Bedürfnis nach einem Spaziergang hatten oder sich ob dahinter eine Tradition der Ehrung für die im ersten Weltkrieg gefallenen Pilgramsdorfer verbarg, wissen wir nicht. Aber dieser Idee und dem großzügigen Bildgeber Herbert Norff verdanken wir diese schöne Aufnahme, die es sogar erlaubt, auf dem Originalfoto die Namen aller Gefallenen auf dem Kriegerdenkmal zu lesen:

Unseren Gefallenen 1914-18
Oskar Sörmann
Hermann Jakob
Max Jakob
Hermann Klein
Reinhold Wiesner
Reinhold Stark
Oswald Heine
Julian Ernst
Wilhelm Stahn
Rudolf Senftleben

Das linke Foto zeigt rechts Hermann Walter als Soldat im ersten Weltkrieg. Wer weiß, welche Situationen er erleben musste, bei denen nur durch viel Glück verhindert wurde, dass er ein weiterer Name auf dem Kriegerdenkmal gewesen wäre.


Die Warenhandlung Hermann Walter in Pilgramsdorf

Der alte Dorfplan des in den 1970er Jahren im Abraumschlamm des Kupferbergbaus von Lubin versenkten Dorfes zeigt auch das Gehöft der Walters. Ihnen gehörte auch ein winziger kleiner Kolonialwarenladen, in dem sich gerade mal eine Kundin mit Kind und der Verkäufer aufhalten konnten. Aber man tat alles, um selbst für den Lebensunterhalt der großen Familie zu sorgen. Für den Fall, dass Kunden auf Einlass warten mussten oder Lust auf ein Schwätzchen hatten, war eine kleine Bank vor den Laden gestellt worden. Heute haben wir die Wahl zwischen hundert Waren jeder Art, aber niemand hat Zeit und Lust auf ein Schwätzchen. Kein Wunder, dass wir uns manchmal nach der guten alten Zeit sehnen. Auch wenn wir wissen, dass dieses Bild die Vergangenheit zu Unrecht verklärt.

Annemarie Walter war 17 Jahre alt, als sie zum Reichsarbeitsdienst für die weibliche Jugend eingezogen wurde. Am 3.7.1937 wurde sie als Arbeitsmaid, der unterste RAD-Rang, im Lager 14/51 in Schlause eingestellt. In ihrem Arbeitsdienstpass ist auf S. 2 vermerkt, dass die "Verpflichtung" am 12.8.1937 erfolgte. Wahrscheinlich müssen wir uns unter der offiziellen "Verpflichtung" das übliche Gelöbnis auf den Diktator vorstellen. An ihrem 18. Geburtstag unterschreibt sie ihren RAD-Pass, in dem ein Foto von ihr in voller Uniform, mit RAD-Hut und RAD-Brosche enthalten ist. Aufschlussreich auch der Satz auf der letzten Seite, die Inhaberin dieses Arbeitsdienstpasses habe "die Berechtigung zur Führung dieses Arbeitsdienstpasses erworben." Schon das Titelblatt verkündete "Arbeit für dein Volk adelt dich selbst!"


Annemarie leistete ihren Arbeitsdienst im Lager 14/51 in Schlause. Der Ort heißt heute Słuzejów. Ich habe den Ort auf einem Messtischblatt von Kamenz gefunden.

Ansichtskarte vom RAD-Lager 14/51 in Schlause. Das Schloss, in dem Annemarie ihren Arbeitsdienst vom 3.7.-31.12.1937 absolvierte, ist heute dem Verfall preisgegeben. Ob sich irgendwann ein Investor findet?



Das Arbeitsbuch war seit 1935 ein weiteres Mittel des NS-Staates zur lückenlosen Kontrolle seiner Bürger. In Annemarie Walters Arbeitsbuch, ausgestellt vom Arbeitsamt Liegnitz, erfahren wir alle ihre Beschäftigungsverhältnisse seit dem Schulabschluss - da war sie 14 Jahre alt.


1.4.1934-3.5.1936: Gehilfin im elterlichen Haushalt und Geschäft
4.5.1936-28.2.1937: Haustochter in Fa. Opitz (Warenhandlung) in Spittelndorf
15.2.1938-28.2.1939: Hausangestellte bei Martin Schwidop in Berlin
1.4.1939-31.8.1946: Foto- und Geschäftshilfe in Kreuz-Drogerie und Photohaus Walter Ulrich


Besonders interessant ist hier ihre letzte Arbeitsstelle. Walter Ulrich war ihr Schwager, der Ehemann ihrer älteren Schwester Margret. Die beiden führten in Bernsdorf /Oberlausitz eine Drogerie mit Fotogeschäft. Dorthin ging Annemarie noch vor Kriegsbeginn. Der neue Wohnort ersparte ihr 1945 eine Flucht aus Pilgramsdorf. Nur ihre Mutter Anna mit dem jüngsten Sohn Hans lebte bis zuletzt in Pilgramsdorf.

Hans kutschiert seine Schwester Annemarie (links) und ein unbekanntes Mädchen. Auf die Rückseite hat Annemarie geschrieben: Bernsdorf Juli 1940 Hab mein Wage vollgelade


Auch dieses Bild der Geschwister Hans, Annemarie und Margret wurde in Bernsdorf aufgenommen.


Welch herzliches Verhältnis zwischen Annemarie, ihrer Schwester Margret und deren Ehemann Walter Ulrich bestand, zeigen auch diese Fotos. Margret und Walter kündigen auf einer Postkarte ein Paket an und grüßen die "drei Zicklein" in Pilgramsdorf! Das Foto rechts zeigt Annemarie neben ihrem Schwager vor der Drogerie in Bernsdorf.


Bald endete das harmonische Familienleben...
Herbert geriet in Kriegsgefangenschaft und wird seitdem vermisst.

Hermann Walter, geboren 1876 in Pilgramsdorf, starb 1942 und wurde noch in Pilgramsdorf beerdigt. Der Friedhof wurde in den 1970ern mitsamt dem Dorf im Abraumschlamm des Kupferbergbaus Lubin versenkt.

Anna Walter geb. Paul flüchtete 1945 allein zu ihren Töchtern nach Bernsdorf und starb dort 1968.

Hans Walter geb. 1925, trat 1945 zusammen mit seiner Mutter die Flucht an. Er kehrte noch einmal kurz ins Haus zurück, um einige Sachen zu holen. Danach erreichte er den Treck nicht mehr. Er wurde von den Russen gefangengenommen und ein Jahr später freigelassen. Er tauchte abgemagert und krank in Bernsdorf auf. Er starb mit nicht einmal fünfzig Jahren.

Else und Friedel Walter starben in den 1980er Jahren in Leipzig. Erna Walter starb mit 100 Jahren 2006 in München.

Annemarie Walter lernte in Bernsdorf einen Hamburger kennen und heiratete ihn 1947. Sie starb 1994 in Hamburg. Ihrem Sohn Herbert, der nach seinem vermissten Onkel benannt worden ist, verdanken wir diese beeindruckende Seite!