Hermann Marx (1870-1948)
Gedichte des Kantors Paul Matzker














Hermann Marx

Hermann Marx (1870-1948)

Der Schöpfer der wunderschönen Lübener Gartenanlagen wurde am 14. September 1870 in Klein-Machmin an der Hinterpommerschen Küste geboren, wo er nach seiner Schulzeit das Gärtnerhandwerk erlernte. Nach Lehr- und Gehilfenjahren kam Hermann Marx Ende 1890 nach Schlesien. lm Jahr 1901 schrieb die Stadt Lüben erstmals eine Stadtgärtnerstelle aus, um die er sich bewarb und die er dann auch durch Empfehlung des Grafen von Schmettow (Brauchitschdorf) erhielt.

Die Stadt war bis dahin ohne öffentliche gärtnerische Anlagen gewesen. Stadtgärtner Marx bot sich hier ein großes Arbeitsfeld. Seine künstlerische Begabung und seine Schaffensfreude fanden genügend Raum, sich hier zu entfalten. Unter seiner Leitung entstanden zunächst der Schillerpark und der Rosengarten, der mit seinen netten Ruheplätzen den Spaziergänger immer wieder zum Verweilen einlud. Später gestaltete er den in Hitlerpark umbenannten Stadtpark, der selbst dem verwöhntesten Geschmack gerecht wurde. Schließlich legte Hermann Marx noch den Waldfriedhof an. Krönung seines Lebenswerks aber sollte wohl der Heldenhain werden, der allerdings - noch in der Entwicklung - anderen Erfordernissen Platz machen mußte.

So mancher Villengarten war nach seinen Entwürfen und Ideen gestaltet worden. Viele Gartenfreunde holten sich seinen Rat, um auch ihre Blumenanlagen besonders schön und geschmackvoll anpflanzen zu können. Alle diese Erfolge gaben unserm Stadtgärtner neuen Ansporn. Sein künstlerischer Sinn schöpfte immer wieder Neues. Er strebte danach, der Gartenkunst ein neues Gepräge zu geben. Sogar über den "Wurzelschnitt und die beste Pflanzzeit der Obstbäume" kam Fachliteratur aus seiner Feder:


Vorwort
"Was irgend ein Mensch Vorteilhaftes erdachte,
das muß er Gemeingut werden lassen, wenn er sich als ein wahrhaft nützliches Glied der


menschlichen Gesellschaft betätigen will."
Von diesem Gedanken beseelt, ging ich daran, meine ureigensten Erfahrungen und

Beobachtungen auf dem Gebiete der Obstbaumzucht niederzuschreiben und übergebe sie, hoffentlich zum Nutzen des deutschen Obstbaues, in der Form dieses kleinen Werkchens der Öffentlichkeit. Möge es in Fachkreisen als langjähriger Mühe bescheidenes Resultat eine beifällige Aufnahme und nachsichtige Beurteilung und sodann in jedem deutschen Hause und in jeder deutschen Schule Eingang finden.
H. Marx,
Stadtgärtner in Lüben (Schles.)


Mit seinem Schaffen hat Hermann Marx Lüben, das von der Natur mit landschaftlichen Reizen nicht zu verschwenderisch bedacht worden war, den grünen wohltuenden und behaglichen Rahmen erweitert, der es in der vorwiegend landwirtschaftlich genutzten Ebene erst so schön und liebenswert gemacht hat. Der in seiner Art so bescheidene Stadtgärtner genoß durch sein stets zuvorkommendes und hilfsbereites Wesen in allen Kreisen der Bevölkerung Achtung und Verehrung. Er führte mit seinen beiden Kindern ein vorbildliches Familienleben. Im Jahre 1935 trat Hermann Marx in den Ruhestand. Seinen 75. Geburtstag konnte er im September 1945 noch in der Heimat feiern. Doch schließlich mußte auch er die Heimat und die Stätten seines Lebenswerkes verlassen. Sein Gottvertrauen half ihm über alle Widerwärtigkeiten und Nöte des Lebens hinweg. Er starb am 5. März 1948 in Arnsdorf bei Dresden.

Erika Hoffmann-Rehmie, 1952

Die städtischen Anlagen in Lüben 1916

Die Lindenstadt Lüben und ihre Grünanlagen

Soweit mir nun bekannt ist, waren die sogenannten Schießhaus-Anlagen die ältesten, die von der Stadt Lüben angelegt wurden. Zu damaliger Zeit war das für eine Kleinstadt eine Leistung. Damit war der Bevölkerung Gelegenheit geboten, in unmittelbarer Nähe der Stadt nach getaner Arbeit Erholung zu finden. Wem es in den Jahren vor dem 1. Weltkrieg vergönnt war, die schönen Mannschießfeste im Schatten der alten Linden mitzuerleben, der wußte auch den Wert einer einfachen Anlage zu schätzen. Durch den Schießstand der Schützengilde wurde diese allerdings sehr beengt. Im westlichen, dem breiteren Teil, bis zur Bahnlinie heran, stand unter einer kräftigen Eiche der Gedenkstein zur Erinnerung an die Völkerschlacht bei Leipzig. Auf dem Hauptweg dieser Anlage, unter der großen Pappel, war jeden Vormittag der Treffpunkt der Pensionäre. Dabei erinnern wir uns bekanntester Persönlichkeiten wie der alten Lehrer Wolf und Rother, Oberzahlmeister Wolf und Justiz-Inspektor Krzywanek, die stets pünktlich zu ihrem Spaziergang erschienen.

Außer einer kleinen Anlage am Kriegerdenkmal und am Deutschen Kaiser in der Bahnhofstraße gab es bis um 1900 keine besonderen öffentlichen Anlagen in Lüben. Im Jahre 1901 wurde Hermann Marx, der bis dahin Schloßgärtner beim Grafen von Schmettow in Brauchitschdorf war, als Stadtgärtner angestellt. Ausgestattet mit reichen Fachkenntnissen, legte er geeignete Pläne für die Schaffung von Grünanlagen vor. Der damalige Bürgermeister Faulhaber, sowie Ratsherr Gustav Anderssohn zeigten für diese Vorschläge großes Interesse. Als geeignetes Gelände stand der stadteigene alte Wallgraben zur Verfügung; so wurde es möglich, innerhalb der Stadt einen Grüngürtel anzulegen.

In den ersten Jahren wurde der Teil an der Schulpromenade, von dem kleinen Schulhaus bis zur Bahnhofstraße, zugefüllt und mit Gehölzen bepflanzt. Die zwei Reihen Bäume, abwechselnd eine Linde und ein Kugelahorn, die den Promenadenweg längs der Straße begrenzten, haben uns im Sommer den erfrischenden Schatten gespendet. Selbst bei einem überraschenden Regenschauer konnte man hier untertreten. Und diese beiden Vorteile waren sogar schon bei der Planung berücksichtigt worden!

In späteren Jahren, als das Amtsgericht gebaut wurde und das Kaiserdenkmal errichtet war, konnte diese Anlage bis an die Breite Straße verlängert werden. Leider fiel das kleine, begrünte Haus vom "Efeu-Müller" dieser Anlage zum Opfer, da es nicht mehr zu der neuen Umgebung paßte. Der kleine Platz gegenüber vom Denkmal, der sogenannte Töpferplatz, wurde als Anlage hergerichtet und erhielt den Namen Hann-von-Weyhern-Platz.

Schulpromenade unmittelbar nach Errichtung der Anlagen

Panorama von der Schulpromenade aus kurz nach Errichtung der Anlagen.
Gebäude von links: Mädchenschulhaus, Pulverturm mit Habsburger Haus, Volksschule, Pfarrhaus, Evangelische Kirche, freistehender Glockenturm

Um das Jahr 1905/06 wurde das Gelände an der Schwarzen Brücke - längs der Bahnlinie nach Raudten bis an die alten Schießhausanlagen - zu einer Parkanlage gestaltet. So wissen wir noch, daß der Hügelrücken den Kamm des Riesengebirges in Miniatur darstellte. Nach der Pflanzung einer Linde zum Gedenken an Schiller erhielt diese Parkanlage die Bezeichnung Schiller-Park. So klein dieser heute auch erscheinen mag, so war der Schiller-Park doch für so manchen Lübener eine gern aufgesuchte Erholungsstätte. Wir fanden auch in diesem Park eine dem Turnvater Jahn zu Ehren gesetzte Eiche. Im Winter wurde der Schiller-Park allzu gern von den Kindern mit ihren Rodelschlitten aufgesucht. Die Kleineren begnügten sich mit der "Schnecke", dieses war der gewundene Weg vom "Bergel" herab. Die Größeren sausten den Weg von der Schwarzen Brücke aus in den Grund oder gar über den Abhang bis ins Bahngelände. Wie gern aber zu jeder Jahreszeit der "Schiller-Park" von "verliebten" Pärchen aufgesucht wurde, darüber braucht hier kein Wort geredet zu werden!

Nach Beendigung des Baues der katholischen Kirche konnte dann auch der Teil des Walles von der Bahnhofstraße bis zur Liegnitzer Straße in Angriff genommen werden. Hier entstand wohl die bis dahin schönste Anlage von Lüben. Durch Vermittlung unseres Stadtgärtners Marx hatten die Geschwister Engel-Haake, Breslauer Straße, durch eine Stiftung ermöglicht, daß dort der Rosengarten angelegt werden konnte.

Nicht nur die Lübener suchten dieses herrliche Stückchen Garten auf, viele Fremde bewunderten diese gepflegte Anlage mit ihren eingefügten Ruheplätzen. Die Blumenpracht ließ das Auge immer wieder Besonderes finden. Mit dem Blick auf das Gotteshaus wurde einem in einer besinnlichen Stunde gerade dort so klar bewußt, wie herrlich Gottes Schöpfung ist!

Rosengarten unmittelbar nach der Errichtung um 1908

Rosengarten unmittelbar nach der Errichtung um 1908

Im Jahre 1911 gab der Bau des Gymnasiums mit dem Direktorhaus erneut Gelegenheit, Grünanlagen herzurichten. Das kleinere Gebäude wurde mit dem wuchtigen Bau durch die Pergola mit ihren Schlingpflanzen verbunden. Im Halbschatten der Bäume standen dort, längs des Weges, im Sommer mächtige Palmen und andere Kübelpflanzen. Wer denkt dabei nicht noch an den oft genug im Bild festgehaltenen Blick, von der Faulhaberstraße heraufkommend, auf die evangelische Kirche.

Ab 1925 grüßten uns im Sommer die Blumen, die in Kästen auf der Stadtmauer blühten. Ebenfalls im Jahr 1911 wurden am Krankenhaus unter der Regie von Stadtrat Gustav Anderssohn durch Stadtgärtner Marx die Schrebergärten angelegt, die vielen Einwohnern den Anbau ihres eigenen Gemüses und Obstes ermöglichten. Auch hier wurde so manches kleine Kunstwerk geschaffen. Bis zum Ausbruch des 1. Weltkrieges war trotz mancher Schwierigkeiten all das Schöne durch Stadtgärtner Marx geschaffen worden. Die dafür erforderlichen Geldmittel wurden von den Stadtvätern nicht immer leicht bewilligt.

Die Ausführung der Neuanlagen und deren Unterhaltung waren insofern erschwert, da die Fachkräfte fehlten. Die vorhandenen Arbeitskräfte hierfür waren wohl alle fleißige und willige Menschen, aber die Fachhand unseres Stadtgärtners mußte oft genug selbst gestalten. Dabei sei des lieben Wilhelm Heinzel (von den Schlittschuhläufern "Eisbär" genannt, da er im Winter die Eisbahn auf den Fleischerwiesen in Verwaltung hatte) und der Muttel Hermann (genannt "der Spatz", wegen ihrer allzu großen Gesprächigkeit) gedacht, die die treuesten Mitarbeiter des Stadtgärtners waren.

Nach dem 1. Weltkrieg mußte der Friedhof erweitert werden. So wurde 1921 auf dem angrenzenden Acker des Gutsbesitzers Triebel, nach der Eingemeindung aus der Mallmitzer Flur nach Lüben, das neue Friedhofsgelände in seiner Grundform durch Stadtgärtner Marx angelegt. Die spätere Ausgestaltung wurde vom städtischen Friedhofsverwalter Gartenmeister Julius Göbel von 1925-1927 in geschmackvoller Weise ausgeführt. Ihm verdankten wir auch die mustergültige Gestaltung des Urnenhaines.

Nach der Regulierung der Kalten Bache wurde von der Stadtgärtnerei der Eichenweg am Joppich-Teich angelegt, der einst den Namen Friedrich-Ebert-Weg trug. Schön wirkten hier die kleine Fichtengruppe und die Trauerweide am gegenüberliegenden Ufer am Ankergarten. Anläßlich der Gedenksteinsetzung für die Gefallenen durch den Verein der ehemaligen Bredow-Dragoner galt es, diesen wenn auch kleinen Platz würdig herzurichten. In den darauffolgenden Jahren wurde der Bahnhofsvorplatz neugestaltet. Auf diese Weise verschwanden die seit Jahren verwahrloste Ecke bei der Fa. Kulmiz und der Platz am Hotel "Prinz Wilhelm". Später wurde der Brunnen vor dem Bahnhofseingang auch noch bepflanzt. So zeigte Lüben den ankommenden Fremden, wenn sie aus dem Bahnhof heraustraten, ein sauberes, freundliches Gesicht. Damit war die Visitenkarte die Stadt geschaffen, die immer weiter bestrebt war, sich zu verschönern. Einige Jahre später folgte die Verbreiterung der Bahnhofstraße mit der Neubepflanzung.

Seit 1923 war ich unserem Stadtgärtner Marx als Landschaftsgärtner zugeteilt worden. Mit meiner Hilfe wurde es ihm besser möglich, seine Pläne zu verwirklichen. Als ein schönes Projekt durfte die Schaffung eines Heldenhaines angesehen werden. Die Stadt erwarb von Gutsbesitzer Kerber (Mallmitz) ca. 30 Morgen Ackerland längs des großen Exerzierplatzes. Diese Fläche wurde in den Jahren 1928-1932 in vier Abschnitten zu einer waldparkähnlichen Anlage gestaltet. Der Vater dieses Gedankens war der damalige Bürgermeister Feige. So wollte er der Stadt den Wald näherbringen, damit bei Spaziergängen die schon seinerzeit sehr belebte Reichsstraße gemieden werden konnte. Dieses schöne Fleckchen wurde oft und gern von unseren Lübenern und so manchem Besucher aufgesucht.

Als die Maifeier 1933 besprochen wurde, kam der Vorschlag, aus der Anlage einen Heldenhain zu gestalten. Zu dieser Zeit amtierte der bisherige Dezernent der Promenadenverwaltung, Stadtrat Vetter, als Bürgermeister. [Der von 1918-1933 tätige, gewählte Lübener Bürgermeister Hugo Feige war nach der Machtübernahme der Nazis abgesetzt worden. Heidi] Oberstudienrat Vetter war von diesem Vorschlag begeistert und bewies als amtierender Bürgermeister, daß sich auch dieses Problem nach dem Prinzip "Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg!" in kürzester Zeit verwirklichen ließ. Der Riesengebirgsverein überließ den großen Findling, der bisher im Schillerpark am Rübezahl-Platz gelegen hatte, als Gedenkstein für die Gefallenen. Walter-Fritze fuhr diesen mit sechs Pferden an seinen neuen Standort. Die Inschrift wurde durch Bildhauer Reigber eingemeißelt, danach wurde die Bepflanzung um den Stein vorgenommen; so stand nun der Einweihungsfeier nichts mehr im Wege. Am 1. Mai 1933 fand diese unter großer Beteiligung der gesamten Bevölkerung von Lüben und Umgebung statt.

Im März 1934 zeigte der Luftsportverband über dem Heldenhain sein Können, wobei zwei Kameraden, Förster (Goldberg) und Przibilla, abstürzten. Für sie wurden an gleicher Stelle Gedenksteine gesetzt. [Darin täuscht die Erinnerung! Siehe Heldenhain und Barschau! Heidi] Leider konnten wir uns kaum 10 Jahre an dieser schönen Anlage erfreuen. Bei der Erweiterung des Flugplatzes wurde alles wieder eingeebnet! Der schwere Stein wurde nicht weggeschafft, er wurde an Ort und Stelle versenkt. Hätte der damalige Bürgermeister Trenk (Trzeciak) für diese Angelegenheit, die uns einst Herzenssache war, mehr Interesse gezeigt, dann wäre der Stein durch die Luftwaffe auf unseren Waldfriedhof gebracht worden.

Während noch im Heldenhain die Arbeiten der Vollendung entgegengingen, wurde schon an die Schaffung einer weiteren Parkanlage inmitten der Stadt gedacht. Die Stadt hatte den früheren "Fischergarten" erworben. Das dort stehende Wohnhaus des einstigen Lübener Bürgermeisters Faulhaber wurde abgerissen. Nachdem dann von der Schloßstraße her eine Freitreppe angelegt worden war, wurde der Weg über den Wallgraben bis zur Wasserpromenade geschaffen, der sich dann mit dem von der Steinauer Straße hier hereinführenden Weg kreuzte. Im weiteren Verlauf wurde der Hauptweg, die eigentliche Achse des Parkes, bis an die Breite Straße (Ecke Gottschling) durchgeführt. Dadurch mußte der eigenartige Blumenbrunnen verschwinden. Längs der Stadtmauer wurde ein schmaler Weg angelegt und mit Hecken und allerlei Stauden umrahmt. Die Bewohner der an dieser Stadtmauer gelegenen Hinterhäuser mußten sich dadurch wesentlich umstellen, denn bisher ließen sie ihren Schutt und sonstige Abfälle gleich über die Mauer in den wilden Garten verschwinden. Nun stellten sie Blumenkästen auf die Mauer und gaben damit gleichzeitig ihrer Freude Ausdruck über die gewonnene schöne Aussicht nach der Parkanlage. Wo einst das Bürgermeisterhaus stand, blühten bald Rosen und Gehölze. Die an den schattigen Plätzen aufgestellten Bänke wurden von den Lübenern dankbar begrüßt.

Der untere Teil am Wallgraben blieb vorläufig noch in seinem alten, weniger schönen Zustand. Als mir im Frühjahr 1934, im Zuge der Notstandsarbeiten, eine Kolonne von dreißig Mann [1934 wurde ein "freiwilliger Arbeitsdienst" für Arbeitslose eingeführt.] zur Schaffung von Feuerlöschstellen zugeteilt wurde, war es wiederum dem weitblickenden Disponieren unseres damals stellvertretenden Bürgermeisters Erwin Vetter zu verdanken, daß wir bei dieser Maßnahme auch den Rest des Wallgrabens schlämmen und zu einem Weiher ausbauen konnten. Eigentlich erst dadurch wurde es möglich, das ganze zu einem Park auszubauen. Das Bild belebte sich hier immer mehr. Schnell hatten sich die Schwäne, die auf dem Weiher eingesetzt waren, in ihrem Haus auf der kleinen Insel eingelebt. Die Hochbrutenten, die Paul Rindfleisch gespendet hatte, bevölkerten den Weiher. Durch den Weg über die Brücke des Abflußgrabens wurde die Verbindung zur Bismarckstraße hergestellt.

Eine weitere Verschönerung entstand an der Ecke Schützen- und Breite Straße, als die Stadt die alte Reitbahn übernommen hatte und diese zur Turnhalle ausbaute. Wenn es auch eine bescheidene Anlage war, so zeigte es sich erneut, daß die Promenadenverwaltung immer wieder bemüht, war, jede Gelegenheit zu nutzen, um innerhalb der Stadt Grünflächen zu schaffen. Dabei darf nicht unerwähnt bleiben, daß all die Anlagen laufend gepflegt werden mußten, was nur mit großen Anstrengungen zu schaffen war.

Als im Herbst 1935 unser geschätzter Stadtgärtner Hermann Marx in den wohlverdienten Ruhestand trat, konnte er stolz auf das sein, was er in all den Jahren für unsere Stadt und ihre Bewohner geschaffen hatte. Hier war oft genug Zweckmäßigkeit mit künstlerischem Schaffen vereint worden.

Seinem Nachfolger Julius Göbel (1894-1966) blieb die schöne Aufgabe, das begonnene Werk weiterzuführen. Er gestaltete den restlichen Teil des Parkes.
In Verlängerung der Dragonerstraße wurde ein breiter Weg angelegt, der die Verbindung mit dem Hauptweg darstellte. An der einen Seite des Weges entstand, ganz abgeschlossen, ein Kinderspielplatz mit Sandkisten und Spielwiese. In dem tiefergelegenen Teil wurde ein mustergültiger Steingarten angelegt, der zu jeder Jahreszeit durch sein Blühen erfreute und ein ständiger Anziehungspunkt der Spaziergänger war.

Stadtgartenmeister Julius Göbel (1894-1966)

Stadtgärtner Julius Göbel (1894-1966)

Und all diese Anlagen wurden täglich von jedem von uns durchlaufen, sei es der Schulweg gewesen, der Weg zum Dienst oder zur Arbeit. Und zum Ausruhen nach dem Alltag fanden wir uns wieder hier ein. Immer wieder konnten wir ihre Schönheiten bewundern.

Fritz Schneider 1955



Ergänzende Erinnerungen der Tochter des Stadtgärtners Hermann Marx

Eines stillen bescheidenen Mitarbeiters meines Vaters möchte ich noch gedenken, des Herrn Lorenz. Er war Friedhofsgärtner, als der Friedhofsverwalter Göbel Nachfolger meines Vaters wurde. Herr Lorenz setzte auf dem schönen, stimmungsvollen Urnenfriedhof die Urne meiner Mutter bei. In Gedanken wandere ich oft an diese Ruhestätte.

Im Andenken an meinen Vater gedenke ich dankbar des längst verstorbenen Bürgermeisters Faulhaber und des Ratsherrn Anderssohn. Sie ermöglichten meinem Vater ein freies Schaffen, sie nahmen auch beide über den Dienst hinaus an dem Privatleben meines Vaters und seiner Familie regen Anteil. Ebenso sei an dieser Stelle des Bürgermeisters Feige gedacht, der stets die Arbeit meines Vaters gebührend würdigte. Da mein Vater nach eigenen Plänen schuf, entstanden der Stadt keine weiteren Nebenkosten. Bei der Gehaltseinstufung wurde dies durch Bürgermeister Feige berücksichtigt, und nach entsprechender Vorlage beim Regierungspräsidenten wurde mein Vater in die Gehaltsklasse des Berliner Tiergarteninspektors eingestuft. Damit erfuhr mein Vater eine besondere Anerkennung seiner Leistungen.

Gertrud Marx 1955


Die letzten Stunden in Lüben

Unauslöschbar! Aus der Erinnerung geht einfach nie mehr zu streichen, wie mein Vater und ich den Russeneinbruch erlebten. Jeder Moment steht besonders in dieser Zeit ganz wach vor meinen Augen!

Schüsse krachen - wir werden aus dem Schlaf gerissen. Es ist der 27. Januar 1945, abends gegen 11 Uhr. Die Russen sind da! Mein Vater konnte dies nicht fassen. Wir kleideten uns schnellstens an. Auf der Straße erklang in die dunkle Nacht hinein das Rufen der Russen. Auf der Straße sahen wir auch einen deutschen Soldaten mit dem Gewehr in Anschlag stehen. Er gab uns Anweisung, in Richtung Brauchitschdorf zu gehen. Von Angst getrieben, liefen wir, auf den Weg nicht achtend, durch den hohen Schnee und erreichten das Bahnwärterhaus an der Brauchitschdorfer Chaussee. Der Raum war leer, die Laterne stand am Boden, der eiserne Ofen strahlte eine behagliche - ach so friedliche - Wärme aus!

Da läutete das Telefon. Ich nahm den Hörer ab. Der Wärter der nächstliegenden Stelle meldete sich und wollte den Stand der Lage erforschen. Als er nun eine für ihn fremde Stimme vernahm - ein Klicken, nichts mehr! Er hatte aufgelegt.

Durch ein Geräusch aufmerksam gemacht, gehe ich auf die Chaussee, da kommt ein Zug aus Richtung Lüben angefahren - ganz langsam; über das Feld kommt ein Mann, mit dicker Joppe und einem Eichenstock, gelaufen - und besteigt den Zug. Es war unser Brauchitschdorfer Oberförster Mähnert - er war gerettet; der Zug fährt an mir vorüber.

Eine Zeitlang verbrachte ich bei meinem Vater im Bahnwärterhaus, die Unruhe und Ungewißheit, was aus uns werden soll, trieben mich immer wieder hinaus - da drang durch die dunkle Nacht ein Laufen an mein Ohr - ich erkenne einen Bahnbeamten, der von hier aus versuchen will, mit der nächsten Haltestelle telefonische Verbindung zu erhalten - aber umsonst! Eine Lokomotive sollte noch die Wagen mit Kranken herausholen. Inzwischen hatten sich immer mehr Flüchtlinge eingefunden. Nach Stunden kam die Lokomotive an, mein Vater war längst in sein Haus zurückgelaufen.

Der Morgen erwachte, am Bahnhof standen Waggons bereit. Koffer türmten sich auf dem Bahnsteig bis zum Bahnsteigdach. Frauen eilten, so gut es mit dem schweren Gepäck ging, keuchend, mit angstverzerrten Gesichtern, dem Bahnhof zu. Sonst war in den Straßen zum Teil eine "Stille vor dem Sturm", überall lauerte der Tod, das Grauen des Krieges hatte Einzug gehalten, hatte eine Stadt tief ins Herz getroffen!

Nun versuchte ich meinen Vater zum Fortgang zu bewegen, ich ging noch einmal durch unser Haus und nahm von allem Abschied. Als ich im 2. Stock war, fiel ein Schuß, wahrscheinlich von einem Flugzeug! Ich ging hinunter, unser Gepäck luden wir auf einen Schlitten. Bei großer Kälte und Schneesturm ging es erneut in Richtung Brauchitschdorf. In der Gastwirtschaft Grosser in Brauchitschdorf machten wir halt. Dort war ein Verpflegungsdepot untergebracht. Unsere Mahlzeiten habe ich im Pastorenhaus zubereitet, es war für die Flüchtlinge freigegeben. Nach ein paar Tagen wurde der Wehrmachtsstab aus dem Schloß ins Pastorhaus verlegt. Die umliegenden Wälder waren schon mit Russen durchsetzt. Unser Aufenthalt war die Gast-stube, wo sich inzwischen manch Lübener eingefunden hatte und Nachricht vom Zustand in Lüben brachte.

Das einstige Haus der Familie Marx Liegnitzer/Breslauer Str. um 1964

Das einstige Haus der Familie Marx Liegnitzer/Breslauer Str. um 1964

Der letzte Abend hier aber bleibt unvergessen: Um den großen eisernen Ofen saßen Soldaten und Zivilisten, und jeder war mit sich und seinen Gedanken beschäftigt. Da aber wurde versucht, durch Musik Ablenkung zu schaffen, es wurde gesungen - ja und sogar getanztl Ein Stimmungsbild, das die furchtbare Situation so recht kennzeichnete, es war kein Singen aus Fröhlichkeit, es war kein Tanz der Freude - nein, eher glich alles - dem Totentanz!

Gertrud Marx 1956