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Konrad Klose, Geschichte der Stadt Lüben, Verlag Kühn Lüben, 1924, S. 284/285
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Ein Grundstück an der Pforte hätte die Stadt kaufen können, aber
sie hatte es aus falscher Sparsamkeit in fremde Hände geraten
lassen." Der Besitzer legte eine Verkaufsstelle für Holzasche an,
was auch nicht zur Verschönerung beitrug. Der alarmierende
Stadtblattartikel veranlaßte die Stadtverordneten zu energischem
Vorgehen. Es wurde am 22. Februar 1845 eine Promenaden-
Deputation gewählt und eine Reihe von Maßnahmen beschlossen:
Der Damm zwischen dem Glogauer und Liegnitzer Tor wurde
planiert, der Pfeffergraben, dessen Lauf früher unmittelbar hinter
der Gasanstalt und dicht an der Promenade entlang führte,
wurde reguliert. Dabei fielen freilich die den Graben umsäumen-
den Silberpappeln, was starkes Mißvergnügen hervorrief. Im
Jahre 1874 mußte sich der Pfeffergraben eine nochmalige Regu-
lierung gefallen lassen und 1882 wurde er von der Verwaltung der
Zuckerfabrik auf die Kuttelwiese verlegt. Am Pfeffergraben lag
von alters her der alte Kuttelhof des Fleischermittels. Als letzter
Überrest davon war noch in den vierziger und fünfziger Jahren
ein Schafstall übrig geblieben, der einem "Schöpsschäfer" unter-
stand. Es war dem Hüter der Schafe nicht zu verargen, wenn
er zweimal des Tages seine Herde über die Promenade trieb,
aber den Bürgern wollte es nicht mehr zeitgemäß erscheinen; der
Sinn für das Schöne war lebendig geworden. Drum nahmen
auch die Stadtväter, als 1846 die Verpachtung der Kuttelwiese in
Aussicht stand, darauf bedacht, eine Badeanstalt zu errichten, da
die Badegelegenheit an der Dienstmühle selbst den damaligen
Ansprüchen nicht mehr genügte. Erst 1855 ward dieser Wunsch
der Bürgerschaft erfüllt. Hinter der Pforte befanden sich nur
wenige Häuser. An der Stadtmauer lag eine kleine Braunbier-
schenke "Das Nußbäumel", wo die Honoratioren gern einen Trunk
taten. Im Förstergarten veranstaltete der Besitzer des "Grünen
Baum" Jüngling gelegentlich Gartenkonzerte. Zum alten Militär-
lazarett (Schulpromenade 13) gehörte der Lazarettgarten, in dem
später die Gasanstalt erstand. Sonst standen nur vereinzelte
Häuser da, wo jetzt die Schulpromenade sich befindet. Hinter dem
Kirchhofe lag der große Komplex der Fleischerwiesen, der sich bis
Altstadt ausdehnte. Im Jahre 1861 wurde vom Lazarettgarten
aus ein Promenadenweg angelegt, die alte Weidenpromenade;
sie hat genau 50 Jahre bestanden. Mit der Anlage der Faulhaber-
straße (1911) fielen die alten Weiden zum Schmerze vieler Bürger,
und die Promenade ging ein. Als am Ausgange der sechziger
Jahre der Bau der Eisenbahn begann, erfuhr das südwestliche
Stadtgebiet eine völlige Umgestaltung. Die Bahnhofstraße durch-
schnitt die Fleischerwiesen; sie sollte eine neue Verkehrsader wer-
den. Nach dem Ringe hin mußte erst ein Durchgang geschaffen
werden. Dort sperrte eine alte Scheune, welche am Wallgraben
lag, den Weg; sie wurde beseitigt, und durch Gebäudeaustausch
mit dem Braumeister Joppich das nötige Straßenterrain ge-
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wonnen. Der Wallgraben wurde überbrückt. Leider versäumte
die Stadtverwaltung die Gelegenheit, die Einmündung der Bahn-
hofstraße in den Ring entsprechend den Bedürfnissen des Verkehrs
und den einfachsten Anforderungen städtischer Baukunst zu ge-
stalten. Als ihr 1893 das neben der Apotheke befindliche Eckhaus
zu annehmbarem Preise angeboten wurde, schlug man es aus.
Zehn Jahre später ward es doch erworben und 1906 abgebrochen,
aber der Schaden war nicht zu heilen; die klaffende Lücke gereicht
der Stadt nicht zur Zierde.
Nur langsam bildete sich der neue Stadtteil nach dem
Bahnhofe. Sachs & Gellin und Kulmiz, die sich 1869 das
unmittelbar an der Bahn gelegene Terrain sicherten, blieben
lange vereinsamt. Am andern Ende der neuen Straße erwarb
Joppich das der Witwe Kätzler gehörige "Nußbäumel" mit dem
zugehörigen Garten (1873). Schon früher war an der Schul-
promenade die Synagoge erbaut worden. Sie wurde am 14. Sep-
tember 1868 eingeweiht. Neben dem Lazarett erhob sich 1867 die
Gasanstalt. Dort fand das Kriegerdenkmal seine Stätte, dessen
Errichtung am 23. Juni 1871 von den Stadtverordneten beschlossen
worden war, und das am 15. Februar 1872 enthüllt wurde.
Privatleute siedelten sich erst 10 Jahre später an der Bahnhofstraße
an; Napiralla kaufte 1883, Oberstleutnant Dörrbecker und Spe-
diteur Müller 1885 Grundstücke; die Brüder Mehwald erwarben
1881 Terrain an der Parallelstraße. Als dann 1881 die Stadt die
Brennerwiese und den Brenneracker, die ehemals zur städtischen
Branntweinbrennerei gehört hatten, an die offene Handelsgesell-
schaft Zuckerfabrik Lüben verkaufte und bald die Fabrikanlage
emporwuchs, begann man einzusehen, daß man "draußen" auch
wohnen könne. Bald mehrten sich die Häuser an beiden Seiten
der Straße, bis dem weiteren Ausbau durch die Firma Langer
& Co. ein Riegel vorgeschoben wurde, welche 1896 mit dem Bau
der Pianoforte-Mechanik-Fabrik begann und bald das gesamte
angrenzende Gelände erwarb. So wird die Bahnhofstraße für
immer ein Torso bleiben, während die Vorwerkstraße, welche 1889
aus fiskalischem in städtischen Besitz überging, ausgebaut ist.
Auch die Zukunft der Hann-von-Weyhernstraße ist nicht aus-
sichtsvoll; sie hat zwar 1914 den dringend nötigen Fahrdamm
erhalten, wird aber wohl ständig nur lückenhafte Bebauung auf-
weisen. Ein freundlicheres Geschick scheint der jüngsten der
Lübener Straßen, der Faulhaberstraße, welche 1911 ihren Ge-
burtstag feierte, beschieden zu sein; sie soll die Villenstraße werden
und weist bereits manch schmucken Bau auf.
Wir kehren wieder mehr zum Stadtinnern und zur alten
Zeit zurück. Es sei noch erinnert an das Postgebäude, welches
1887 eröffnet wurde, an die städtischen Familienhäuser (1910/11)
auf dem Gelände der alten Stockmeisterei, welche die Stadt 1852
erwarb, an den Verbindungsweg über die Kuttelwiese nach Samitz