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Konrad Klose, Geschichte der Stadt Lüben, Verlag Kühn Lüben, 1924, S. 286/287
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der 1881 hergestellt ward. An der Pforte ist die Zeit nicht spur-
los vorübergegangen. Das alte Schulhaus am Turm stürzte am
3. Mai 1831 in sich zusammen, der alte Wallgraben mit seinen
beiden Brücken ist zugeschüttet, die Begräbniskirche auf dem alten
Kirchhofe
wurde 1880 abgebrochen, nachdem der Kirchhof selbst
1873 geschlossen worden war. Aber über den Gräbern erblühte
neues Leben. Das Gymnasialgebäude fand hier seinen Platz
und ward am 6. Mai 1911 geweiht, neben ihm steht das Direktor-
haus. Der ehemalige Jüngling- bezw. Förstergarten gegenüber
ist zum Teil in die Promenade hineingezogen. Wenig ist hier
aus der alten Zeit übrig geblieben, ein bescheidenes Denkmal für
den Bürgermeiser Krause, es ward 1864 errichtet und kostete
25 rtl. Die ganze Promenade von der Breitenstraße bis zur
Bahnhofstraße wurde 1900 umgestaltet und der Fahrdamm der
Schulpromenade verbreitert. Die alten Linden fielen, auch das
alte Accisehaus verschwand; aber die freundlichen Anlagen, welche
an die Stelle traten, die schmucken Märchengruppen und die
Tuffsteingrotte, die der Verschönerungsverein 1906 stiftete, und
nicht zum wenigsten das Kaiser Wilhelm-Denkmal, das General
Hann von Weyhern schenkte und das am 21. Juli 1901 enthüllt
ward, söhnten auch diejenigen aus, welche den Verlust der Linden
zuerst nicht verschmerzen konnten. Das 1905 in Gebrauch ge-
nommene Amtsgerichtsgebäude verschönt hier das Stadtbild.
Die Breite Straße hat sich, nachdem sie in den fünfziger Jahren
von schweren Bränden heimgesucht ward, wenig verändert. Die
kleine Kaserne, seit 1873 in Gebrauch, wird am längsten ihren
Zweck erfüllt haben. An der Haynauer Straße grüßen die neuen
städtischen Alumnate (das Jugendheim und Villa Frohsinn).
Zwischen ihnen ward seinerzeit eine Irvingianerkapelle erbaut;
aber als der Hummeler Erzengel*, der sie gestiftet, in Konkurs
geriet, kam auch die Kapelle unter den Hammer. Der Männer-
Turnverein erstand sie am 28. Dezember 1888 und machte sie zur
Turnhalle. Davor fand ein Bismarckdenkmal seine Stelle, das
am 25. September 1898 enthüllt wurde. Im neuen Jahrhundert
überschritt die Stadt die bisherige Westgrenze, die Bahnlinie. Der
Getreidespeicher ward schon 1899 erbaut, das erste Wohnhaus, das
Molkereigebäude, erst 1904, seitdem sind weitere gefolgt bis hart
an die Altstädter Grenze.
Am alten Schießhaus hat die Schützengilde 1850 mit
großen Opfern einen neuen Garten angelegt. Als die alte
Oberauer Straße, die dicht am Schießhause vorbeiführte, durch
die Bahngeleise abgeschnitten wurde, ward das angrenzende Ge-
lände für Promenaden frei. Die Stadt und die Schützengilde
hatten das im gemeinsamen Besitze befindliche Schießhaus bereits
1866 verkauft. Es wurde 1901/02 abgerissen und neu gebaut.
Hinter ihm entstand 1911 die Schrebergärten-Kolonie und 1905
der Schillerpark. Jenseits der Bahnbrücke, hinter dem Friedhofe

* Hier eine ironische Bezeichnung des Verfassers Konrad Klose für den Stifter der Kapelle aus Hummel/Schlesien, die gleichzeitig Bezug nimmt auf die Religionsgemeinschaft, der er angehörte. Siehe auch S. 309 unten und 310 oben. Heidi
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der Heil- und Pflegeanstalt, wurden 1911-13 Pflegerhäuser er-
richtet.
Die Polkwitzer Straße hat geringe Wandlungen durchge-
macht. Die große Gegenwart bescherte ihr den neuen Namen:
Hindenburgstraße. Das Landratamt wurde durch den Anbau des
Sitzungssaales für den Kreistag vergrößert und gegenüber auf
dem alten Reitplatz erhebt sich seit 1912 das stattliche Dienst-
gebäude für den Landrat.
Erheblich sind die Veränderungen des Stadtbildes nach
Norden. Der alte Töpferplatz erhielt am 70. Geburtstag des
Lübener Ehrenbürgers, 4. Januar 1903, den Namen Hann von
Weyhern-Platz
und infolgedessen ein freundlicheres Aussehen.
Die Wasserpromenade empfing 1848 ihre jetzige Gestalt. Unter
dem Drange der Verhältnisse bewilligten die Stadtverordneten
1000 rtl. für Notstandsarbeiten; sie wurden für den Ausbau der
nördlichen Promenade verwandt. Der angrenzende Garten ist
seit 1906 im städtischen Besitz und soll einmal Stadtgarten werden.
Der Verbindungsweg von der Kasernen- nach der Polkwitzer
Straße wurde 1904 erneuert. Die Kasernenstraße selbst, 1881/83
hergestellt, wurde lange von der Bautätigkeit gemieden. Erst
als die Straße vor der Kaserne - seit 1906 Bredowstraße ge-
nannt - bebaut wurde, fand auch die Kasernenstraße Zuspruch,
sodaß sie bald, wenigstens an einer Seite, vollständig sein wird.
Die Verbindungsstraße von der Kaserne nach der Kirchhofstraße
wurde 1885 wesentlich auf Kosten des Fiskus hergestellt, da die
alte Totengasse fiskalischer Besitz war und bis 1853 durch einen
Schlagbaum gelegentlich abgesperrt wurde. Die Schrebergärten
an der Ostseite der Kaserne werden wohl dem beabsichtigten Er-
weiterungsbau der letzteren weichen müssen.
Die Steinauer Straße ist im großen und ganzen unverändert
geblieben, wenn auch manches Haus modernisiert worden ist und
der alte Rahmhof zur Schlachthofstraße wurde. Das alte Lübener
Schloß bot der Besitzer von Mallmitz, Pohlenk, 1849 der Stadt
zum Kaufe an mit dem Vorschlag, den Garten zur Erweiterung
der Promenaden zu benutzen; die Stadt lehnte es ab, beschloß aber
am 19. Juli 1851 doch den Ankauf, um es evtl. zum Krankenhause
umzugestalten. Der Plan scheiterte, und nun drängten die Stadt-
verordneten zum Verkaufe des Grundstücks, statt hier eine groß-
zügige Promenade zu schaffen. Nur der Schloßwall wurde 1852
entwässert. Verkauft wurde das Schloß erst 1869 an den Landrat
von Rother, von ihm erwarb es 1892 Sanitätsrat Jarmer, von
dessen Erben 1918 Kaufmann L. Engel. Ein langwieriger Streit
entbrannte um den Neubau des katholischen Pfarrhauses. Am
1. November 1851 faßten die Stadtverordneten den Beschluß
hierzu, aber fast 20 Jahre sollten vergehen, ehe man am Ziele war.
Einmal wollte man in Verbindung mit dem Kuratialgebäude ein
katholisches Schulhaus errichten, und dazu fehlte der nötige